Sylt. Inselgemeinde wählt neuen Bürgermeister. Tourismus, Mobilität und bezahlbarer Wohnraum sind die Wahlkampf-Themen.
13.149 Insulaner sind am 7. März aufgerufen einen neuen hauptamtlichen Bürgermeister für die Gemeinde Sylt zu wählen, zu der sieben Ortsteile zählen. Vier Kandidaten kämpfen um den Einzug in das Rathaus von Westerland.
Vor sechs Jahren hatte sich die als CSU-Rebellin bundesweit bekannt gewordene ehemalige Fürther Landrätin Gabriele Pauli um das Amt beworben und ein großes Medienecho ausgelöst. Schließlich setzte sich Nikolas Häckel gegen Pauli durch. Bei der Bürgermeisterwahl 2021 gibt es keine weibliche Kandidatin. Das Abendblatt stellt die vier Herren vor, die sich zur Wahl stellen.
Nikolas Häckel ist ein waschechter Sylter
Der Amtsinhaber ist ein waschechter Sylter. Vor 46 Jahren ist Nikolas Häckel auf der Insel geboren. Zwölf Jahre war er auf dem Festland, hat das Bauamt der Gemeinde Kronshagen geleitet. Seit Mai 2015 ist er als Bürgermeister für die Geschicke der Gemeinde Sylt verantwortlich. Der Diplom-Verwaltungswirt sieht sich als Bindeglied zwischen Politik und Verwaltung.
„Das ist nicht immer einfach, aber wir konnten in den sechs Jahren schon viel erreichen“, sagt Häckel im Abendblatt-Gespräch. Er ist ein Teamplayer, möchte nicht von „meinen“, sondern von dem sprechen, was „wir gemeinsam für die Gemeinde Sylt geschafft haben. Denn hinter dem Bürgermeister stehen auch mehr als 320 Mitarbeiter und die Kommunalpolitik.“
Belastungsgrenze ist erreicht
Als Beispiele nennt Häckel, dass in seiner Amtszeit 350 Wohnungen von der Gemeinde für Insulaner gebaut und 190 zusätzliche Kita-Plätze geschaffen wurden. Wenn er wiedergewählt wird, möchte Häckel den Bau von bezahlbarem Wohnraum weiter vorantreiben. Auch beim Thema Tourismus hat Häckel einen klaren Standpunkt. Es dürfe kein höher, schneller, weiter mehr geben.
Der Bürgermeister spricht Klartext: „Wir haben hier die Belastungsgrenze erreicht. Was wir brauchen, sind Konzepte für einen nachhaltigen, achtsamen und verträglichen Tourismus. Deshalb haben wir auch das Zukunftsforum Sylt mit ins Leben gerufen, um gemeinsam mit den Bürgern an der Zukunft der Insel zu arbeiten.“ Wichtig ist Häckel zudem, „dass wir unsere bürgernahe Dienstleistungsverwaltung mit vielen 24-Stunden-Online-Angeboten weiter ausbauen.“
Clemens Raab: „Sylt kann besser“
Auch das Thema Mobilität liegt dem Single, der in Westerland lebt, am Herzen. „Wir werden sieben Millionen Euro in den Ausbau der Radwege investieren. Ziel muss es sein, dass die Feriengäste nach ihrer Ankunft ihre Autos nicht täglich über die Insel bewegen. Deshalb kann man auch über Nacht- und Durchfahrtverbote diskutieren.“ Ein weiterer Vorschlag von Häckel ist, dass „die Kurkarte auch als Fahrkarte für die Busse auf der Insel gilt. Dafür gab es aber bislang noch keine politische Mehrheit.“ In seiner Freizeit widmet sich Häckel vor allem sportlichen Aktivitäten wie Kraft- und Ausdauertraining.
Zehn Kilo hat Clemens Raab im Wahlkampf seit Dezember schon abgenommen, weil er als Bürgermeister „eine gute Figur“ abgeben möchte. „Sylt kann besser“ ist der Motto des CDU-Kandidaten. In der Kommunalpolitik engagiere er sich bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten, schon lange bevor er aus dem Stuttgarter Raum auf die Insel kam.
Tourismus ist die Lebensader der Insel
Seit zwölf Jahren lebt er auf Sylt. Der Diplom-Betriebswirt ist Filialdirektor der HypoVereinsbank in Westerland. Aktuell ist er Mitglied im Finanzausschuss der Gemeinde Sylt und Vorstandsmitglied des CDU-Ortsverbandes. Seine Stärke sei es, unterschiedliche Standpunkte zusammenführen. Er könne genug Kreativität entwickeln, um konstruktive Lösungen aufzuzeigen, sagt Raab im Abendblatt-Gespräch.
