Kiel. Nord- und Ostseebäder hoffen auf den Sommer. Buchungslage ist gut, aber Tagestourismus ist in Gefahr.

Nach der Konferenz ist vor der Konferenz: Das gilt jedenfalls für die Hotellerie und Gastronomie in Schleswig-Holstein, die sich vom Bund-Länder-Treffen erhofft hatte, endlich zu wissen, ob sie über Ostern öffnen und Touristen empfangen kann oder nicht. Doch eine verlässliche Öffnungsperspektive gibt es nicht. Stattdessen weiter Unsicherheit und mal wieder eine Vertagung auf die nächste Konferenz Ende März.

Für Stefan Scholtis, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in Schleswig-Holstein, wird es dann allerdings wie für die meisten zu spät sein. „Selbst wenn es beschlossen wird, dass Hotels und Gas­tronomie öffnen können, wird es für das Ostergeschäft zu knapp. Die Deadline für den Vorbereitungsbeginn wäre jetzt gewesen. Mit einer Öffnungsperspektive ein paar Tage vor den Feiertagen kann keiner arbeiten.“

Viele Menschen bei Buchungen für die Osterfeiertage noch zögerlich

Schließlich handle es sich nicht um ein Büro, in dem einfach nur der Computer gestartet werden müsse. „Um den Betrieb wieder hochzufahren, sind für Hotels etwa zwei bis drei Wochen notwendig.“ Marketingaktivitäten müssten anlaufen, das Personal aus der Kurzarbeit geholt, Ware eingekauft werden und vieles mehr. Es sei illusorisch zu glauben, dass das von heute auf morgen geht. Man würde zwar durchaus registrieren, dass die Kieler Landesregierung gerne mehr Freiheiten ermöglichen würde. Aber der Druck aus Berlin sei offenbar so groß, dass es wenig Handlungsspielraum gibt.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Die bestehende Unsicherheit hat dazu geführt, dass viele Menschen mit Buchungen für die Osterfeiertage noch sehr zögerlich waren. Das bestätigten auf Nachfrage etwa die Destinationen wie Timmendorfer Strand, Sylt, St. Peter-Ording, die Lübecker Bucht, Travemünde und Heiligenhafen. Tenor: Ohne Sicherheit bucht auch niemand. Aber auch: „Sobald klar ist, wann eine Öffnung möglich sein wird, erwarten wir eine starke Nachfrage“, heißt es etwa aus der Timmendorfer Strand Niendorf Tourismus GmbH.

 Buchungssituation in den Sommermonaten sieht besser aus

Besser sieht die Buchungssituation in den Sommermonaten aus. So berichten etwa Travemünde und Sylt und St. Peter-Ording von guten Buchungs­lagen in den Sommermonaten. „Viele rechnen offenbar damit, dass innerdeutsche Reisen dann möglich sein werden“, sagt Moritz Luft von Sylt Marketing.

Unterdessen haben viele Gemeinden und Seebäder Konzepte entwickelt, wie der Urlaub an Nord- und Ostsee coronakonform ablaufen kann. Dabei kommt offenbar der digitalen Strand­ampel große Bedeutung zu, die anzeigt, an welchen Strandabschnitten es noch freie Plätze gibt. Sie war im vergangenen Jahr erstmals in Timmendorf eingeführt worden.

Rabiate Maßnahmen in Scharbeutz

Nach Abendblatt-Informationen wird diese Methode nun ausgeweitet. Im Norden kommen Grömitz, Kellenhusen und Dahme dazu. Auch mit Travemünde werden Gespräche geführt. Mittlerweile sind auch die meisten Parkplätze in Strandnähe mit Sensoren ausgestattet. Vorteil: Im Internet kann man platzgenau ablesen, wie viel Autos dort noch abgestellt werden können.

Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:

  • Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
  • Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
  • Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
  • Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
  • Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).

Aber wird das ausreichen? Scharbeutz hat im vergangenen Sommer zu noch rabiateren Maßnahmen gegriffen: Zentrale Zufahrtsstraßen wurden gesperrt. Andere Bäderorte haben sich in diesem Punkt zurückgehalten. Ein Flickenteppich an Corona-Maßnahmen, der nun in fast allen Ostseebadeorten durch ein einheitliches Verhaltensmuster ersetzt werden soll. Der Verein Ostsee-Holstein-Tourismus (OHT) hat dazu einen „Tourismuskodex während der Corona-Pandemie“ erarbeitet. Damit sollen „Alleingänge im Interesse des Tourismus in der Region“ vermieden und alle „Teilnehmer besser vernetzt“ werden. Was das konkret bedeutet, bleibt einigermaßen vage.

Sondermaßnahmen bei hohem Gästeaufkommen

Etwas deutlicher werden die Touristiker, wenn es um die Tagestouristen geht, denn die sind ganz offenbar Gegenstand der Gefahrenabwehr. So ist etwa von „Sondermaßnahmen bei hohem Gästeaufkommen“ die Rede. Zu berücksichtigen seien auch die „Nutzungsin­teressen der Einheimischen insbesondere bei hohem Gästeaufkommen (z. B. Strand, Gastronomie)“.

Die Scharbeutzer Bürgermeisterin Bettina Schäfer hat jüngst schon mal laut darüber nachgedacht, was das bedeuten könnte: An Wochenenden könnten nur Gäste mit einer Buchung in die Küstenorte gelassen werden – und Ostholsteiner. Das wäre etwa so, als hätten beim Rolling-Stones-Konzert im Hamburger Stadtpark nur Hamburger und Hotelgäste dabei sein dürfen.

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André Rosinski, Geschäftsführer der Tourismusagentur Lübecker Bucht, bestätigt dennoch: „Das sind die Dinge, die diskutiert werden. Wir fragen uns, wie wir uns für den Fall aufstellen sollen, dass es zu Überfüllungen kommt.“

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