Bad Oldesloe. Bewohner berichten über unzumutbare Zustände. Es riecht nach Kloake, Wände sind feucht. Was der Eigentümer der Immobilien sagt.

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Für Mieter der Oldesloer „Twin Towers“ am Hölk und Poggenbreeden ist der erste Satz des Grundgesetzes nur eine Phrase. Ein Versprechen, das hier schon lange nicht mehr eingelöst wird. Unsere Redaktion hat mit Bewohnern über die unzumutbaren Zustände gesprochen.

Als Lennard Hamelberg an einer Tür im dritten Stock von Hölk 2 klingelt, dauert es ein paar Minuten, bis ihm geöffnet wird. Es ist nicht der erste Besuch des 19-Jährigen, der sich seit ein paar Wochen beim Quartiersmanagement Plan B für die Mieter der Hochhäuser einsetzt. Für ihn ist das eine lebensverändernde Erfahrung. „Wir können abends immer in unsere schönen Häuser und Wohnungen zurückkehren“, sagte er einmal im Bau- und Planungsausschuss, als mal wieder über die katastrophalen Zustände in der „Oldesloer Platte“ gesprochen wurde: „Doch die Menschen hier müssen in dem Elend leben.“

Toilettenspülung funktioniert seit vier Monaten nicht mehr

Als sich die Tür der Wohnung im dritten Stock öffnet, wird der Hausflur sofort von einem beißenden Gestank erfüllt. Es riecht nach Kloake. Nach Mülldeponie und Klärwerk. Es ist unerträglich. Nach einem Gespräch mit der Mieterin erzählt Hamelberg, woher der Geruch kommt. Seit Oktober 2021 ist die Toilette in der Wohnung verstopft. Irgendwann kam ein Klempner und machte das Rohr frei. Doch die Ursache wurde nicht behoben.

„Seitdem ist nichts mehr passiert, obwohl der Hausverwaltung das Problem bekannt ist“, sagt Hamelberg. Die Bewohnerin, eine ältere Dame, ist seitdem gezwungen, täglich mit einer Suppenkelle das braune Wasser aus der Toilette in Eimer zu schöpfen, den Inhalt einweichen zu lassen, um diesen dann im Waschbecken herunterzuspülen. Seit vier Monaten.

Selemun Birhane (l.) und Mitbewohner Tekie Keste leben seit einem Jahr in der neunten Etage – ohne Türklingel und Rauchmelder.
Selemun Birhane (l.) und Mitbewohner Tekie Keste leben seit einem Jahr in der neunten Etage – ohne Türklingel und Rauchmelder. © Unbekannt | Finn Fischer

Im selben Hausflur sind die Wände feucht. Mal wieder gab es einen Rohrbruch. Das Wasser sucht sich seinen Weg in die Tiefe. Auf dem Weg in den Keller lässt es den Schimmel in den Wohnungen sprießen. So gut wie jedes Apartment hat hier ein Schimmelproblem, sagt Monika Ilijazem. Sie wohnt seit 20 Jahren im elften Stock: „Es ist alles furchtbar an diesem Haus. Seit Sonnabendabend ist das warme Wasser weg und es gibt schon wieder einen Rohrbruch.“ Früher sei das anders gewesen. „Da war das eine richtig gute Adresse, aber das ist schon lange vorbei. Jetzt wollen sie die volle Miete, aber machen nichts mehr an den Wohnungen. Abzocke nenne ich das“, sagt sie.

Auch Gabriele Schulz lebt schon seit Ewigkeiten im Hölk 2, fünf Stockwerke unter Monika Ilijazem. Beide Frauen sind seit Jahren befreundet und reden sich oft gemeinsam ihren Frust von der Seele. Seit dem Wochenende hat auch sie kein heißes Wasser mehr. Immerhin geht die Heizung noch. Einen Winter lang musste sie auch schon mal ohne verbringen. Das kommt vor.

