Hamburger Werft verliert Kernkompetenz an Asien, wo Schiffbauer es leichter haben. Nun fällt eine verschlafene Entwicklung auf die Füße

Die Nachricht vom Aus der Werft Pella Sietas stimmt nachdenklich. Der Industriestandort Hamburg verliert einen wichtigen Baustein, die deutsche Werftenlandschaft schon wieder eines ihrer traditionsreichen Mitgliedsunternehmen, und rund 300 Schiffbauer in Neuenfelde verlieren ihren Job. Die Bestürzung darüber ist groß. Deutschlands älteste noch existierende Werft muss ihre Tore schließen.

Einige werden jetzt sagen: „Siehste! Ich habe es kommen sehen.“ So gibt es Behördenvertreter in Hamburg, für die war Pella Sietas zuletzt nur noch ein Klotz am Bein. Die Hafenbecken versanken zunehmend im Schlick. Das Freispülen war aufwendig und brachte die Flutschutztore der Este-Mündung in Gefahr. Zudem wurde der Werftführung vorgehalten, zu große Aufträge angenommen zu haben, die sie als kleiner Standort gar nicht bewerkstelligen kann.

Das mag sicher einer der Gründe für das Aus gewesen sein. Es gab noch andere, zum Beispiel Managementfehler. Der Insolvenzverwalter kritisiert, dass die Insolvenz zu spät eingeleitet wurde. Der Eigentümer der Werft, die russische Pella-Gruppe aus St. Petersburg, konnte keine finanziellen Hilfen mehr geben, die Sber-Bank hatte den Geldhahn zugedreht, und die Corona-Pandemie verteuerte die Arbeiten zusätzlich.

Das sind alles Dinge, die zum Sterben der Werft beigetragen haben. Aber sind sie auch die Ursache der Pleite? Der russische Eigentümer der Pella Shipyard, Garegin Tsaturov, der die Werft 2014 nach ihrer ersten Insolvenz übernommen hatte, hat sich soweit möglich an alle Zusagen gehalten und mehrmals Millionenbeträge hineingesteckt. Er hat die Werft aber nicht zum Laufen gebracht. Trotz diverser Aufträge hat sie nicht einmal schwarze Zahlen geschrieben.

Pella Sietas hielt sich mit Spezialschiffbau über Wasser

Der Keim des Untergangs muss daher woanders gesucht werden. Dazu muss man etwas tiefer in der fast 400-jährigen Geschichte der Werft graben: Die Sietas-Werft war einmal ein Glanzstück der deutschen Schiffbauindustrie. Als das Containerzeitalter begann, waren ihre Schiffe gefragt wie keine anderen. Echte Schifffahrtsexperten können anhand der klassischen Decksaufbauten auf mehrere Hundert Meter Entfernung ein echtes Sietas-Schiff ausmachen und sich ausmalen, welcher Baureihe es entstammt.

Noch heute erzielen die Frachter auf dem Secondhand-Markt Spitzenpreise, obwohl sie eigentlich veraltet sind. Containerschiffe werden in Neuenfelde aber seit Langem nicht mehr gebaut, weil die Werft dazu am Schluss keinen einzigen Auftrag mehr erhielt. Asiatische Werften haben den deutschen Schiffbauern in diesem Segment inzwischen komplett das Wasser abgegraben, und hierzulande einige Betriebe in den Abgrund gestürzt. Die anderen halten sich mit dem Spezialschiffbau über Wasser, eine Zeit lang auch Pella Sietas.

Verschlafene Entwicklung fällt auf die Füße

Warum verlor sie aber ihre Kernkompetenz? Die Preise haben sicherlich eine Rolle gespielt. Asiatische Werften können Containerschiffe, die in der Herstellung nicht so kompliziert sind wie etwa Kreuzfahrtschiffe, billiger produzieren. Hauptursache ist aber eine Wettbewerbsverzerrung, die das Konstrukt der Schiffsfinanzierung selbst betrifft. Auch hier waren deutsche Banken einmal Weltmarktführer, mit mehr als 100 Milliarden Dollar im Portfolio. Asiaten haben ihnen aber den Rang abgelaufen.

Wer in China oder Südkorea bei einer Bank einen Kredit zum Bau eines Schiffs haben will, erhält ihn – aber nur, wenn er das Schiff auch dort bauen lässt. In Deutschland war das nicht so. In Asien war und ist die Schiffbauförderung an den Produktionsstandort geknüpft. Hier haben wir eine Entwicklung verschlafen, die uns nun nachträglich auf die Füße fällt.