Hamburg. Das Rätsel um die Identität des HSV-Profis. Der Umgang mit dem Spieler entlarvt das Fußballgeschäft.

Wie soll man einem fünf oder sechs Jahre alten Knirps im Fußballtrikot noch erklären, was gerade passiert: Da diskutiert die halbe Republik seit drei Wochen, ob der Fußballspieler Bakery Jatta wirklich Bakery Jatta ist; da pfeifen Tausende Karlsruher Fans den Betroffenen aus und rufen „Steh auf, du Sau“, als er nach einem Foul am Boden liegt; da schreibt die AfD bei Facebook: „Der Fall Jatta zeigt exemplarisch, was in Deutschland falsch läuft“. Und nun soll der 1. FC Nürnberg – ein Fußballverein aus Mittelfranken – mit Detektivarbeit im Senegal einen „Kronzeugen“ gefunden haben, der ihm die Niederlage gegen den HSV am grünen Tisch zum Sieg verdreht.

Beweise? Die Wahrheit? Die gibt es im Fall Jatta noch immer nicht. Nur ein Trauerspiel, in dem sich nicht Bakery Jatta, sondern fast das gesamte Fußballgeschäft immer mehr selbst entlarvt.

Jatta: Wogegen der Protest?

Man könnte den Fall zumindest einmal ganz sachlich sehen: Fast alles, was wir gesichert über Bakery Jatta wissen, ist, dass er gut Fußball spielt. Gut genug für die Startelf des HSV. Eine Mannschaft, die etwa Nürnberg mit 4:0 geschlagen hat. Jatta hat dabei keine herausragende Leistung gebracht, kein Tor geschossen, keine Torvorlage gegeben. Es ist schon wagemutig zu behaupten, dass das Spiel anders ausgegangen wäre, hätte ein anderer Profi auf dem rechten HSV-Flügel gestanden.

Und selbst wenn Bakery Jatta in Wirklichkeit Martin Müller hieße, bereits 35 Jahre alt wäre und drei Tore gegen Nürnberg geschossen hätte: Ein Protest dagegen ist fußballerisch lächerlich. Denn dass Identität und Herkunft auf dem Platz nichts zählen, ist das ganze Wesen von Sport.

Nürnberg und die anderen protestierenden Vereine stellen sich dagegen auf die Seite der Formaljuristen. Das kann man als Symptom für die Entmenschlichung des Fußballs sehen: Was zählt, ist der Erfolg und das damit verbundene Geld; das Zustandekommen und andere Werte sind maximal zweitrangig. Hier aber gehen die Folgen dieser Denkweise über den Fußball hinaus. So verdruckst die Funktionäre ihre Proteste ankündigten, so genau scheinen sie zu wissen: Der Fall Jatta füttert auch die Stammtische, die Menschenfänger von der AfD. Die Verblendeten und Dummen, für die es auch um einen Ausländer mit dunkler Hautfarbe geht.

DFB will eigentlich für Integration stehen

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und die Deutsche Fußball Liga (DFL) inszenieren sich öffentlich besonders gern als Integrationsmotor, aber stottern in diesem Fall nur. In vier Wochen haben sie keine eindeutige Position und keine klare Linie entwickelt. Waren wochenlang nicht fähig, wenigstens laut für einen menschlichen Umgang mit Bakery Jatta einzutreten, der auch unabhängig von seinem Namen ein Mensch bleibt.

Schlimmer noch: Obwohl es keine neuen Indizien gab, hielten sie den Vorhang des öffentlichen Theaters offen – indem sie den protestierenden Vereinen und der „Sport Bild“ eine Fristverlängerung für weitere Recherche gaben, die längst den Behörden vorbehalten sein sollte.

Und plötzlich ist der HSV ein Vorbild

Es gehört zu den weniger merkwürdigen Volten in diesem Fall, dass der HSV mit seinem Handeln plötzlich ein Vorbild ist. Sicher ist das Festhalten an Bakery Jatta eigennützig – der Flügelspieler hat aber nur einen hohen, keinen unersetzlichen sportlichen Wert. Mit weiteren Einsätzen von Jatta aber möglicherweise den Aufstieg zu gefährden ist dagegen menschlich starkes Handeln, das Respekt verdient. Das gilt auch für Vereine wie den FC St. Pauli, die einen Protest von vornherein ausschließen.

Sollte es irgendwann Beweise geben, dass Bakery Jatta nicht Bakery Jatta ist, wird er sich vor dem Staat verantworten müssen. Erst einmal wird er am Sonntag im Volksparkstadion stehen. Zum Fußballspielen. Und zu Recht.