Hamburg. Der „Pakt für Solidarität und Zukunft“ mit Kiew setzt ein Zeichen im Krieg – und macht Hoffnung für den Frieden.
Seit nunmehr zwei Monaten tobt ein Krieg in Europa, den die überwältigende Mehrheit weder erwartet noch überhaupt für möglich gehalten hatte. Und dieser Krieg, ausgelöst durch den Überfall Putins auf die Ukraine, wirkt sich immer stärker auch auf die Bundesrepublik aus. Ein hässlicher Streit tobt in der Republik: Viele, die gestern noch friedensbewegt den Wehrdienst verweigerten, fordern heute immer lautstärker mehr Waffen, mehr Einsatz, mehr Eskalation.
Radikale Stimmen wie die des Biologen Anton Hofreiter (Grüne) oder der langjährigen Jugendbuch-Verlagsrepräsentantin Marie-Agnes Strack-Zimmermann bestimmen inzwischen die verteidigungspolitische Debatte. Und der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk, die Krawallschachtel unter den Diplomaten, schürt den Streit.
Pakt mit Kiew: Tschentscher durchbricht Eskalationslogik
Um Kanzler Olaf Scholz und seine SPD, deren vermeintliche Zögerlichkeit eher Besonnenheit ist, unter Druck zu setzen, schießt der Botschafter aus allen Rohren gegen die Partei. Den Düsseldorfer Ex-Bürgermeister nennt er einen „gotterbärmlichen Putin-Verehrer“, dem Bundespräsidenten wirft er vor, er habe „ein Spinnennetz der Kontakte mit Russland geknüpft“, die „jahrelange Putin-freundliche Politik“ von Außenminister Sigmar Gabriel und seiner „SPD-Kumpane“ habe „den barbarischen Vernichtungskrieg“ gegen die Ukraine erst herbeigeführt. „Shame on you“, twitterte er. Erich Vad, ein früherer Brigadegeneral und Merkel-Berater, ist für Melynk sogar ein „erbärmlicher Loser“.
Peter Tschentscher durchbricht diese hässliche Eskalationslogik nun mit einem humanitären Schritt und unterzeichnet mit seinem Kiewer Amtskollegen Vitali Klitschko einen „Pakt für Solidarität und Zukunft“. Er fällt nicht durch die lauteste Attacke auf Twitter auf, sondern durch leises Handeln. Den Pakt versteht er als Zeichen gegen den Angriffskrieg Russlands und für Solidarität.
Zusammenarbeit schlägt Brücken in die ukrainische Hauptstadt
Hamburgs Bürgermeister handelt auf seiner Ebene – der Zusammenarbeit der Städte. Dabei kommt ihm zupass, dass Vitali Klitschko selbst lange in der Hansestadt gelebt hat. Tschentscher spricht zugleich als Sozialdemokrat, der nach vorne schaut, nicht zurück. Den Krieg zwischen der Ukraine und Russland kann er nicht beenden, aber vielleicht das Scharmützel zwischen einem ukrainischen Diplomaten und einer deutschen Partei, die in den vergangenen Jahren schwere Fehler gemacht hat. Auch Klitschkos emotionale Worte und sein Dank an seine zweite Heimat senden eine andere Botschaft als die Unverschämtheiten eines Andrij Melnik.
Die Zusammenarbeit schlägt nun Brücken in die ukrainische Hauptstadt, die bitter nötig sind. Sie vernetzt die Metropolen, bindet Bürger und Unternehmen ein, ermöglicht zielgerichtete Hilfe vor Ort und motiviert die Hamburger zur Solidarität. Die vertiefte Zusammenarbeit ist noch keine offizielle Partnerschaft – aber sie kann es werden.
Hamburg könnte zu einem Brückenbauer werden
Manche hielten Städtepartnerschaften in Zeiten von Billigfliegern und Internet für eine Idee von vorgestern. Jetzt, wo der Krieg das Vorgestern ins Heute zurückgebracht hat, sind sie aktueller denn je. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging es darum, erst zwischen deutschen und britischen, dann zwischen deutschen und französischen Städten Vertrauen aufzubauen, Vorurteile zu überwinden, eine Völkerverständigung „von unten“ zu ermöglichen.
Davon werden wir nach diesem Krieg mehr benötigen. Mit der Städtepartnerschaft zu St. Petersburg, die unbedingt in diesen finsteren Zeiten am Leben gehalten werden muss, könnte Hamburg sogar zu einem Brückenbauer werden – ein Dreieck des Friedens, das jetzt noch fern scheint. Wir müssen endlich beginnen, über den Tag hinaus zu denken.