Bargteheide. Ann-Kathrin Kramer und Harald Krassnitzer stehen bei der literarisch-musikalischen Produktion „Chocolat“ in Bargteheide auf der Bühne.
Das Kleine Theater Bargteheide präsentiert am Sonnabend, 5. März (20 Uhr), ein literarisch-musikalisches Vergnügen mit erstklassigen Darstellern und einer wunderbaren Band: die Theaterproduktion „Chocolat“ mit den aus Film und Fernsehen bekannten Schauspielern Ann-Kathrin Kramer und Harald Krassnitzer. Als Vorlage des Stücks diente der gleichnamige Roman, dessen Verfilmung mit Juliette Binoche, Johnny Depp und Alfred Molina ein großer Publikumserfolg war.
Schokolade in Fastenzeit ist Sakrileg für Pfarrer
Ein Neuzugang in einem idyllisch gelegenen französischen Städtchen ruft den ortsansässigen Pfarrer auf den Plan: Ausgerechnet zu Beginn der Fastenzeit eröffnet die alleinerziehende Mutter Vianne Rocher direkt vor seinen Augen am Kirchplatz einen Laden für feinste Schokoladen- und Pralinenkreationen. Aus Sicht des Kirchenmannes Francis Reynaud ein Affront auf mehreren Ebenen, den er nicht akzeptiert.
Während die Chocolaterie zum Geheimtipp avanciert und immer mehr Kunden anzieht, lässt der Pfarrer nichts unversucht, um Vianne das Leben schwer zu machen. Zwei Welten prallen aufeinander: die der lebenslustigen, aufgeschlossenen, neugierigen Frau, für die nicht sozialer Status, sondern der Charakter eines Menschen zählen, und die des erzkonservativen Pfarrers, dessen Alltag von festgelegten Ritualen und gesellschaftlichen Konventionen bestimmt wird und dem alles Fremde und Neue zuwider ist.
Das Stück ist eine musikalisch-szenische Lesung
Auf die Frage, welchem Genre sie „Chocolat“ am ehesten zuordnen würde, antwortet Ann-Kathrin Kramer: „Das Stück ist eine musikalisch-szenische Lesung mit Rezitativ, eine ganz eigene Form.“ In die Rolle des Pfarrers schlüpft der österreichische Schauspieler Harald Krassnitzer. Den meisten Fernsehzuschauern dürfte der Grimme-Preisträger allerdings als Wiener „Tatort“-Ermittler Moritz Eisner bekannt sein. 54-mal stand er dafür bereits vor der Kamera. Oder in der Rolle des Justus Hallstein in der TV-Serie „Der Bergdoktor“. Doch sein Œuvre ist nicht auf Serien beschränkt. Er wirkte in vielen Fernsehfilmen und Theaterstücken mit, betätigt sich als Autor und Sprecher.
In „Chocolat“ spielt Ann-Kathrin Kramer seinen Widerpart, die unverheiratete Mutter Vianne Rocher. Kramer hat sich als Darstellerin in zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen sowie als Kinderbuch- und Drehbuchautorin einen Namen gemacht. Seit 2009 sind Krassnitzer und Kramer verheiratet. Über ihre erste Begegnung sagt die Schauspielerin: „Wir haben uns 1998 am Set zum TV-Thriller ,Hurenmord – Ein Priester schweigt‘ kennengelernt“. Und ihr Mann, der damals wie im aktuellen Stück einen Kirchenmann mimt, fügt mit einem Schmunzeln hinzu: „Immer wenn ich im Priestergewand bin, löst das bei meiner Frau irgendetwas aus.“
Am Anfang zeigen sich beide von bester Seite
Auf „Chocolat“ bezogen zumindest eine Menge widersprüchliche Gefühle. Bei ihrer ersten Begegnung zeigen sich Vianne und Francis noch von ihrer besten Seite. Kramer: „Er kommt in die Chocolaterie, die wir gerade herrichten.“ Der Pfarrer wolle sehen, was da los sei und die Neubürger als neue Mitglieder der Gemeinde begrüßen. Harald Krassnitzer beschreibt seine Rolle als klassischen konservativen Kirchenmensch mit leicht misanthropischen Zügen, der starrsinnig an Ritualen festhalte und Vergangenes bewahren wolle. „Da ist wenig Sinnliches vorhanden“, sagt er.
