Bad Oldesloe. Behörde muss mehr als 90.000 Akten durchsehen. Bewertungsstelle verdoppelt Personal. Neue Grundsteuer wird erstmals 2025 fällig.
Es ist eine Mammutaufgabe, die in den kommenden Monaten und Jahren auf Daniel Klein und seine Mitarbeiter im Finanzamt Stormarn zukommt. Und die lagert im Archiv der Oldesloer Behörde in Form von mehr als 90.000 Akten. Sie alle gehören zu den Grundstücken im Kreis. Und: Klein und sein Team müssen jede einzelne durchsehen. Nötig macht es die Grundsteuerreform. Ab 2025 sollen alle Immobilien entsprechend der Neuregelung besteuert werden.
Klein leitet die Bewertungsstelle des Finanzamtes, deren Aufgabe es ist, den Wert jedes Grundstücks entsprechend der reformierten Parameter neu zu ermitteln. Die bislang letzte sogenannte Hauptfeststellung in Deutschland, also die systematische Bewertung aller Immobilien, liegt bereits mehr als ein halbes Jahrhundert zurück. „Wir arbeiten derzeit auf Grundlage der Zahlen aus dem Jahr 1964“, sagt Klein. Sie sind die Basis für die Erhebung der Grundsteuer. Das Problem: „Die erhobenen Steuersätze spiegeln vielerorts überhaupt nicht mehr die Realität wider.“
In mehr als 50 Jahren hätten sich viele Orte weiterentwickelt, Wohngegenden verändert. Einige seien beliebter geworden, andere nicht. „Einige Grundstücke haben eine erhebliche Wertsteigerung erfahren, die in der Grundsteuer nicht abgebildet wird“, erklärt Felix Wachenfeld, Vorsteher des Stormarner Finanzamtes. Die Folge sei eine Verzerrung der Steuerlast. Schon seit den 1990er-Jahren gab es deshalb juristische Bedenken. 2018 schließlich erklärte das Bundesverfassungsgericht das bisherige Modell für verfassungswidrig. Wachenfeld erläutert das an einem Beispiel: „Es ist so, dass derzeit teilweise Grundstücke in Dithmarschen infolge einer Haussanierung, die immer mit einer Wertsteigerung einhergeht, höher besteuert werden als in der Metropolregion Hamburg, in der die Bodenpreise viel höher sind.“
Künftig nur noch sechs bis acht Bewertungsfaktoren
Für eine Neuregelung setzten die Verfassungsrichter der Politik eine Frist bis zum 31. Dezember 2019. Der Bund machte einen Vorschlag, wie die Grundsteuer in Zukunft berechnet werden könnte, überließ die konkrete Ausgestaltung aber den Ländern. Deren Konzepte unterscheiden sich im Wesentlichen in den Faktoren, die zur Ermittlung des Grundstückswertes herangezogen werden. Während einige Bundesländer, darunter auch Hamburg, eigene Modelle erarbeitet haben, hat sich die Jamaika-Koalition in Kiel im Februar nach langem Ringen auf den vom Bund vorgeschlagenen Entwurf verständigt, auch wenn er gemeinhin als der komplexeste gilt.
Dabei ändert sich laut Wachenfeld weniger, als es auf den ersten Blick vermuten lässt. „Wie bislang setzt sich die Höhe der Steuer auch in Zukunft aus dem Grundsteuermessbetrag multipliziert mit den kommunalen Hebesätzen zusammen“, erklärt er. Der Grundsteuermessbetrag wiederum sei das Produkt aus dem sogenannten Einheitswert und der Steuermesszahl. Nur für ersteren, der den Wert des Grundstücks und der Gebäude darauf angebe, ändere sich die Berechnungsgrundlage.