Das dürfte ihm bei diesem Thema helfen: „Bei allen Entscheidungen ist es mir wichtig, immer ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen unserem Wirtschaftsraum Tourismus und unserem Lebensraum Natur zu gewährleisten. Allerdings ist auch klar, der Tourismus ist die Lebensader der Insel. Unsere Gäste sollen sich hier wohlfühlen, aber natürlich auch die Insulaner.“ Zudem setzt der 42-Jährige, der Single ist und in Westerland lebt, auf ein Mobilitätskonzept.
Anreize für die Urlauber schaffen
Der Christdemokrat, möchte zum Beispiel den in Hamburg bereits aktiven Shuttleservice Moia auf die Insel holen. „Wir müssen den Urlaubern Anreize schaffen, nicht mit ihren großen Autos über die Insel zu fahren. Dazu gehört auch ein Ausbau des Radwegenetzes und des ÖPNV“, sagt Raab. Sein Versprechen an die Wähler: „Mit viel Herz, Verständnis und einem klaren Kopf möchte ich alles tun, um unsere Insel zusammenzuhalten.“
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„Zukunft.“, so heißt die Partei, die Lars Schmidt 2017 mit gegründet hat. Bei der letzten Bürgermeisterwahl 2015 ist der 50-Jährige auch angetreten, damals noch für eine Wählergemeinschaft. Er sei auf der Insel bestens vernetzt und bereits seit mehr als 30 Jahren politisch aktiv, sagt Schmidt.
Forderung nach einem intelligenten Mobilitätskonzept
Zunächst war der dreifache Familienvater in der SPD, danach in der CDU, jetzt wirbt er mit dem Slogan „Unsere Insel – unsere Zukunft“ für sich. Er ist Fraktionsvorsitzender der Zukunfts-Partei in der Gemeindevertretung und im nordfriesischen Kreistag. In Kürze werde er sein Studium der Politik- und Verwaltungswissenschaften an der FernUniversität in Hagen abschließen, damit sei er bestens auf das Amt des Bürgermeisters vorbereitet. Wegen Corona habe sich das mit dem Studium alles ein wenig verzögert.
Der Ur-Insulaner hat sich für die Gemeinde Sylt viel vorgenommen. „Wir brauchen im Tourismus einen klaren Kurswechsel. Das heißt, keine weiteren Hotel- und Ferienwohnungsanlagen. Wir müssen viel mehr die bestehenden Familienbetriebe stärken, die eigentlich den Charme dieser Insel ausmachen. Zudem müssen wir mit einem intelligenten Mobilitätskonzept einen Trend für einen Urlaub ohne Auto auf Sylt setzen“, sagt Schmidt, der in Morsum lebt. Außerdem will sich Schmidt für „die Schaffung von mehr Seniorenwohnungen“ einsetzen und „häufiger Bürgerentscheide zu wichtigen Inselthemen machen.“
Ein Neu-Sylter aus Berlin stellt sich zur Wahl
Erst seit einem Jahr lebt Ralf Obluda-Kruber auf der Insel. Seine Frau Denise hat in Westerland die Event-Location Showtime eröffnet. „Wir wollten schon immer ans Meer ziehen. Jetzt haben wir uns diesen Wunsch erfüllt, und ich möchte als Bürgermeister für die Insulaner da sein. Vor allem müssen wir Familien, Jugendliche und Senioren mehr unterstützen“, sagt Obluda-Kruber.
Der 50-Jährige wünscht sich mehr „bezahlbaren Wohnraum für die Einheimischen. Und spezielle Angebote wie eine Rabattkarte für Sylter Familien, mit der sie Nachlässe zum Beispiel im ÖPNV oder im Schwimmbad erhalten.“ Der Bürgermeisterkandidat pendelt noch zwischen Berlin und Sylt. In der Bundeshauptstadt leitet der Diplom-Verwaltungswirt den Fachbereich Pflege im Bezirksamt Berlin-Zehlendorf. „Ich habe rund 30 Jahre Erfahrung in der Verwaltung. Das heißt, ich kenne die Materie in- und auswendig.“
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Der zweifache Familienvater hat sich bewusst entschieden, als parteiloser zu kandidieren. „So bin ich völlig unabhängig.“ Und wie sieht es mit den Urlaubern aus? „Mit mir wird es kein weiteres Wachstum für den Tourismus geben. Das heißt auch keine weiteren Großprojekte für Hotels und Ferienappartements. Wir brauchen hier einen sanfteren, nachhaltigeren Tourismus. Auch wenn ich natürlich weiß, dass wir diese Einnahmequelle benötigen, weil Sylt von den Urlaubern lebt.“ Auch Obluda-Kruber setzt sich für ein Mobilitätskonzept für die Insel ein – von dem Gäste und Insulaner profitieren sollen.
Wenn bei der Bürgermeisterwahl am 7. März keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit der Stimmen erreicht, dann müssen die beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen am 28. März bei der Stichwahl gegeneinander antreten.