Scharbeutz. Von Quickborn nach Scharbeutz: Mit eigener Mode geben die Anspreikschs maritimes Gefühl weiter.
Kaum ist Frida am Strand, zieht sie ihre Schuhe aus und flitzt über den feinen Sand ans Wasser. Die Ostsee zeigt sich an diesem Junitag wild, mit Wellen und weißen Schaumkronen, der Himmel blau, die Wolken weiß. Der perfekte Tag am Meer. Auch nach fast zwei Jahren, in denen die Siebenjährige mit ihrer Familie nun schon am Meer wohnt, ist die Faszination für die Ostsee ungebrochen.
Wie bei allen in der Familie Anspreiksch: Miriam und Marco sind mit Frida und Linda vom Hamburger Umland nach Scharbeutz gezogen und haben sich den Traum vom Haus am Meer erfüllt und gleich einen Online-Klamotten-Laden errichtet – maritim angehaucht natürlich.
Dass sie keine drei Euro Strandgebühr zahlen müssen wie die Touristen und der Großparkplatz in Scharbeutz für Einheimische lediglich 40 Euro im Jahr kostet, das sind die kleinen Annehmlichkeiten, wenn man in der Gemeinde lebt. Und das freut Miriam Anspreiksch immer noch. „Ich fühle mich wie eine Mischung aus Touristin und Einheimischer“, sagt sie.
Das Leben am Meer ist etwas Besonderes
Das Leben am Meer ist noch nicht selbstverständlich und etwas Besonderes. Alle vier freuen sich jedes Mal über das Gefühl von Sand zwischen den Zehen. Mit dem Verkauf ihres Reihenhauses in Ellerau bei Quickborn und mit dem Umzug samt Töchtern und Katze Rosi nach Pönitz am See sind die Anspreikschs ihrer Sehnsucht nach Wind, Wellen und Weite gefolgt. Geübt hatten sie das Leben an der Ostsee schon jahrelang als Dauercamper.
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Während viele nur davon träumen, am Meer zu leben, haben sie einfach gemacht. Denn, das mussten sie schmerzhaft erfahren als eine gute Freundin an Krebs starb, das Leben kann so kurz sein. Das war einer dieser Wendepunkte. „Wir waren beide 40 geworden und sind ins Grübeln gekommen. Warum nur reden, statt die Dinge, die uns glücklich machen, umzusetzen?“, sagt die 42-Jährige. Als Miriam und Marco am 2. Januar 2019 wieder einmal einen Tag in Scharbeutz verbrachten, durchgepustet und durchgefroren, wussten sie: „Wenn wir das Meer auch bei minus zehn Grad lieben, warum dann nicht hier leben?“
Mit dem Rad in 20 Minuten am Strand
So ein Schritt kann erstaunlich leicht gehen. „Wir haben uns nur ein paar Häuser angeguckt und wurden schnell fündig“, erzählt Marco. Bekannte hätten geraten, nicht direkt nach Scharbeutz zu ziehen, weil es in der Hochsaison durch die Touristen zu Staus im Ort kommt, in denen dann auch die Einheimischen stecken.
Jetzt leben sie fünf Kilometer vom Meer entfernt in einer Doppelhaushälfte und sind mit dem Rad in 20 Minuten am Strand. Die Kinder fahren drei Minuten mit dem Rad zur Gemeinschaftsschule. „Wären die Kinder nicht einverstanden gewesen, wären wir diesen Weg nicht gegangen“, sagt Miriam. Die Mädchen seien in ihren Klassen gut angekommen. Sie waren ja nicht die einzigen Neuen: In der Neubausiedlung leben viele Zugezogene – aus Hildesheim, Augsburg, Münster, Kassel.
Kinder haben eine Jahreskarte für den Hansapark
Die 13-jährige Linda und ihre Schwester haben wie alle Kinder und Jugendlichen in der Gegend eine Jahreskarte für den Hansapark in Sierksdorf, dort verbringen sie viele Nachmittage und am Meer. „Wenn Frida am Strand ist, ist sie in ihrer eigenen Welt, sie blüht total auf und wir auch“, sagt Miriam. Noch ist die Ostsee spannender als der See und das Freibad in Pönitz.
Aber auch das werden die Anspreiksch noch entdecken. „Die Einheimischen machen sich über uns lustig, wenn wir mit Strandtasche losziehen. Das machen doch nur Touristen“, sagt Miriam und lacht. Ihre Teilzeitstelle in einem Schulsekretariat hatte die gelernte Hotelfachfrau für den Traum am Meer aufgegeben und hier einen Job in der Verwaltung gefunden. Ihr Mann ist Sportjournalist in Hamburg und pendelt, hat aber die Erlaubnis, auch von zu Hause aus zu arbeiten.
Mittlerweile haben die Anspreikschs 100 Produkte
Mit dem Umzug an die Ostsee kamen sie auf die Idee, die Gefühle und die Faszination Meer in Worte und Bilder zu fassen und die typischen Anker-, Möwen- und Leuchtturmmotive auf T-Shirts zu verewigen, gespickt mit Sprüchen wie „Straight outta waterkant“, „Sand aufs Herz“, „salty skin, sandy feet, happy life“ und „In Gedanken bin ich barfuß am Strand“ – den Gedanken, den sie jahrelang in Ellerau hatten und den sie in die Tat umgesetzt haben.
Mittlerweile haben die Anspreikschs 100 Produkte unter dem Label „Küstenkinners“, darunter Shirts, Sweatshirts und Hoodies, zu 100 Prozent aus Bio-Baumwolle und nachhaltig angebaut. Die Sprüche denkt sich Marco aus, er ist schließlich Texter. Ein Hamburger Dienstleister setzt die Produktion für sie um. Und wer ein Paket von Küstenkinners bekommt, bekommt auch ganz viel Leidenschaft und Herz mit und eine Prise Ostseesand. Was als Hobby anfing, entwickelt sich zu etwas Großem. Bestellungen aus dem ganzen Land kommen herein, darunter viele aus Hamburg und Berlin.
Während Frida und Linda mit ihren Füßen durchs Wasser am Scharbeutzer Strand waten, erzählt Marco Anspreiksch , wie sehr sie es genießen, ihre Zeit mit Freunden und Familien am Strand zu verbringen und den Luxus zu haben, dann kommen zu können, wenn die Touristen nicht da sind. Das Ehepaar hat aber noch einen Traum: „Unser Ziel ist es, irgendwann auf Fehmarn zu leben, auf unserer Lieblingsinsel.“ Die Anspreikschs werden das schon machen.