Hamburgs Altbürgermeister Klaus von Dohnanyi im Gespräch mit Matthias Iken. Heute über die Flutkatastrophe.
Matthias Iken: Bei den verheerenden Unwettern sind mindestens 170 Menschen mitten in Deutschland ertrunken. Ist das allein höhere Gewalt – oder auch politisches Versagen?
Klaus von Dohnanyi: Ich bin gerne vorsichtig mit kritischen Urteilen im Nachhinein. Flüsse, auch kleinere Bäche waren oft sehr nützlich für die Energiegewinnung und als Verkehrswege, und so wurde Jahrhunderte nahe am Wasser gebaut und gearbeitet. Auch Hamburg lebt ja deswegen am Wasser. Überschwemmungen gab es immer, aber diese dauerhaften Starkregen sind neu, vermutlich sind sie Folgen des Klimawandels. Also müssen wir die neuen Zeiten schärfer im Auge haben. Das gilt für Pandemien ebenso wie für Naturkatastrophen. Weniger überflüssige Angst vor Russland und mehr Realismus in dieser Welt im Umbruch scheinen mir geboten.
Iken: Ist die Republik insgesamt zu sorglos geworden?
Dohnanyi: Mein Eindruck ist das nicht. Aber wir gewichten die Sorgen um die Zukunft unserer Kinder und Enkel noch immer nach Erfahrungen der Vergangenheit. Klimawandel ist sehr wichtig, aber die Klimafolgen sind es auch. Deiche bauen, Häuser rechtzeitig festigen, Flussläufe in den Städten eventuell anders kanalisieren, im Gebirge den Steinschlag auftauender Felsen bedenken – das wird alles notwendiger. Ist unsere Politik heute in diesem Sinne ein „vernünftiger“ Hausvater? Stimmt unsere Bewertung der Gefahren noch mit unserer Kassenplanung überein? Nicht immer, offenbar.
Iken: Welche Lehren sollten wir aus der Katastrophe ziehen?
Dohnanyi: Wir müssen wohl noch besser lernen, welche Gefahren heute die größten sind und welche finanziellen Mittel wir wo am wirkungsvollsten einsetzen sollten. Die Warnsysteme müssen bundesweit, aber auch sehr lokal ausgebaut, der Katastrophenschutz so modern wie ein Smartphone werden. Die Bundeswehr ist wichtig – aber inzwischen vielleicht besonders wichtig als Katastrophenhilfe. Das sollten wir zukünftig unbedingt bei der Ausbildung stärker berücksichtigen. Es ist eben eine „neue“ Zeit mit ganz neuen Gefahren. Viel Arbeit für die Politik!