GRÖNWOHLD. Das Unternehmen aus Bremen verbindet stationäre Mini-Märkte mit dem Online-Handel und ermöglicht so Einkäufe rund um die Uhr.

An diesem Sonnabend öffnet die Edeka-Filiale in Grönwohld zum letzten Mal. Wie bereits berichtet, stellt die Kaufmannsfamilie Evers damit nach 93 Jahren ihren Geschäftsbetrieb ein, der 1928 mit der Eröffnung eines Textilwarenladens begann. „Damit ist die Nahversorgung deutlich schwieriger geworden“, hatte Bürgermeister Ralf Breisacher das Aus des beliebten Evers-Markts kommentiert. Dass nun alle Einwohner aber dauerhaft ins benachbarte Trittau fahren müssen, um sich mit Waren des täglichen Bedarfs einzudecken, damit mag er sich aber nicht abfinden.

Nach 93 Jahren schließt Bernd Evers an diesem Sonnabend seine Edeka-Filiale in Grönwohld.
Nach 93 Jahren schließt Bernd Evers an diesem Sonnabend seine Edeka-Filiale in Grönwohld. © Lutz Kastendieck | Lutz Kastendieck

Wie Breisacher dem Abendblatt bestätigt hat, sollen die Bestandsbauten des Evers-Markts noch in diesem Jahr abgerissen werden. An gleicher Stelle plant ein Projektentwickler aus Siek ein neues kombiniertes Wohn- und Geschäftshaus mit Tiefgarage, 26 Wohnungen und einer Gewerbefläche von rund 300 Quadratmetern. Und Breisacher weiß auch schon, wer dort einziehen soll: Ein Tante-Enso-Laden.

Auch regionale Hersteller bekommen faire Chance

Nein, dabei handelt es sich nicht um einen Tippfehler. Auch wenn die sprachliche Nähe zum kaum noch zu findenden Tante-Emma-Laden durchaus gewollt ist. „Auch hier geht es um eine Einkaufsmöglichkeit ganz in der Nähe, in der man alles bekommt, was im Alltag so gebraucht wird: Milch und Butter, Käse und Wurst, Brot und Brötchen, Obst und Gemüse, Getränke und Waschpulver“, sagt Breisacher. Aber all das eben drei Nummern kleiner als in den großen neuen Filialen der einschlägig bekannten Supermärkte und Discounter.

Möglich machen soll das der genossenschaftlich organisierte Anbieter myenso. 2016 in Bremen aus der Taufe gehoben, geht es den Gründern Norbert Hegmann und Thorsten Peter Bausch um einen Marktplatz, der von den Kunden weitgehend mitgestaltet werden kann und in dem auch regionale Hersteller eine faire Chance bekommen, ihre Produkte anbieten zu können.

Mit einem Kioskwagen ging es los

„Dass sich vor allem im ländlichen Raum rund zwei Drittel aller Deutschen in Orten mit weniger als 3000 Einwohnern nicht mehr versorgen können, war Ausgangspunkt für unsere Idee“, sagt Bausch. Angefangen hatten sie mal mit einem Kioskwagen. „Gut uns schön, sagten uns die Kunden. Wir wollen aber, dass ihr hier nicht nur einmal in der Woche vorbeischaut, sondern dauerhaft präsent seid“, berichtet der 59-Jährige.

Bekannte Markenartikel stehen neben Produkten aus der Region. 
Bekannte Markenartikel stehen neben Produkten aus der Region.  © myenso | myenso

Gemeinsam mit Kompagnon Hegmann entwickelte er schließlich ein Konzept für kleine stationäre Märkte mit angeschlossenem Online-Handel. „Es ist eine Tatsache, dass sich das Einkaufsverhalten vieler Menschen fundamental verändert hat“, weiß der erfahrene Marketingexperte Bausch, der sich nach vielen Führungsjobs in großen Firmen und Agenturen als Unternehmensberater selbstständig gemacht hatte.

Dorfläden sind über Cardsystem jederzeit zugänglich

Seine Waren nur zu festgelegten Öffnungszeiten anzubieten, reicht heutzutage nicht mehr aus, um im Handel dauerhaft erfolgreich und konkurrenzfähig zu sein. 24/7 lautet deshalb die Devise, um den Kunden größtmögliche Flexibilität beim Einkauf zu ermöglich. Eben rund um die Uhr, an sieben Tagen in der Woche. „Das soll aber nicht nur für den Online-Handel gelten, sondern auch für unsere Mini-Supermärkte. Sie sind deshalb über ein eigenes Cardsystem jederzeit zugänglich, egal ob Mitternacht oder im Morgengrauen“, so Bausch. Und bezahlen könne man mit der Tante-Enso-Karte selbstverständlich auch.

Auch regionale Manufakturen und Start-ups können ihre Produkte anbieten. 
Auch regionale Manufakturen und Start-ups können ihre Produkte anbieten.  © myenso | myenso

Bestückt sind die Läden im Schnitt mit 3000 Artikeln. Für die Belieferung haben Hegmann und Bausch Verträge mit den Großhandelspartnern Edeka und Bartels-Langness (Famila, Markant) geschlossen. „Doch auch kleine regionale Manufakturen und Start-ups, unsere Foodpioniere, kommen mit ihren Produkten zum Zuge, die dann direkt neben den bekannten Markenartikeln stehen“, erläutert Hegmann.

Kunden können über das Sortiment mitentscheiden

Wichtig war den beiden Gründern zudem von Beginn an ein großes Mitbestimmungsrecht der Kunden. Das reicht von Einflussmöglichkeiten auf das stationäre Sortiment über die Besetzung des Ladens mit Personal, in der Regel vier bis sieben Stunden täglich, bis zur Farbgestaltung des Shops und der Tante-Enso-Cards. Zudem erhalten die Genossenschaftler eine garantierte Jahresrendite von fünf Prozent sowie umsatzabhängige Gutschriften.

Nach der Eröffnung des Tanta-Enso-Ladens in Wollbach bildete sich sofort eine lange Schlange Neugieriger. 
Nach der Eröffnung des Tanta-Enso-Ladens in Wollbach bildete sich sofort eine lange Schlange Neugieriger.  © myenso | myenso

Am Donnerstag dieser Woche hat Tante Enso im fränkischen Wollbach gerade seine sechste Filiale seit 2018 eröffnet. Weitere 20 sind aktuell in Planung. „Wir erhalten momentan täglich zwei bis drei Anfragen, das Interesse hat enorm zugenommen“, berichtet Bausch. Ziel seien 800 Tante-Enso-Läden bundesweit bis 2030. Damit wäre eine optimale Flächenabdeckung erreicht.

300 Teilhaber gesucht, die 100 Euro investieren

Die Werbekampagne in Grönwohld beginnt am 9. Februar. Mit Plakaten, Flyern, Sprechstunden und einem Brief des Bürgermeisters. „Wir haben das Projekt in der Gemeindevertretung beraten und die Idee mehrheitlich befürwortet. Viele Einwohner, vor allem ältere und weniger mobile, wünschen sich einen Evers-Ersatz im Ort“, so Breisacher.

Damit Tante Enso tatsächlich nach Grönwohld kommt, müssen sich bis Ende März 300 Genossenschaftler finden, die Anteile für jeweils 100 Euro zeichnen. Sie sorgen gewissermaßen für die Anschubfinanzierung und werden mit ihren Einlagen zugleich zu direkten Teilhabern. „Ich weiß, dass die ersten Anteile bereits geordert worden sind“, verriet Ralf Breisacher noch.