Hamburg. Der Kahlschlag bei Galeria Karstadt Kaufhof ist nur ein Zwischenschritt – leider!
Es war abzusehen, dass dieser 19. Juni 2020 kein guter Tag für die Beschäftigten der Karstadt- und Kaufhof-Warenhäuser werden würde. Dass es aber so schlimm – vor allem für Hamburg – kommt, damit hatten selbst Insider nicht gerechnet. Jede dritte Filiale soll bundesweit schließen, in Hamburg sind es sogar vier von sieben Warenhäusern, die wohl schon bald verschwunden sein dürften. 6000 Arbeitsplätze stehen in Deutschland zur Disposition.
Die heute schon meist eintönigen Zentren – vor allem in kleineren und mittelgroßen Städten – drohen nach dem Aus ihrer letzten großen Kaufhäuser weiter zu veröden. Alle Folgen des bevorstehenden Kahlschlags bei Karstadt und Kaufhof lassen sich heute noch gar nicht seriös voraussagen. Fest steht aber schon jetzt: Es ist ein schwarzer Freitag – nicht nur für den deutschen Einzelhandel.
Karstadt und Kaufhof standen lange für die bunte, vielfältige Konsumwelt
Karstadt und Kaufhof, gegründet im 19. Jahrhundert, standen lange für etwas Neues: eine bunte, vielfältige Konsumwelt. Der Wirtschaftsaufschwung der 1950er-Jahre war hierzulande untrennbar mit den großen, in Toplagen präsenten Warenhäusern verbunden. Die Miethöhen spielten kaum eine Rolle, weil sich ganz Deutschland im Kaufrausch befand. Die Häuser waren Gelddruckmaschinen. Damals.
Heute ächzen sie unter den hohen Kosten und stehen für etwas Altes: Denn bestellt wird nun per Knopfdruck auf Laptop oder Smartphone. Die schöne, bunte Warenwelt kommt direkt nach Hause. Ob Kleidung, Elektronikartikel oder Haushaltswaren – der Kunde guckt sich die Produkte online an, muss das Haus nicht mehr verlassen.
Aus „Komm, wir fahren zu Karstadt!“ ist schon lange „Komm, wir schauen im Internet!“ geworden. Statt sich nur auf die Strahlkraft seiner realen Warenhäuser verlassen zu können, muss der neue fusionierte Konzern namens Galeria Karstadt Kaufhof jetzt vor allem im Internet gegen Tausende von Konkurrenten um die Gunst der Kundschaft buhlen.
Der Niedergang wird nicht aufzuhalten sein
Dabei hat er allerdings ein Problem: Die hohen Kosten für die Warenhäuser aus Stein und Beton machen den Preiskampf in der virtuellen Welt quasi aussichtslos. Folglich muss gespart werden: Beim Personal, bei der Warenvielfalt in den Häusern, bei der Anzahl der Standorte: Ein schleichender Niedergang, der nicht aufzuhalten sein wird. Und die traurige Prognose lautet: Auf dem Weg ins Tal wird der 19. Juni 2020 nur ein Zwischenschritt gewesen sein.
Dass das Management nun vor allem der Corona-Krise die Schuld an den drastischen Einschnitten gibt, ist nachvollziehbar, aber nicht mehr als ein kleiner Teil der Wahrheit. Es steht außer Frage, dass die wochenlangen Schließungen der Warenhäuser ihren Niedergang beschleunigt haben. Aber auch wenn es die Pandemie nicht gegeben hätte, wäre der nun eingeleitete Prozess nicht zu verhindern gewesen. Man hätte ihn womöglich ein wenig nach hinten schieben können, mehr nicht.
Karstadt und Kaufhof leiden unter drastisch gestiegenen Immobilienkosten
Zu Recht weist die Konzernführung auf die Belastung durch hohe Mieten hin. Karstadt und Kaufhof sind nicht nur Opfer des Internetzeitalters, sie haben auch massiv unter den in den vergangenen Jahrzehnten drastisch gestiegenen Immobilienkosten gelitten. Bleibt abzuwarten, ob einige Vermieter nun finanzielles Entgegenkommen zeigen oder lieber versuchen, durch neue Immobilienkonzepte noch höhere Renditen zu erwirtschaften.
Mietnachlässe werden die Warenhäuser allerdings nicht retten können. Was der Konzern benötigt, ist eine überzeugende Online-Strategie – und er sollte noch ehrlicher gegenüber Kommunen, Vermietern, Beschäftigten und Kunden sein. Denn klar ist: Flächendeckend große, teure Kaufhäuser betreiben und gleichzeitig im harten Online-Wettbewerb bestehen – das funktioniert nicht!