Glinde. Im Stadtteil Wiesenfeld sind viele neue Wohnungen geplant, 30 Prozent sind öffentlich gefördert. Doch viele Fragen sind noch offen.
Deutschlands größter Wohnungsvermieter Vonovia hat mit seinem Neubauprojekt in Glinde die erste Hürde genommen. Der Immobilienkonzern mit Sitz in Bochum plant eine Nachverdichtung in seinem Quartier im Stadtteil Wiesenfeld mit 113 Einheiten, 30 Prozent davon öffentlich gefördert. Im jüngsten Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz wurde nach langen Diskussionen der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan gefasst mit einer Ein-Stimmen-Mehrheit von CDU und FDP. SPD und Grüne votierten dagegen. Ob das Vorhaben auch umgesetzt wird, ist allerdings nicht sicher. Es gibt noch viele offene Fragen.
Bereits vor genau einem Jahr stand das Thema in dem Gremium auf der Tagesordnung. Seinerzeit lehnte es die Politik ab, das Verfahren in Gang zu bringen. Der Unterschied von einer Stimme war ausschlaggebend. Inzwischen haben sich die Machtverhältnisse geändert. Ursula Stawinoga wechselte im Sommer von der SPD- in die CDU-Fraktion. Dadurch können Christdemokraten und Liberale in der Stadtvertretung, die das letzte Wort hat, ihre gemeinsamen Anliegen durchbringen. Das zieht sich durch alle Ausschüsse.
SPD möchte bis zu 50 Prozent Sozialwohnungen
Auch SPD und Grüne wollen mehr Sozialwohnungen in der Stadt, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Marlies Kröpke, sagt aber: „Wenn man den Bedarf sieht, kann man als Kommunalpolitiker die 30 Prozent nicht einfach durchwinken.“ Sie und ihre Parteikollegen wollen, dass bis zur Hälfte der neuen Wohnungen öffentlich gefördert werden. Das hatte Kröpke Vonovia-Regionalbereichsleiter Sven Theis im vergangenen Dezember bei der Präsentation auch so gesagt.
Ein 50-Prozent-Anteil mit günstigen Mieten ist für Vonovia nicht machbar. Das hat der Konzern Bürgermeister Rainhard Zug in einem Gespräch gesagt. Auf einem Areal zwischen Ahornweg, Weißdornweg, Holstenkamp und Schlehenweg gehören dem Unternehmen 278 Wohnungen, 78 davon sind öffentlich gefördert. Die Bindungsfrist endet am 31. Dezember 2037. Um den Kritikern entgegenzukommen und sie zu überzeugen, hat sich das Unternehmen etwas einfallen lassen. Glindes Verwaltungschef beschreibt das so: „Vonovia will prüfen, ob fünf bis zehn Prozent aus dem Bestand im Quartier wieder Sozialwohnungen werden.“ In der gesamten Stadt vermieten die Bochumer 722 Einheiten.
Rund 20 Millionen Euro will Vonovia investieren
Für das Neubauprojekt ist ein Investitionsvolumen von rund 20 Millionen Euro angedacht. Es sollen sechs viergeschossige Gebäude entstehen mit 16 bis 22 Wohneinheiten. Die Zahl der Stellplätze wird auf 391 erhöht. Eine Visualisierung liegt noch nicht vor. Die Detailplanung mit dem Architekten beginnt erst jetzt. „In Zukunft braucht es mehr barrierearme und -freie Wohnungen für Senioren, kleinere für Studenten und ebenso größere Vier-Zimmer-Wohnungen für Familien“, teilte ein Unternehmenssprecher unserer Redaktion mit. Rainhard Zug ist ein Befürworter des Projekts. Es sagt: „Gründächer und Solaranlagen auf den Neubauten sind ein Mehrwert.“
Genauso denkt auch CDU-Fraktionschef Rainer Neumann, der den Vorsitz im Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz hat: „Es ist außerdem besser nachzuverdichten, als weitere Grünflächen umzuwidmen.“ Der Aufstellungsbeschluss ist nicht bindend, lediglich eine Absichtserklärung und ein positives Signal für den Investor. Für den Christdemokraten war es unabdingbar, dieses nun zu senden. „Deren Geduld ist auch begrenzt. Ich fürchte, dass Vonovia sonst die Lust verliert.“
Mieten steigen nach Sanierung um zwei Euro pro Quadratmeter
Sozialdemokratin Kröpke moniert fehlende Kinderspielplätze in dem Lageplan ebenso wie Lüder Lückel von den Grünen. Der Kommunalpolitiker hätte sich die Anwesenheit eines Vertreters des Konzerns im Ausschuss gewünscht, der Fragen beantwortet. Ein Mieter aus dem Quartier hatte die Fraktionen angeschrieben. „Es herrscht ein Informationsdefizit und Unmut“, sagt Lückel. Das Parteien-Duo kritisiert schon seit Längerem die Kommunikation mit Mietern auch bei Modernisierungen.
Der Konzern hat angekündigt, seine Bestandswohnungen zu sanieren. Häuser sollen durch eine neue Dämmung energiesparender werden. Die Mieten steigen um zwei Euro pro Quadratmeter. Kröpke ist in Sorge, dass sich nicht jeder die Erhöhung leisten kann. Vonovia hat ihr versichert, keinem Mieter bei nachgewiesener wirtschaftlicher Not zu kündigen. Das ist im Protokoll der Sitzung vor zwölf Monaten niedergeschrieben. Das Versprechen und die Aussicht auf mehr Sozialwohnungen im Altbestand haben Kröpke nicht zum Umdenken bewogen.
Im Quartier sind Car- und Bikesharing geplant
Laut Vonovia hat es mit den Mietern schon einen Austausch gegeben, etwa zum Thema Mobilität. „Auch Fragen zur Gestaltung des Wohnumfeldes wie die Einrichtung von Paket- und Essenlieferungsstationen sowie Sportmöglichkeiten haben wir mit unseren Mietern besprochen. Sobald es Corona zulässt, werden wir wieder in den Austausch mit den Menschen vor Ort gehen“, sagt der Unternehmenssprecher. Man werde in dem Quartier in Kooperation mit dem Naturschutzbund Wildblumenwiesen anlegen und Sitzgelegenheiten aufstellen, zudem Car- und Bikesharing anbieten. „Ebenso befinden wir uns in Gesprächen, den Bestand sowie die Neubauten an das Fernwärmenetz anzuschließen und somit noch mehr CO2 einzusparen.“
Im Oktober hatte sich der Dax-Konzern eine Mehrheit von 86,7 Prozent an der Deutsche Wohnen gesichert. Beiden Unternehmen zusammen gehören mehr als 500.000 Wohnungen, der größte Teil davon in Deutschland.