Elektromobilität und Elektroroller werden das Klima kaum retten – mitunter verschärfen sie sogar das Problem.
Der Klimawandel wird seit einem halben Jahrhundert in der Fachwelt diskutiert und ist seit den ökobewegten Achtzigerjahren auch ein Thema in den Massenmedien: Im April 1984 schockte „Geo“ seine Leser mit dem Titel „Wehe, wenn es wärmer wird“, im August 1988 ließ der „Spiegel“ den Kölner Dom im Meer versinken mit der Schlagzeile „Die Klima-Katastrophe – Ozon-Loch, Pol-Schmelze, Treibhaus-Effekt: Forscher warnen“. 1992 fand die große Uno-Konferenz zur Umwelt und Entwicklung statt, drei Jahre später tagte in Berlin die Klimafolgekonferenz. Das Thema ist also ungefähr so neu wie die Fernsehserien „Ich heirate eine Familie“, „Diese Drombuschs“ oder „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“.
Da darf man sich schon wundern, dass die deutschen Parteien erst nach Greta das Thema für sich entdecken. Immerhin: Die Kanzlerin verspricht „kein Pillepalle mehr“, sondern Beschlüsse, die zu „disruptiven“ Veränderungen führten. Schließlich sei seit 2012 beim Klimaschutz nichts mehr passiert. Das ist für eine Regierungschefin eine atemberaubende Erklärung. Und Umweltministerin Svenja Schulze kommt nun zur Erkenntnis: „2019 muss alles auf den Tisch und alles verabschiedet werden.“ Was hat sie eigentlich 2018 gemacht? Der neue Eifer ist gut. Aber zugleich lohnt der Blick darauf, was derzeit als Umweltschutz und Klimarettung angepriesen wird. Die Elektromobilität gehört zu den ganz großen Lieblingen von Politik und Gesellschaft.
Autohersteller haben „Umweltprämien“ aufgelegt
So will die Regierung ihre Förderung für neue Elektroautos verlängern. Die Autohersteller haben sogar „Umweltprämien“ aufgelegt, in denen voll funktionsfähige Autos getauscht werden sollen. Dabei schaut keiner auf die Ökobilanzen, die ein Elektrofahrzeug hat: Bevor es angeblich emissionsfrei auf den Straßen rollt, hat es schon in der Herstellung extrem viele Schadstoffe freigesetzt: Die Produktion der Lithium-Ionen-Batterien frisst viel Energie, Seltene Erden, verbraucht Wasser und bringt das Elektroauto mit einem schweren Rucksack an den Start: Erst bei einer Lebensfahrleistung von 150.000 Kilometern erzielt das Elektroauto in der Regel einen positiven Effekt gegenüber dem Verbrenner, bei schweren Autos sogar noch später. Da wirkt die fast schon religiöse Verehrung bizarr, die dem US-amerikanischen Elektroautohersteller Tesla entgegenfliegt.
„Was diese Firma herstellt, ist die dümmste und obszönste Variante der Elektromobilität“, schimpfte der ehemalige Greenpeace-Mitarbeiter Wolfgang Lohbeck kürzlich in der „Süddeutschen Zeitung“. „Einen Drei-Tonnen-Wagen zu bewegen, noch dazu mit extremen Beschleunigungswerten, das kann nicht ökologisch sein und auch nicht sozial. Das ist Energieverschwendung, das ist Ressourcenverschwendung, das ist Platzverschwendung, und das ist asozial.“
Der letzte Schrei sind nun Elektroroller
Wenn hingegen ein Hollywoodstar in seinem Viertwagen Tesla vorfährt, halten manche das schon für Klimaschutz. Inzwischen zählt alles, was elektrisch betrieben wird, zum modernen Lifestyle und gilt quasi wie ein Beitrag zur Weltrettung. Dabei ist es oft das Gegenteil – auch wenn der Tesla nicht der Viertwagen ist.
Der letzte Schrei sind nun Elektroroller: Sie mögen modisch sein – so wie Roller damals Anfang der Nullerjahre. Klimafreundlich aber sind sie nur, wenn sie Autofahrten ersetzen. In Wahrheit machen sie Spaziergänger mobil. Ähnlich fällt die Bilanz bei Elektrorädern aus. Ersetzen sie das klassische Radeln, ist außer den Motorenherstellern niemandem gedient – weder der Gesundheit noch dem Klima. Ganz im Gegenteil.
Zudem verstärken diese ganze Lifestyle-Produkte das, was Ökonomen einen „Rebound-Effekt“ nennen: Kann man den Kilometer elektrisch und damit vermeintlich umweltfreundlich zurücklegen, steigen immer mehr Menschen auf diese Mobilität um. Sie gehen also nicht mehr zu Fuß, radeln oder nutzen den HVV, sondern nehmen fortan mit bestem Gewissen den E-Roller, Moia oder leihen sich ein E-Auto. Dieser Mehrverbrauch konterkariert den Klimaeffekt. Wie sagt Lohbeck: „Die Ausschließlichkeit, allein auf die E-Mobilität zu setzen, halte ich für ganz falsch.“
Verfolgt man aber die erhitzte Klimaschutzdebatte, bekommt man einen anderen Eindruck, frei nach Erich Honecker: „Die E-Mobilität in ihrem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf.“