Ahrensburg. Kritiker alarmieren Datenschützer: Bürgervorsteher wollte prüfen, ob Sitzungen wieder in Sälen statt Turnhallen möglich wären.

In einem anonymen Brief beklagen sich „Mitglieder der Ahrensburger Politik“ über Bürgervorsteher Roland Wilde. Die Absender werfen dem Christdemokraten einen Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vor, weil er Ende August in einer E-Mail an alle Fraktionsvorsitzenden nach dem Corona-Impfstatus oder Genesenennachweis der Kommunalpolitiker gefragt hatte. Der Brief ging an Bürgermeister Michael Sarach, die Datenschutzbeauftragte der Stadt und das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) in Kiel. Es landete auch im Briefkasten der Abendblatt-Regionalausgabe Stormarn mit dem Hinweis: „Hier ohne Nennung von Namen, da sonst leider nicht nur ein Shitstorm und eine Ausgrenzung befürchtet werden, sondern eine vertrauensvolle weitere Zusammenarbeit gefährdet ist.“

Bürgervorsteher Wilde hatte in der jüngsten Stadtverordnetenversammlung für seinen Impfstatus-Vorstoß öffentlich um Entschuldigung gebeten. „Das tut mir entsetzlich leid, da bin ich übers Ziel hinausgeschossen“, sagt er. Da die Vorbereitung der Sitzungen zu seinen Aufgaben zählt, habe er damals prüfen wollen, ob diese weiterhin mit großen Abständen in den städtischen Turnhallen stattfinden müssten oder wie vor der Pandemie in kleineren Sälen möglich seien. Der Aufwand für die Gremien ist in den Sporthallen ungleich größer, außerdem müssen die Vereine auf ohnehin rare Trainingszeiten verzichten.

Die bereits erhaltenen Daten sind inzwischen gelöscht

„Die Grundidee war, ein Stimmungsbild aus den Fraktionen zu bekommen“, so Wilde. Dabei habe er bewusst auf die Freiwilligkeit der Auskünfte hingewiesen. Doch er habe wohl unterschätzt, wie sensibel das Thema sei. Als ihn die Kritik von anderen Stadtverordneten erreichte, habe er die bereits erhaltenen Daten „sofort gelöscht“ und dies auch den Fraktionen mitgeteilt.

Bürgervorsteher Roland Wilde: „Da bin ich übers Ziel hinausgeschossen.“
Bürgervorsteher Roland Wilde: „Da bin ich übers Ziel hinausgeschossen.“ © HA | Janina Dietrich

Mit Datum vom 1. September beschwerte sich ein Betroffener schriftlich beim Bürgermeister und der Ahrensburger Datenschutzbeauftragten über das Vorgehen. Im Glauben an die „gute Sache“ habe er seinen Impfstatus übermittelt, doch einige Tage später seien ernste Bedenken aufgetaucht. „Nach Gesprächen mit meinem Anwalt und einem Experten für IT-Sicherheit und Datenschutz bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass dieses Ersuchen von Roland Wilde unzulässig und rechtswidrig war und meine persönlichen vertraulichen Daten in die falschen Hände gelangt sind“, schreibt der Unbekannte. Der Versuch einer Nötigung sei nicht von der Hand zu weisen.

Bürgermeister hält keine weiteren Schritte für erforderlich

Der Brief endet mit zwei Forderungen. Zum einen habe der Bürgervorsteher alle erhobenen Daten sowie eventuell verbreitete Listen unverzüglich zu löschen und dies jedem Politiker per Brief oder E-Mail zu versichern. Zum anderen müsse Wilde in der Stadtverordnetenversammlung erklären, dass die Datenerhebung ein Missverständnis war und „versehentlich“ erfolgt sei.

Für Bürgermeister Michael Sarach sind nach der kompletten Löschung aller Daten und Wildes Statement vor den Stadtverordneten keine weiteren Schritte erforderlich. „Das war eine etwas unglückliche Aktion, hinter der eine gute Absicht steckte und nichts Böses“, sagt Sarach. Die Verwaltung sei in den Vorstoß nicht eingebunden gewesen. „Aus solchen Sachen lernt man“, sagt Sarach über den Vorgang, den er datenschutzrechtlich als nicht ganz einwandfrei einstuft.

Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz will Fall prüfen

Für einige Kommunalpolitiker ist die Angelegenheit dagegen offensichtlich noch nicht erledigt. Im jüngsten Brief heißt es: „Unser Bürgervorsteher Roland Wilde hat seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger offensichtlich missbraucht, indem er den genauen Impfstatus in der Politik abfragte! Diese Selbstermächtigung steht ihm in keiner Weise zu.“ Die Kritiker betonen, dass sie selbst geimpft seien, aber nicht möchten, dass ein Impfbuch zum wichtigsten Ausgrenzungsmerkmal in einer bisher offenen Gesellschaft führe.

Sie beklagen, dass auch im Beruf, im Alltag und im privaten Umfeld eine extreme Spaltung mit unabsehbaren Folgen stattfinde. Freunde sagten beispielsweise Veranstaltungen und Essen ab, weil sie wegen der 2G-Regelung nicht mehr mitdürften.

Das ULD in Kiel verweist auf Abendblatt-Anfrage darauf, dass der Fall zunächst genauer geprüft werden müsse. „Grundsätzlich können Impfstatus-Auskünfte immer nur freiwillig erfolgen“, sagt Barbara Körffer, stellvertretende Landesbeauftragte für Datenschutz. Beispielsweise können Firmen keinen Anspruch durchsetzen, wobei es im Gesundheitswesen Ausnahmen gibt.