Hamburgs Altbürgermeister Klaus von Dohnanyi im Gespräch mit Matthias Iken. Heute über das Alter und Weisheit.

Matthias Iken: Herzlichen Glückwunsch, Herr von Dohnanyi! Sie sind am Mittwoch 93 Jahre alt geworden. Viele Jüngere werden sich fragen: Wie wird man so alt – und bleibt so fit dabei?

Klaus von Dohnanyi: Schon in Ihren Worten „Herzlichen Glückwunsch“ steckt wohl ein Teil der Antwort. Körperliche Stabilität und geistig frisch zu bleiben, sind zunächst „Glück“, kein Verdienst. Aber man sollte damit dann auch gut umgehen, Sport und viel lesen schaden auch nicht. Das „Herz“ sollte nicht nur schlagen, sondern auch fühlen. Man braucht Vertrauen zu sich und zu anderen, „Gottvertrauen“ eben. Ich kenne Menschen, die schwer mit ihrer Gesundheit zu kämpfen haben, aber doch voller „Zuversicht“ sind. Auch dieses Wort ist mir wichtig.

Iken: Bei Naturvölkern spielen die Stammesältesten eine besondere Rolle, in der deutschen Politik kennt man den Ältestenrat als Gremium in den Parlamenten. Heute werden die alten weißen Männer gern verspottet. Sollten wir mehr auf die Klugheit der Lebenserfahrenen hören?

Dohnanyi: Ob Jüngere, auch wenn sie erwachsen sind, mehr auf Ältere hören sollten, da habe ich doch auch Zweifel. Die Natur tut gut daran, dass zwar Wissen über Jahrhunderte weitergegeben werden kann, sozusagen „vererblich“ ist, Erfahrung aber nicht. Wo blieben denn Fantasie, Fortschritt und Erneuerung, wenn Jüngere nicht eigene Erfahrung machen würden – und müssten? Die Naturvölker sind ja mit den Stammesältesten nicht sehr weit gekommen! Gerade unsere Zeit erlebt doch eine ungeheure Beschleunigung der Entwicklungen und verlangt dafür neues Denken und eine gute Witterung; offene Augen für eine andere Welt. Erfahrungen selber machen, aber zugleich mehr „Wissen“ – das wäre gut.

Iken: Wir streiten gerade über die Rente mit 68. Sie sind ein Vierteljahrhundert älter. Wo liegt eine kluge Grenze zum Ruhestand?

Dohnanyi: Das hängt doch vom Beruf, den Belastungen und den eigenen Kräften ab. Ich bin hier für Flexibilität. Eine Rente mit 63 für alle wäre sicher nicht richtig, auch ein pauschales Recht auf Homeoffice nicht. Arbeit und Kameradschaft gehören doch zum Leben. Wir sollten lieber jedem erlauben, länger als bis zum heutigen Rentenalter zu arbeiten, auch im öffentlichen Dienst. Gegenwärtig verlieren wir viel Engagement, Erfahrung und Wissen mit diesen formalen Grenzen. Flexibilität, Eigenverantwortung und Individualität sollten immer auch auf dem Banner unserer Gesellschaft stehen!