Die dritte Epoche beginnt: Ein Kampf um die digitale Besiedlung der Infrastrukturen - es geht dabei um unsere ökonomische Zukunft.

Viele von uns haben noch miterlebt, wie die elektronische Datenverarbeitung (EDV) Abläufe in Büro und Produktion automatisierte. Dann tauchten Internet und Smartphones auf, und das Wort EDV verschwand. Man sprach nur noch von Digitalisierung. Die Informationstechnik besiedelte unseren Alltag mit fantastischen Angeboten. Neue Bedürfnisse tauchten auf, von denen wir bis dahin gar nichts ahnten. Durch soziale Netzwerke und Apps wurden sie vor allem durch die Big Five Google, Facebook, Amazon, Apple und Microsoft befriedigt. Ihre Plattformen wurden mächtiger und mächtiger.

Jetzt stehen wir am Beginn der dritten Epoche. Dabei geht es um die digitale Besiedlung der öffentlichen Infrastrukturen und um die Ausbeutung der damit verbundenen Daten – und wer darüber bestimmen wird. Setzt sich die private Landnahme der US-Internetkonzerne fort, oder werden diesmal europäische Institutionen mit im Spiel sein?

Internetkonzerne beherrschen großen Teil der Ökonomie

Das ist keine nebenläufige Angelegenheit. Infrastrukturen stehen für die Daseinsvorsorge und das Gemeinwohl einer Gesellschaft. Dazu zählen die ökonomischen und technischen Infrastrukturen, es geht um Verkehr und Mobilität, Ver- und Entsorgung sowie um soziale Infrastrukturen: um Bildung und Forschung, Gesundheit und Pflege, Kultur, Freizeit und Kommunikation sowie um die öffentliche Verwaltung.

Bei den ökonomischen und informationstechnischen Infrastrukturen haben die Internetkonzerne einen großen Vorsprung. Mit ihren Möglichkeiten zur Datenanalyse beherrschen sie große Teile der Ökonomie, ihre Datenscheunen sind voll. Aus ihren Apps, Diensten und sozialen Medien fließen permanent Daten nach, aus denen sie profitträchtige Muster identifizieren und neue Geschäftsmodelle entwickeln können.

Konzerne werden sich um Beherrschung digitaler Okösysteme bemühen

Wer die Macht über die Daten hat, dem gehört die ökonomische Zukunft. Das heißt zugleich: Marginalisierung der traditionellen Unternehmen, die keinen Zutritt zu den Datenscheunen haben.

Es gibt noch zu vergebende Infrastrukturen. Internetkonzerne denken strategisch, deshalb wird es ihnen um Beherrschung sogenannter digitaler Ökosysteme gehen, etwa um Bereiche wie Wohnen, Gesundheit und Mobilität. Sie werden strategisch Schritt für Schritt vorgehen und ihre Absichten nicht an die große Glocke hängen. Beispielsweise im Verkehr. Dort hat Google mit Google Maps eine dominierende Rolle.

Google als Retter des Einzelhandels

Das hilft, um an attraktive Daten zu kommen, ohne groß zu investieren: Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) etwa konnten die Attraktivität ihrer App durch Anbindung von Google Maps erheblich steigern. Im Gegengeschäft kann Google die Bewegungsdaten der Berliner Bevölkerung von Berlin abschöpfen.

Arno Rolf ist Professor für Informatiksysteme in Organisationen und Gesellschaft an der Universität Hamburg.
Arno Rolf ist Professor für Informatiksysteme in Organisationen und Gesellschaft an der Universität Hamburg. © privat | Unbekannt

Nach dem Motto „Kleinvieh macht auch Mist“ grast Google jetzt lange Vernachlässigtes ab. Googles Strategie ist, die bisherigen Zaungäste der Digitalisierung, die 250.000 deutschen Einzelhändler, zu stützen. Ihnen wurde durch Amazon über Jahre das Geschäft kaputtgemacht. Google dient sich jetzt als Retter an. Das wird für die kleinen Händler sicherlich zunächst hilfreich sein. Dafür werden die Einzelhändler die dabei entstehenden Daten preisgeben müssen. Welche Sicherheit haben sie, dass Google sich nicht wie Amazon verhält?

Daten müssen für demokratische Politik Gemeingut werden

Es geht auch anders. Der Bund fördert den „Datenraum Mobilität“. Verkehrsdaten sind überlebenswichtig u. a. für Automobilkonzerne, für die Deutsche Bahn, Nahverkehrsunternehmen, Taxiverbände, private Mietwagen-, Car-, Bike- und Rollershareanbieter wie von Stadtentwicklungsbehörden. Die Vision: unkomplizierter Zugriff aller Teilnehmer auf einen Datenschatz, Riesenpotenzial für neue Geschäftsmodelle und Infrastrukturprojekte sowie Datensouveränität gegenüber Google & Co.

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Die Schlussfolgerung: Städte und Regierungen benötigen Zugang zu Daten zur Umsetzung demokratischer, am Gemeinwohl orientierter Politik. Solange Daten kein Gemeingut sind, werden demokratisch legitimierte Institutionen ihre Infrastruktur immer weniger auf Basis relevanter Daten gestalten können: Die Konzerne sind wie beim Wettrennen zwischen Hase und Igel immer schon da bzw. können mit Informationen, über die nur sie verfügen, Infrastrukturen gestalten. Als Herrscher über Daten sitzen sie am längeren Hebel.