Bargteheide. Viele Bürger kritisieren lange Wartezeiten und mangelnde Flexibilität nach Einführung der Onlineterminvergabe.
Ende September sorgte Carsten Schaar mit einem Sitzstreik vor dem Bürgerbüro der Stadt Bargteheide für Schlagzeilen. Der 59-Jährige brauchte für seinen Job im Ausland dringend einen neuen Pass, wurde aber nicht eingelassen. Nach sieben Tagen fand sich dann doch ein Weg, dem Mann zu helfen. Seitdem wird in Bargteheide kontrovers diskutiert, ob mit der Einführung der Onlineterminvergabe Mitte August wirklich alles besser geworden ist. „Das Rathaus wird von vielen Bürgern in der jetzigen Situation als Festung wahrgenommen, das vor Kunden geschützt wird“, sagt der CDU-Ortsvorsitzende Hans-Werner Harmuth.
Zu diesem Schluss sind die Christdemokraten nicht zuletzt durch ihre Veranstaltung „Anpunschen und Abgrillen“ Anfang Oktober vor dem Rathaus gekommen. „Wir sind auf das Thema Bürgerbüro von sehr vielen Besuchern direkt angesprochen worden“, so Harmuth. Dabei seien immer wieder die langen Wartezeiten auf einen Termin und die mangelnde Flexibilität bei dringenden Angelegenheiten kritisiert worden. In diesem Zusammenhang habe es zudem immer wieder den Wunsch nach Wiedereinführung der alten Öffnungszeiten gegeben.
19 Tage Vorlauf für die Abgabe einer Fundsache
„Das Rathaus sollte für alle Bürger geöffnet und erreichbar sein“, sagt auch CDU-Fraktionschef Mathias Steinbuck. Corona dürfe für die Schließung des Rathauses und dessen „Bewachung“ als Ausrede nicht mehr gelten. „Die Sparkasse und Banken, der Einzelhandel und andere Dienstleister sind auch geöffnet und für Kunden frei zugänglich“, so Steinbuck. Deshalb werde man den Bürgerwillen, insbesondere hinsichtlich der alten Öffnungszeiten, nun in entsprechenden Anträgen aufgreifen und möglichst fraktionsübergreifend einbringen.
Ähnlich äußert sich die Wählergemeinschaft (WfB). Laut Fraktionsvize Gerhard Artinger sei der Fall Carsten Schaar symptomatisch für das neue Bestellsystem im Bürgerbüro. Es offenbare aber nicht nur bei derart gravierenden Problemen wie der Beantragung dringend benötigter Ausweispapiere seine Schwächen, sondern selbst bei so profanen Angelegenheiten wie der Abgabe von Fundsachen. „Ist das wirklich bürgerfreundlich, wenn es 19 Tage Vorlauf braucht, um einen gefundenen Gegenstand im Fundbüro abgeben zu können, so wie Anfang Oktober?“, fragt Artinger.
Stadt spricht von „gelungener Einführungsphase“
Die Stadtverwaltung hat hingegen eine andere Wahrnehmung von der Situation nach Einführung der Onlineterminvergabe am 19. August. Sie spricht auf Anfrage unserer Redaktion von „einer gelungenen Einführungsphase“, in der es nur „vereinzelt zu Konflikten“ gekommen sei. „Die wir dann aber immer auflösen konnten“, so Stadtsprecher Alexander Wagner.
Anfragen und Anliegen könnten unterdessen auch außerhalb der aktuellen Öffnungszeiten jederzeit telefonisch oder per E-Mail vorgebracht werden. Das gelte insbesondere für Notfälle. „In begründeten, dringenden Einzelfällen versuchen wir jederzeit Lösungen möglich zu machen“, sagt Wagner.
Jalousien wurden auf „blickdicht“ gestellt
Das stellte sich im Fall Carsten Schaar Ende September indes völlig anders dar. Der Bargteheider, der für eine große Hamburger Gabelstaplerfirma in Istanbul arbeitet, hatte vor und während seines Sitzstreiks vor dem Rathaus mehrfach telefonisch und per E-Mail erfolglos Kontakt zum Bürgerbüro. Dafür wurde aber alles getan, ihn von dort fernzuhalten. Erst per Platzverweis durch einen Mitarbeiter einer Security-Firma. Als er sich später an der langen Fensterfront des Büros bemerkbar machte, sind von innen die Lamellen der Jalousien auf „blickdicht“ gestellt worden.
„Das neue System schafft mehr Klarheit für alle, für die Bürger Bargteheides, wie die Mitarbeiter der Stadtverwaltung“, hatte Bürgermeisterin Birte Kruse-Gobrecht (parteilos) die Vorzüge bei einem Pressetermin gepriesen. Durch die Onlineterminvergabe würden die Wartezeiten deutlich reduziert. Außerdem könnten die personellen Ressourcen im Rathaus fortan effektiver geplant und eingesetzt werden.
Buchungsvorlauf beträgt aktuell drei Wochen
Aktuell beträgt der Terminbuchungsvorlauf laut Stadtsprecher Wagner drei Wochen. Jeden Morgen würden neue Termine freigeschaltet und abgesagte Termine wieder angeboten. Allerdings sei die Nachfrage nach Dienstleistungen „pandemiebedingt nach wie vor überdurchschnittlich hoch“. Zudem stelle die telefonische Erreichbarkeit wegen der vielen Weiterleitungen ins Home-Office der Mitarbeiter eine „technische Herausforderung“ dar.
„Da die Evaluierung noch nicht abgeschlossen ist, können wir derzeit noch keine Aussage über mögliche Anpassungen des Systems machen“, erklärte Alexander Wagner. Grundsätzlich soll es aber künftig möglich sein, „mehr Raum für Unverhofftes“ zu schaffen.
Schlechte Erfahrungen mit Offenen Zeitfenstern
„Offene Sprechzeiten“ werden im Rathaus hingegen kritisch gesehen. Erfahrungen anderer Kommunen zeigten, dass selbst diese Zeitfenster schnell ausgereizt seien und sich umgehend wieder Warteschlangen bilden würden. Deshalb bleibe die am 23. November eingeführte „fast lane“ (schnelle Spur) zur Abholung von Ausweisdokumenten immer donnerstags vorerst derzeit die einzige Möglichkeit, ohne Termin vorstellig werden zu können.