Bad Oldesloe. Treffen am Hochsitz: Wie sich die engagierte Peta-Vorkämpferin Maribel Rico für den Tierschutz einsetzt.
Wir treffen Maribel Rico im Kreis Stormarn. Die 62-jährige Vorkämpferin der Tierschutzorganisation Peta, Tierschutz-Referentin und Wahlhamburgerin wurde in Madrid geboren. Bevor sie zu einem Hochsitz im Wald geht, übergibt sie die Leine von vier Hunden aus dem Tierheim an ihren Mann. Dann hat sie Zeit für die Abendblatt-Interviewreihe „Auf ein Wort an einem besonderen Ort“.
Hamburger Abendblatt: Sie stehen gerade vor einem Hochsitz im Wald und könnten auch eine Jägerin sein!
Maribel Rico: Nein, das bin ich nicht. Ich bin eher das Gegenteil: Ich schütze Tiere und trete für ihre Rechte ein.
Wie begann das?
Rico: Vor Jahren fing ich an, mich um Hunde im Tierheim zu kümmern – da stellte sich mir die Frage: Wie kannst du Hunde lieben und Schweine essen? So begann mein Engagement für weitere Themen - von der Jagd bis zur Änderung meines Lebensstils. Nun lebe ich seit knapp zehn Jahren vegan. Die Jagd war mir nie fremd, zum Beispiel durch den Bekanntenkreis. Als ich mich aber näher mit dem Thema befasste, haben mich die Fakten erschreckt.
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Woran denken Sie?
Rico: Zum Beispiel, dass ein 16-Jähriger in Deutschland einen Jagdschein haben und in Begleitung Erwachsener mit scharfer Munition jagen darf. Das ist der sogenannte Jugendjagdschein. Die 16-Jährigen dürfen in Deutschland zwar nicht wählen, aber jagen – das dürfen sie. Wie kann das sein?!
Wie engagieren Sie sich im Rahmen von Peta gegen die Jagd?
Rico: Ich unterstütze Menschenrechts- und Tierschutzorganisationen, deren Arbeit ich gut finde – und Peta gehört dazu. Ich informiere die Bürger zu verschiedenen Tierschutzthemen und somit auch zum Thema Jagd. Peta organisiert z. B. regelmäßig Kampagnen und Petitionen - aktuell auch gegen die grausame Fuchsjagd. Und am Infostand oder bei Unterschriftensammelaktionen helfe ich aus.
Es gibt Menschen, die zerstören Hochsitze.
Rico: Das mache ich nicht, und auch Peta lehnt solche Aktionen ab. Ich verstehe zwar die Wut, aber das ist nicht mein Weg. Statt dessen informiere ich die Menschen und merke dabei auch immer wieder, wie dankbar sie dafür sind.
Was ist denn ihre wichtigste Botschaft zum Thema Jagen, die Sie weitergeben?
Rico: Tiere sind fühlende Lebewesen wie wir – also auch leidensfähig. Die Jagd ist überflüssig, kontraproduktiv und sehr grausam. Die Aussage „Jagen aus Leidenschaft“ bringt es auf den Punkt: „Die Jagd schafft Leiden.“
Warum?
Rico: Es gibt verschiedene Methoden, die zulässig sind, bei denen das Tier nicht, wie vorgeschrieben, sofort und schmerzlos getötet wird. Totschlagfallen, die leider noch in vielen Bundesländern erlaubt sind, und die Baujagd gehören beispielsweise dazu. Auch die Ausbildung von Jagdhunden an lebenden Tieren ist tierschutzwidrig und sollte sofort verboten werden.
Welche Tiere werden mit Fallen gefangen?
Rico: Unter anderem Füchse, Dachse und Waschbären – teilweise auch Haustiere und vom Aussterben bedrohte Tierarten wie beispielsweise der Iltis.
Warum töten Jäger Füchse?