Denn alles Sinnliche ist dem Pfarrer suspekt und Teufelswerk, das bekämpft werden muss. Und dafür stehen der Genuss von Schokolade in der Fastenzeit ebenso wie Menschen, die einen alternativen Lebensentwurf haben und sich nicht viel um gesellschaftliche Normen scheren. Eine Mutter mit unehelichem Kind und neumodischen Ideen beispielsweise oder die am Fluss lebenden Sinti, die Manouches, die ihm ebenso ein Dorn im Auge sind.
Es geht um Toleranz, Anderssein und Offenheit
Doch das Stück ist weniger ein Spiel mit Stereotypen à la „Der Grantler und die charmante Verführerin“, das wäre viel zu kurz gedacht, wie Kramer erläutert: „Es geht bei Vianne nicht um weibliche Verführung, sondern um das Anderssein, sich anders auf Menschen und das Leben einzulassen, neugierig zu sein und sich nicht sofort in eine Position der Bewertung zu begeben.“
Von Verführung könne man in dem Sinne sprechen, „dass sie dazu einlädt, die Schönheit dieser Welt zu genießen und sie auch in der Andersartigkeit und dem Makel zu entdecken“. Zum Stichwort Stereotypen merkt Krassnitzer an, dass in unserer Gesellschaft nach wie vor eher ein konservatives, paternalistisches Weltbild vorherrsche. „Selbst in liberalen Kreisen“, sagt er und nennt als Beispiel Annalena Baerbock als eine der wenigen Frauen, „die auf der Weltbühne herumturnt und etwas zu sagen hat“. Als Schauspieler biete ihm die Szene einen Nährboden, um hinzugucken und Geschichten zu erzählen. „Das finde ich sehr faszinierend.“
Lange Wandlung ist so effekt- wie humorvoll
Obwohl er aus eher sozialdemokratisch geprägtem Elternhaus komme, sei er nicht davor gefeit gewesen, „von tradierten Weltsichten geimpft zu werden“. Der Vorteil seines Backgrounds sei jedoch, dass „ich a priori mit Respekt gegenüber jedem Menschen auftrete, egal welcher Herkunft“. Eine Aussage, die den Menschen hinter dem Schauspieler sichtbar macht, dem Charakter seiner Figur jedoch völlig zuwiderläuft.
Krassnitzer hebt hervor, dass das „eigentliche Kernstück bei all den misanthropischen und xenophoben Tönen eine wirkliche Komödie ist“. Das Publikum tauche schnell in das dörfliche Leben ein und erlebe die Wandlung mit, die der Pfarrer im Lauf der Handlung durchmache. „Das dauert sehr lange, ist dafür umso effekt- und humorvoller.“
Jede Begegnung verleiht Wachstumsschub
Kramer: „Auch Vianne macht eine Wandlung durch, wenn auch nicht so vordergründig.“ Vor ihrer Ankunft habe sie einem Zugvogel ähnlich keine Bindung an einen bestimmten Ort verspürt. „Doch dann entsteht langsam etwas, das in ihrer Zuversicht und ihrem Wesen so angelegt ist, ein Momentum von tieferem Verstehen und Bleibenwollen.“
Die gegensätzliche Entwicklung der Figuren beschreibt Harald Krassnitzer so: „Menschen, die ein enges Weltbild haben, machen oft schwierige Wandlungen durch, weil sie die Gegenwart verwalten, die wiederum nur Vergangenheit ist.“ Bei Menschen, die offen seien, gebe es eine permanente Wandlung, weil sie immer wieder neue Menschen kennenlernten und mit jeder Begegnung wüchsen. „Das hat etwas Ansteckendes.“
Band spielt wichtige Rolle im Bühnenstück
Ansteckend ist auch die Musik, mit der die vierköpfige Band Les Manouches Du Tannes dem Stück laut Kramer „eine warme Komponente“ verleiht. Krassnitzer ergänzt: „Wie schnell sie in warme Töne und Färbungen hineinkommen, hat auch etwas mit der Leichtigkeit der Musik zu tun.“ Die Band sei sehr präsent, spiele eine wichtige Rolle. „Immer wenn sie anfängt zu spielen, fühlen wir uns direkt nach Südfrankreich versetzt und spüren die Sonne auf der Haut.“
Wer sich mit Darstellern und Musikern in die kleine Gemeinde aufmachen und die so gegensätzlichen Protagonisten kennenlernen und ein Stück des Weges begleiten will, kann sich ab sofort Karten im Vorverkauf sichern.
„Chocolat“ Sa 5.3., 20.00, Kleines Theater, Hamburger Straße 3, Karte im Vvk. 36,– (erm. 34,–), an der AK 38,– (erm. 36,–), Online-Tickets und Liste aller Vvk.-Stellen unter www.kleines-theater-bargteheide.de