Gebäude gehören seit Kurzem der LEG Immobilien SE

Beide Frauen sind frustriert. „Es ist deprimierend, dass wir keine Hilfe bekommen. Wir fühlen uns verlassen“, sagt Schulz, die in Bad Oldesloe arbeitet und seit sie im Hölk wohnt immer pünktlich ihre Miete zahlt. Für sie ist das Quartiersbüro von Plan B wie für viele andere Bewohner ein wichtiger Treffpunkt. „Ohne wären wir wirklich aufgeschmissen“, sagt sie. Eigentlich wohne sie ja gern hier, aber mittlerweile sei das alles eine Katastrophe. Vor einiger Zeit habe sie versucht, eine neue Wohnung zu finden. Ohne Erfolg. „Sobald ich gesagt habe, dass ich vom Hölk komme, habe ich keine Antwort mehr bekommen. Man wird als ,Assi’ abgestempelt.“

Mehrere Oldesloer Lokalpolitiker haben sich Anfang der Woche auf Einladung vom Quartiersmanagement ein Bild von der Situation in den Hochhäusern gemacht. Auch vom überschwemmten Keller. Hier kommt das Wasser an, dass in irgendeinem der oberen Stockwerke aus einem Rohr austritt und nach unten sickert. Im Untergeschoss verursacht es Pfützen auf dem Boden, gelbliche Flecken an den Wänden und einen moderigen Geruch. Auch die Nische, in der sich das Alarmsystem befindet, dass bei einem Brand eigentlich automatisch die Feuerwehr informieren sollte, ist klamm. An der Schaltzentrale blinkt ein gelbes Lämpchen: Störung. Vielleicht ist das System defekt. Oder es liegt daran, dass in einigen der Wohnungen die Rauchmelder kaputt oder gar nicht erst vorhanden sind. Dabei sind die seit Jahren Vorschrift.

Nächste Prüfung August 2021: Die Rettungspläne in den „Twin Towers“ sind offenbar veraltet.
Nächste Prüfung August 2021: Die Rettungspläne in den „Twin Towers“ sind offenbar veraltet. © Unbekannt | Finn Fischer

Oldesloer "Twin Towers": Bewohnerin berichtet von defektem Rauchmelder

Eine junge Frau, die kürzlich ein Kind bekommen hat, erzählt von einem defekten Rauchmelder im Schlafzimmer. Davon, dass das Licht in ihrem Bad nicht funktioniert, die Spüle tropft und sie das auch dem Vermieter mitgeteilt hat. Schon vor Monaten. Auch die WG von Selemun Birhane und Tekie Keste ist seit ihrem Einzug vor einem Jahr renovierungsbedürftig. „Die Klingel geht nicht. Das ist natürlich ärgerlich, da wir im neunten Stock wohnen und nie unsere Pakete bekommen“, sagt Birhane. Während andere Mieter über kaputte Heizungen klagen, haben sie ein anderes Problem: Aus einem unerfindlichen Grund ist es in der Wohnung brütend heiß.

Seit Anfang des Jahres gehören die verwahrlosten „Twin Towers“ der LEG Immobilien SE. „Der Zustand der Objekte ist uns bewusst, und auch, dass hier Handlungsbedarf besteht“, sagt Unternehmenssprecher Nils Roschin unser Redaktion auf Anfrage. Erste Maßnahmen wie Einbau und Austausch von Brandschutztüren und die Sanierung der Fahrstuhlanlagen seien bereits durchgeführt beziehungsweise beauftragt. Dass das nicht ausreicht, weiß auch der Eigentümer. Roschin: „Die Gebäude erfordern eine grundlegende Sanierung. Wie wir hier vorgehen, analysieren wir gerade – und hängt davon ab, ob wir das machen, ob es ein neuer Eigentümer macht oder ob wir gemeinsam mit der Stadt anderweitige Lösungen finden.“

Unklar ist noch, wie lange dieser Prozess dauern wird. Fest steht: Die Mieter, die in teils unzumutbaren bis gefährlichen Wohnungen leben müssen, brauchen jetzt Hilfe. Die wünschen sie sich auch von der Stadtverwaltung. Die Gebäude sind längst nicht mehr nur optisch eine Katastrophe, sondern durch offensichtliche Brandschutzmängel auch ein Sicherheitsrisiko für seine Bewohner.