Rico: Die Fuchsjagd wird gerne damit begründet, dass man andere bedrohte Tierarten damit schützen würde – eine Behauptung, die mehr als fragwürdig ist. Die Gründe für den Rückgang bedrohter Tierarten liegen woanders, und das ist längst bekannt (intensive Landwirtschaft etwa). Paradox ist die Tatsache, dass sowohl der Fuchs als auch vom Aussterben bedrohte Tierarten auf der Liste der jagdbaren Tiere stehen. Zum Beispiel steht der Feldhase auf der Roten Liste und gleichzeitig auf der Liste der jagdbaren Tiere. Kurz gesagt, den Fuchs töten um den Hasen zu schützen, und dann den Hasen erschießen ... na sowas!
Warum töten denn die Hobbyjäger?
Rico: Diese Frage müssten die Jäger selbst beantworten. Nur wenige würden sich wahrscheinlich trauen, offen zu sagen: „Ich genieße die Macht über Leben und Tod“. Man bedenke, dass es in Deutschland rund 1000 Berufsjäger und fast 400.000 Hobbyjäger gibt. Was ist das für ein Hobby?! Und wie passt das mit dem Tierschutzgesetz zusammen? Paragraf 1 lautet: Niemand darf einem Tier „ohne vernünftigen“ Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.
Die meisten Jäger mögen doch die Natur und genießen es, draußen zu sein.
Rico: Das behaupten sie – die Natur genießen, in dem man andere Mitgeschöpfe erschießt, ist mehr als widersprüchlich. Ich bin auch gerne in der Natur und genieße es sehr, dazu muss ich nicht töten.
Manche Populationen werden immer mehr, zum Beispiel Wildschweine und Rehe. Die müssen dezimiert werden!
Rico: Die Natur würde sich von selbst regulieren, wenn wir uns nicht ständig einmischten. Das sagen namhafte Biologen wie Professor Josef Reichholf und auch der renommierte Förster Peter Wohlleben. Zum Thema gibt es Langzeitstudien die das belegen. Die Füchse werden seit Jahren brutal gejagt, in Deutschland fast eine halbe Million jährlich!
Und trotzdem ist die Population durch die Jagd nicht regulierbar. In einem festen Familienverband werden nicht alle Weibchen trächtig – wenn die Gruppe dann durch die Jagd auseinandergetrieben wird, paaren sich auch rangniedrige Weibchen.
Die Jäger sagen, es sei gesund, Wildtierfleisch zu essen. Ist es denn vertretbar, wenn Jäger für den Eigenbedarf Tiere zur Strecke bringen?
Rico: Gesund? Ich denke da an giftiges Blei, denn für bleihaltige Munition gibt es nur ein Teilverbot. Davon abgesehen wird der Fleischkonsum überbewertet und sollte längst der Vergangenheit angehören.
Sollte die Hobbyjagd in Deutschland verboten werden?
Rico: Die Hobbyjagd auf jeden Fall und als erstes! Es gibt viele Beispiele, wo die Natur gerade ohne Jagd prima zurechtkommt. Um nur zwei zu nennen: im Nationalpark Bayerischer Wald werden keine Füchse mehr getötet und in Luxemburg ist die Fuchsjagd seit 2015 verboten.
Was halten Sie von den Großwildjägern, die für ihr „Hobby“ nach Afrika fahren?
Rico: Ich frage mich, was das für ein trauriges Leben sein muss, wenn man sich an so etwas erfreuen kann. Gelinde gesagt, halte ich das für einen Kompensationskick, bei denen sich Leute mit den Körperteilen toter Lebewesen brüsten.
Wenn Sie eine Freundin hätten, die gerade den Jagdschein macht, was würden Sie ihr sagen?
Rico: Wir hätten ein Problem.
Wenn man Sie einlädt, und es gibt nur Wildschwein zum Essen, was würden sie tun?
Rico: Dann nehme ich nur das Bier!