Nach der Ära als Rothenbaum-Turnierdirektor sollte die Stadt Michael Stich weiter einbinden. Ein Kommentar.

Wie hoch eine Leistung im Sport einzuschätzen ist, wird meist erst in der Retrospektive klar. Wenn sich Taten mit denen der Vorgänger und Nachfolger vergleichen lassen, erstrahlen neue Legenden oder verblassen alte Stars. Am Sonntagnachmittag endete nach zehn Jahren die Amtszeit von Michael Stich als Turnierdirektor am Rothenbaum. Durchaus möglich erscheint, dass in der Rückschau die größte Errungenschaft des 49-Jährigen gewesen sein wird, das traditionsreichste deutsche Tennisturnier in der Stadt gehalten zu haben.

2009, als Stich mit seinem Team das Recht zur Ausrichtung übertragen bekam, hatte Tennis am Rothenbaum keine Perspektive. Die Herrentennisorganisation ATP hatte Hamburg den Status als Masters, für das alle Topspieler teilnahmeverpflichtet sind, entzogen und das Sandplatzturnier vom Mai in den Juli verschoben; eine Zeit, in der sich die Branchenbesten nur gegen hohe Antrittsgagen zurück auf die rote Asche quälen, anstatt sich von der Rasen- auf die Hartplatztour umzustellen. Der Deutsche Tennis-Bund als Lizenzinhaber hatte kein Interesse mehr an seinem einstigen Filetstück – und auch kein Geld, um das Teilnehmerfeld oder die in die Jahre gekommene Anlage an der Hallerstraße zu pflegen.

Bei seiner Abschiedsrede auf dem Centre-Court brach Michael Stich (49) mehrmals in Tränen aus
Bei seiner Abschiedsrede auf dem Centre-Court brach Michael Stich (49) mehrmals in Tränen aus © Getty Images | Cathrin Mueller

In dieser Gemengelage übernahm Michael Stich die Verantwortung für sein Heimatturnier, das er 1993 als letzter deutscher Profi gewinnen konnte. Er tat es aus dem Pflichtgefühl heraus, eine der traditionsreichsten Sportveranstaltungen der Welt in seiner Stadt halten zu wollen. Mit dieser Überzeugung stellte er sich gegen die Bedenkenträger in Politik, Wirtschaft und Medien, die sich lieber am Niedergang des Turniers weideten, statt um dessen Fortbestand zu kämpfen. Ohne Stich, so viel darf man heute schon festhalten, gäbe es kein internationales Spitzentennis mehr in Hamburg.

Stich wurde oft alleingelassen

Natürlich hat auch Stich Fehler gemacht. Mit seiner direkten, bisweilen sturen Art traf er in Diskussionen mit Vertretern der Stadt und des DTB manches Mal den falschen Ton. Kritiker halten ihm vor, er habe zu wenig Geld ins Starterfeld oder die Modernisierung der Anlage gesteckt. Tatsächlich jedoch ist Stich von denen, die seine Partner hätten sein sollen, zu oft alleingelassen worden.

Björn Jensen
Der Autor ist Sportreporter beim Abendblatt © HA | Marcelo Hernandez

Dass der DTB bei der Neuvergabe des Ausrichtungsrechts von einem zugesagten Stich-Bonus plötzlich nichts mehr wissen wollte, ist ein Beispiel dafür, die jahrelange Verweigerung der laut Vertrag vom Verband zu leistenden Modernisierung des Centre-Courts ein weiteres.

Stadt zieht Erhöhung des Zuschusses in Erwägung

Dass die Stadt die weltweite Beachtung, die das Turnier genießt, erst jetzt, da Stich geht, als Begründung für eine Erhöhung des jährlichen 100.000-Euro-Zuschusses in Erwägung zieht, verwundert ebenfalls. Aber besser spät als nie. Stichs Nachfolger Peter-Michael Reichel, der ein bestelltes Feld übernimmt, verdient jegliche Unterstützung, um seine Pläne umsetzen zu können.

Der Österreicher hat viele gute Ideen (zusätzliches Damenturnier) und den Willen, den Rothenbaum über 2019 hinaus als Standort zu erhalten. Ob er dies jedoch gegen Widerstände tun würde, wie Stich und sein Team sie überwanden, bleibt abzuwarten.

Stich hat angekündigt, dem Tennis weiterhin dienen zu wollen. Die Stadt täte gut daran, einen ihrer größten Sportstars einzubinden. Er mag unbequem sein, aber sein Verdienst, das Turnier gerettet zu haben, verdient Anerkennung und die Möglichkeit, sich auch weiterhin auf großer Bühne für den Hamburger Sport zu engagieren.