Der Traum vom kleinen Glück für wenige ist keine Option in Metropolen wie Hamburg. Wir brauchen attraktiven Wohnraum für viele.

Anfang 2021 entfachte sich eine etwas aberwitzige bundesweite Debatte um ein in Hamburg-Nord vermeintlich ausgesprochenes Einfamilienhausverbot. Nicht nur, dass der Beschluss im Koalitionsvertrag von Grüne und SPD bereits aus dem Oktober 2019 stammte, es gibt natürlich auch im Norden Hamburgs kein Verbot von Einfamilienhäusern.

Autor Michael Werner-Boelz (Grüne) ist Leiter des Bezirksamtes Hamburg-Nord.
Autor Michael Werner-Boelz (Grüne) ist Leiter des Bezirksamtes Hamburg-Nord. © Roland Magunia/Funke Foto Services | Roland Magunia

Zutreffend ist, dass sie in neuen Bebauungsplänen nicht mehr ausgewiesen werden sollen. Wo Einfamilienhäuser aber bereits in gültigen B-Plänen ausgewiesen sind, können diese auch weiterhin beantragt und genehmigt werden. Im Verlauf der Debatte gelang es aber immer mehr, diese vermeintliche Verbotsdiskussion in Richtung der zentralen Fragestellung zu lenken, vor der fast alle Metropolen stehen: Wie gehen Städte mit wachsenden Bevölkerungszahlen, einem angespannten Wohnungsmarkt, der gleichzeitigen Notwendigkeit der Verkehrswende sowie des Klimaschutzes vor dem Hintergrund der Endlichkeit der Ressource Boden damit um, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen?

Boden ist in Hamburg eine knappe Ressource

Trotz Corona erfreuen sich Metropolen einer anhaltenden Beliebtheit. Das verwundert kaum, findet man doch hier alles wieder, was im Leben nützlich ist und dieses angenehm gestaltet: Bildungseinrichtungen, Arbeitsplätze, Gesundheitsversorgung, Gastronomie, Kultureinrichtungen sowie Sportangebote.

Die Zahl der Einwohner*innen im Bezirk HH-Nord stieg in den vergangenen Jahren um jährlich durchschnittlich rund 3000 Personen. Im Vertrag für Hamburgs Wohnungsbau haben sich die sieben Bezirke verpflichtet, jährlich mindestens 10.000 neue Wohneinheiten (WE) zu genehmigen, in Hamburg-Nord sind dies jährlich 1200 WE. Diese Zahl wurde in der Vergangenheit im Bezirk immer übererfüllt. Was absehbar war, tritt nun langsam deutlich zutage: Die nutzbare Fläche für Wohnungsbau ist endlich. Gleichzeitig ist keine Entspannung auf dem Mietwohnungsmarkt erkennbar. Was bleibt also anderes übrig, als die zur Verfügung stehende Ressource Boden effizient zu nutzen?

Private Pkw nehmen zu viel Raum ein

Die gleiche Thematik beschäftigt die Städte auch bei der Verkehrswende. Wie soll der öffentliche Raum verteilt werden? Welche Verkehrsformen müssen stärker berücksichtigt werden?

Nur die Hälfte der Hamburger Haushalte besitzt überhaupt ein (oder mehrere) Autos. Die über 800.000 angemeldeten Pkw beanspruchen aber eine Fläche, die rund sechsmal so groß ist wie die Außenalster. Meist werden viele dieser Fahrzeuge, die ja in Wahrheit „Stehzeuge“ sind, da sie mindestens 23 Stunden am Tag nicht bewegt werden, im öffentlichen Raum kostenlos abgestellt.

Aber können es sich Metropolen überhaupt noch leisten, so verschwenderisch mit der endlichen Ressource Boden umzugehen? Muss nicht für die Verkehrswende der öffentliche Raum so umgestaltet werden, dass dem privaten Pkw Raum genommen wird, weil nur so alternative Mobilitätsangebote attraktiver werden?

Einfamilienhaus in Hamburg die schlechteste Lösung ist

Im Kern geht es also darum, wie wir uns die Quartiere der Zukunft konkret vorstellen. Die Zukunft ist die Stadt der kurzen Wege, in der es möglich ist, mit dem Rad, zu Fuß oder mit dem ÖPNV alle wichtigen Dinge erledigen zu können. Wir brauchen hochanspruchsvollen Geschosswohnungsbau, der gleichzeitig die Sehnsucht nach Ruhe gewährt und Möglichkeiten des Gemeinschaftserlebnisses eröffnet.

Attraktive grüne Innenhöfe mit Spielgeräten sowie Hochbeete zum gemeinschaftlichen Gärtnern bieten solche Möglichkeiten. Genauso sind auch gestapelte Reihenhäuser – z.B. unten zwei Ebenen Reihenhaus mit Garten und darüber zwei Ebenen Maisonettewohnungen mit Balkon – denkbar. Innovative Architekt*innen haben längst Lösungen für die Fragen der Zukunft entwickelt.

Auch unter Klimaschutzaspekten ist das frei stehende Einfamilienhaus die denkbar schlechteste Lösung. Hier wird auf einer vergleichsweisen großen Fläche Wohnraum für wenige geschaffen und gleichzeitig deutlich mehr Energie sowohl für den Bau als auch für den Betrieb benötigt. Zukunftsgewandte Stadtentwicklungspolitik muss den Mut haben, klar zu sagen, dass der teure Wunsch nach dem „Traum vom kleinen Glück“, was für viele das Einfamilienhaus darstellt, für die wenigen, die es sich leisten können, zurückgestellt werden muss zugunsten von attraktivem Wohnraum für die vielen, die diesen benötigen.