Bad Oldesloe. Der 19-Jährige engagiert sich als Ehrenamtlicher. Allein bei der Bürger-Stiftung Stormarn gibt es 300 Gleichgesinnte.
Einen Interviewtermin mit Lennard Hamelberg zu bekommen, ist gar nicht so einfach. Aber nicht, weil der 19-Jährige lieber mit Freunden unterwegs ist oder am PC zockt, sondern weil er wahrscheinlich gerade mit dem Bürgermeister diskutiert, für einen guten Zweck Kekse backt oder den Jahresbericht für den Oldesloer Kinder- und Jugendbeirat schreibt, dem er vorsitzt. All das macht der Schüler mit Leib und Seele. Und zwar freiwillig, im Ehrenamt. Damit gehört er zu den rund 50 Prozent junger Menschen zwischen 14 und 25 Jahren, die sich laut einer Erhebung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hier im Land ehrenamtlich engagieren.
Dinge zum Positiven zu verändern macht Spaß
„Jeder einzelne von uns ist Teil der Gesellschaft und seines direkten Umfeldes. Es macht nicht nur Sinn, sondern auch großen Spaß, das unmittelbar mitgestalten zu können und Dinge zum Positiven zu verändern“, sagt Lennard Hamelberg, der in Seth (Kreis Segeberg) wohnt und in Bad Oldesloe die Ida-Ehre-Schule besucht. Die Gemeinschaftsschule ist die Wiege seines ehrenamtlichen Engagements: In der achten Klasse wurde er gefragt, ob er sich als sogenannter Streitschlichter ausbilden lassen möchte. Der damals 13-Jährige wollte und sagt heute: „Dort habe ich unglaublich viel gelernt.“ Seine Freunde sagen, er habe sich durch die Aufgabe verändert, sei selbstbewusster und zielorientierter geworden.
In der achten Klasse war er bereits Streitschlichter
Bei Amnesty International sammelt Lennard Hamelberg weitere Erfahrungen und auch in einem Austauschjahr in den USA setzt er sich für Hilfsbedürftige ein. Dort wie auch hier erfährt er große Unterstützung seitens der Schule. Dass der Schüler die ein oder andere Stunde verpasst, weil er stattdessen eine umfangreiche Aktion gegen Rassismus oder ähnliches plant, wird ihm nicht übelgenommen. Im Gegenteil.
„Wenn Schule oder Ausbildungsbetrieb den ehrenamtlichen Einsatz der jungen Menschen fördern, profitieren sie selbst auch davon“ sagt Stefan Kühl. Der 30-Jährige ist wie Hamelberg seit seiner frühen Jugend freiwillig für andere aktiv. „Reingerutscht“ sei er damals über seine Mitgliedschaft im Ahrensburger Judo-Club, über den er im Kinder- und Jugendbeirat der Schlossstadt landete. „Mitsprechen zu können und tatsächlich etwas zu bewegen gibt einem gerade als junger Mensch unglaublich viel Motivation“, sagt Stefan Kühl, der 2014 zum jüngsten Vorsitzenden des Kreisjugendrings Stormarn gewählt wurde.
Als Arbeitsgemeinschaft der Stormarner Jugendverbände vertritt dieser die Interessen von mehr als 36.000 Kindern und Jugendlichen, setzt sich auf politischer Ebene für deren Rechte ein und schafft es durch eine Vielzahl von Angeboten, jungen Menschen Raum zum Lernen und zur Entfaltung zu geben.
Der unentgeltliche Einsatz für die Gesellschaft ist kaum in Geld aufzuwiegen
Hauptberuflich arbeitet Stefan Kühl als Rechtsanwalt. Er sagt: „Eigentlich wollte ich Ingenieur werden. Aber durch meine Arbeit als Ehrenamtler war ich häufig mit rechtlichen Dingen konfrontiert. Das hat mich so interessiert, dass ich mich für ein Jurastudium entschieden habe.“
Ein Ehrenamt kann also direkten Einfluss auf ein Leben haben – nicht nur auf das eigene, sondern auch auf das anderer. Und das im besten Sinn. Unter dem Dach der Bürger-Stiftung Stormarn setzen sich derzeit 300 Menschen in ihrer Freizeit in mehr als 30 regionalen Bürgerstiftungen und Stiftungsfonds ein. Ihr unentgeltlicher Einsatz für die Gesellschaft ist kaum in Geld aufzuwiegen.
