Ahrensburg. Zunehmende Versorgungsunsicherheit und Vertragsbrüche zulasten von Verbrauchern sind nicht hinnehmbar.
Angesichts der extrem gestiegenen Energiepreise hat Nina Scheer, direkt gewählte Bundestagsabgeordnete im Wahlkreis 10 Herzogtum Lauenburg/Stormarn-Süd, das Vorgehen einzelner Energieanbieter kritisiert, die ihren Kunden ohne Vorwarnung laufende Verträge gekündigt haben (das Abendblatt berichtete). „Energieversorgung ist Daseinsvorsorge! Es kann nicht sein, dass Verbraucher mit günstigen Energiepreisen gelockt werden, sie dann aber im Regen stehen, wenn Preisschwankungen eintreten“, so die Klimaschutz- und energiepolitische Sprecherin der SPD-Fraktion.
Wie schon die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein empfiehlt auch Scheer, Vertragsbrüche zu prüfen. Auch die durch Turbulenzen an den Energiebörsen vermeintlich „erzwungenen“ vertraglichen Änderungen seitens der Versorger müssten sich im Einklang mit geltendem Recht befinden.
Stromsperren müssen verhindert werden
Unterdessen seien Strom- und Gassperren für private Haushalte unter allen Umständen zu verhindern. „Wohnen ist ein Grundrecht, das auch auf die Energieversorgung ausstrahlt“, so Scheer. Insofern müsse es im Umgang mit offenen Gas- und Stromrechnungen andere Wege geben, als die Versorgung zu unterbrechen.
Eine uneingeschränkte Lieferverpflichtung solle dabei allerdings nicht einseitig zulasten der Energieversorger gehen. Unter Einbeziehung der Verbraucherzentralen und staatlicher Einrichtungen gelte es, wenn möglich Ratenzahlungen zu vereinbaren und die zeitlich begrenzte Übernahme von Heiz- und Stromkosten sowie andere Optionen zu prüfen.
Folgen der Liberalisierung des Energiemarkts
Für die steigenden Preise sind aus Sicht von Scheer mehrere Faktoren verantwortlich. Im Nachgang der ersten Pandemiewelle sei die Konjunktur wieder angesprungen und mit ihr eine erhöhte Energienachfrage. Wartungs- und Reparaturarbeiten an Pipelines und Kraftwerken, die während der Pandemie verschoben worden seien, hätten nachgeholt werden müssen, was das Energieangebot gesenkt habe.
Zudem würden nun die negativen Auswirkungen der Liberalisierung des Energiemarktes offenbar. „Wenn langfristige Lieferverträge heute mit kurzfristigen Einkäufen auf dem Großhandelsmarkt konkurrieren und die Stromanbieter frei gewählt werden können, erwächst daraus eine Preisspirale nach unten“, stellt Scheer fest.
Risiko darf nicht beim Endkunden liegen
Das alleinige Risiko dieser Entwicklung dürfe aber nicht beim Endkunden liegen. Zumal für diese in der Regel nicht ersichtlich sei, wann und zu welchen Bedingungen der gewählte Versorger seinen Strom einkaufe. „Verbraucher können nicht damit rechnen, dass Preisschwankungen zur Kündigung ihres Vertrages oder der Insolvenz ihres Anbieters führen“, so Scheer.
Nachdem bundesweit 39 Energieversorger im Vorjahr aufgegeben haben, darunter etliche Energie-Discounter wie etwa Stromio aus dem Firmengeflecht Grünwelt in Kaarst (NRW), steht für die SPD-Politikerin auch das Geschäftsmodell der Billiganbieter auf dem Prüfstand. Vertragskündigungen und die damit verbundene Versorgungsunsicherheit seien nicht hinnehmbar.