„Bislang fließen 30 Faktoren ein“, so der Chef des Finanzamtes. Darunter die Grundstücksgröße, der Bodenrichtwert, der aus den Grundstücksverkäufen in der Gegend abgeleitet wird und den hypothetischen Wert eines Grundstücks angibt, die Wohnfläche, das Baujahr der Gebäude und das Mietniveau in der Gegend, aber auch Kriterien, die die Ausstattung der Immobilie betreffen, etwa welcher Boden und welche Fensterbänke verbaut sind. Letztere Parameter sollen künftig wegfallen. „Es wird dann nur noch sechs bis acht Bewertungsfaktoren geben, das erleichtert die Arbeit erheblich“, sagt Wachenfeld.
Ob die Steuersätze tatsächlich steigen, kommt auf die Kommunen an
Den Hebesatz wiederum, der mit dem Grundsteuermessbetrag multipliziert die Summe ergibt, die Grundstückseigner am Ende an das Finanzamt überweisen müssen, legen die Kommunen fest. „Die Grundsteuer ist eine kommunale Steuer, alle Einnahmen fließen in die Kassen der Städte und Gemeinden“, sagt Wachenfeld. Die Kommunen könnten die tatsächliche Höhe der Steuer jedes Jahr durch die Festsetzung des Hebesatzes anpassen. Ob die Steuerlast für Stormarner Grundstückseigner steige, lasse sich daher pauschal nicht sagen.
Der Leiter des Finanzamtes geht davon aus, dass einige Eigentümer je nach Lage ihrer Immobilie in Zukunft mehr zahlen werden, andere hingegen sogar weniger. „Im Durchschnitt zählt Stormarn mit seiner Nähe zu Hamburg landesweit allerdings zu den Regionen, in denen Grundeigentum in den vergangenen Jahren erheblich an Wert gewonnen hat“, so Wachenfeld. „Ob die Steuersätze tatsächlich steigen, kommt auf die Kommunen an“, so Wachenfeld. Es sei nicht die Absicht des Gesetzgebers hinter der Reform, die Steuerlast zu erhöhen. „Es wird an den Stormarner Städten und Gemeinden sein, die Hebesätze entsprechend anzupassen.“
Mitte des kommenden Jahres werden Daniel Klein und sein Team damit beginnen, die Parameter für die künftige Berechnung der Steuer bei den Stormarner Grundstückseigentümern abzufragen. „Das wird auf elektronischem Wege geschehen über die Plattform Elster, über die auch schon die Steuererklärungen abgewickelt werden“, sagt Klein. Denn im Zuge der Reform soll die Grundsteuer auch auf digitale Beine gestellt werden, die mehr als 90.000 Akten im Archiv des Finanzamtes sollen dann überflüssig werden. „Wir werden die Chance nutzen, um im digitalen Zeitalter anzukommen“, sagt Bewertungsstellenleiter Klein.
Anschließend werden er und sein Team die Angaben der Eigentümer überprüfen. Der Aufwand ist erheblich. „Wir hoffen deshalb auf die konstruktive Mitarbeit der Stormarnerinnen und Stormarner“, sagt Klein. Zu den derzeit 14 Mitarbeitern der Bewertungsstelle sollen bis zum Abschluss der Neubewertung 13 weitere hinzukommen. Derzeit laufen noch die Vorarbeiten. Sachbearbeiterin Angelique Eckmann hat damit begonnen, die Daten aus Grundbuch, Melderegister und Liegenschaftskataster mit denen des Finanzamtes abzugleichen.
Bewertungsfaktoren werden ab diesem Sommer abgefragt
„Wir müssen für jedes Grundstück Klarheit über den Eigentümer und seine Anschrift haben, wenn wir im kommenden Sommer mit der Abfrage der Bewertungsfaktoren beginnen“, sagt sie. Parallel dazu müsse die Erhebung nach dem alten Modell vorerst weiterlaufen. Etwas weniger als vier Jahre bleiben Klein, Eckmann und ihren Kollegen. Dann muss die Neubewertung aller Stormarner Grundstücke abgeschlossen sein. Am 1. Januar 2025 wird die neue Grundsteuer erstmals fällig. So verlangt es das Bundesverfassungsgericht.