Die meisten Zeitspender der Bürger-Stiftung sind schon älter
Jörg Schepers, Stiftungsreferent der Bürger-Stiftung Stormarn, hat es einmal durchgerechnet: Selbst bei einem Stundenlohn von nur zehn Euro und einer Kapitalverzinsung von 1,5 Prozent würde sich ein Stiftungskapitalbetrag von 10,2 Millionen Euro ergeben. Die sogenannten Zeit- und Ideenspender sind somit Gold wert und schier unverzichtbar für erfolgreiche Stiftungsarbeit. „Aktuell sind unsere Ehrenamtlichen im Schnitt 70 Jahre alt“, sagt Schepers. In dieser Altersspanne stünden Beruf und Kinder nicht mehr an erster Stelle und die gewonnene Zeit werde für Neues genutzt. Der Erfahrungsschatz der älteren Zeitspender ist ein großer Vorteil.
Wichtig, auch junge Menschen ins Boot zu holen
Genauso wichtig sei es aber, junge Menschen mit ins Boot zu holen. „Sie haben ganz häufig viele eigene Ideen und Themen, die sie beschäftigen, für die sie aber in der Praxis noch keine Umsetzungsmöglichkeiten gefunden haben. Wir als Bürger-Stiftung freuen uns immer über neue Impulse und setzen alles daran, gemeinsam eine spannende Aufgabe zu finden“, verspricht Jörg Schepers.
„Wenn man einmal angefangen hat, sich für eine gute Sache zu engagieren, will man gar nicht mehr aufhören“, sagt Lennard Hamelberg. Er lacht und schaut dabei auf sein Telefon, das mal wieder klingelt und ihn an den nächsten Termin erinnert. Obwohl der Abiturient fast jede freie Minute in eines seiner Ehrenämter investiert, hat er nicht das Gefühl, seine Freizeit zu opfern. „Es ist kein Opfer, sich für andere stark zu machen“, sagt er. Vielmehr wachse er an den unterschiedlichen Aufgaben, die sich durch seine positive Umtriebigkeit häufig wie von selbst ergeben.
Auch wer nicht so viel Zeit, kann Gutes tun
So auch sein neuester „Job“: An der Seite von Maria Herrmann, Quartiersmanagerin des Sozialprojekts Plan B, vertritt er die Interessen der Mieter in den beiden zwölfgeschossigen Hölk-Hochhäusern im Bad Oldesloe. Wie berichtet, müssen hier 350 Menschen, darunter 77 Kinder und jugendliche, unter teilweise katastrophalen Wohnbedingungen leben. Lennard Hamelberg macht sich – wie immer, wenn er sich für etwas einsetzt – am liebsten selbst ein Bild von den Umständen. Er klingelt an den Türen, schaut sich die verstopften Toiletten, die offene Leitung am Fußboden, den schwarzen Schimmel an den Wänden mit eigenen Augen an. In allen Wohnungen, vom ersten bis zum zwölften Stock. Alles zu Fuß, denn der Fahrstuhl ist seit drei Wochen kaputt.
„Wir wollen ein Sprachrohr sein für die Mieter, die bisher einfach kein Gehör beim Eigentümer finden“, sagt Lennard Hamelberg, der mit seiner offenen und unvoreingenommenen Art schnell das Vertrauen der Menschen gewinnt. Und das will er nicht enttäuschen.
„Auch wer nicht so viel Zeit und Herzblut wie Lennard investieren will, kann in einem Ehrenamt Gutes tun“, sagt Uwe Sommer und wirbt besonders um junge Mitstreiter für die Bürger-Stiftung Stormarn. Dort ist er seit rund zehn Jahren Mitglied des Vorstandes – ehrenamtlich natürlich. Hauptamtlich ist er Geschäftsführer des Kreisjugendrings.
Dessen Vorstandsvorsitzender Stefan Kühl ergänzt: „Wer erst einmal mit einem kleinen Projekt gestartet ist, bei dem wächst meist schnell die Lust, sich weiter und umfassender zu engagieren. Das Wichtigste ist, dass die jungen Leute eine Ahnung davon bekommen, wie viel Spaß es macht, mit Gleichgesinnten an einem Strang zu ziehen und dabei noch Gutes zu tun.“