Ausgerechnet am symbolträchtigen Tag des Sieges über Hitler und 24 Stunden vor dem Eurovision Song Contest düpiert Russlands Präsident den Westen. Tote in der Ostukraine.

Moskau/Sewastopol. Es ist eine Provokation sondergleichen: Am wichtigsten Gedenktag in Russland und einen Tag vor dem europaweit verfolgten Eurovision Song Contest ist der russische Präsident Wladimir Putin auf der Krim eingetroffen.

Erstmals seit der Annexion der Krim zeigt sich Putin auf der eigentlich zur Ukraine gehörenden Halbinsel. Der Präsident werde in Sewastopol an den Feierlichkeiten zum Tag des Sieges über Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg 1945 teilnehmen, meldete die Agentur Interfax am Freitag. In der Hafenstadt war am Nachmittag eine Flottenparade geplant.

Der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk hatte die offiziell nicht angekündigte Visite bereits im Vorfeld als „Provokation“ kritisiert. In Sewastopol war am Vormittag bereits eine Militärparade abgehalten worden. Am Abend war ein Galakonzert geplant. Die Stadt begeht zeitgleich zum 69. Jubiläum des Kriegsendes auch den 70. Jahrestag der Befreiung. Sowjetische Truppen hatten Sewastopol am 9. Mai 1944 von der deutschen Wehrmacht zurückerobert.

Die Bevölkerung der Krim und die Stadt Sewastopol hatten am 16. März 2014 in einem umstrittenen Referendum für einen Beitritt zu Russland gestimmt. Daraufhin unterzeichnete Putin am 18. März den Vertrag über die Aufnahme der Gebiete.

Derweil wurden bei schweren Zusammenstößen von Sicherheitskräften mit prorussischen Kräften in der südostukrainischen Großstadt Mariupol offenbar mindestens zwei Menschen getötet. Die Rede war von Schüssen und bürgerkriegsähnlichen Szenen im Zentrum der Hafenstadt mit mehr als 450.000 Einwohnern nahe der Grenze zu Russland. Mehrere gepanzerte Fahrzeuge seien aufgefahren, berichtete das örtliche Internetportal 0629.ua.com am Freitag. Barrikaden aus Reifen brannten. Das Stadtzentrum sei für den Verkehr gesperrt.

Ein Journalist des russischen Staatssenders RT sei in den Bauch getroffen worden und in ein Krankenhaus gekommen, schrieb Chefredakteurin Margarita Simonjan bei Twitter. Der Mann habe eine Schutzweste getragen.

Ein Führungsmitglied der moskautreuen „Selbstverteidigungskräfte“ sagte, zu den Auseinandersetzungen sei es nach den Feierlichkeiten zum Tag des Sieges über Hitler-Deutschland gekommen. Eine Menschenmenge sei zu einer von Separatisten besetzten und von Sicherheitskräften belagerten Polizeistation gezogen. Daraufhin hätten die Einsatzkräfte das Feuer eröffnet. Eine unabhängige Bestätigung lag zunächst nicht vor. Die ukrainische Führung hatte vor Provokationen anlässlich des Feiertags gewarnt.

Mindestens 21 Tote bei Kämpfen in Mariupol


Bei Kämpfen zwischen prorussischen Separatisten und ukrainischen Soldaten in der südukrainischen Hafenstadt Mariupol sind nach Angaben der ukrainischen Regierung mindestens 21 Menschen getötet worden. Unter den Todesopfern seien 20 Milizionäre und ein Polizist, erklärte Innenminister Arsen Awakow am Freitag auf Facebook.

Bei den Kämpfen seien zudem fünf Polizisten verletzt worden, vier Rebellen seien festgenommen worden. Nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur Interfax versuchten ukrainische Militäreinheiten, ein von Separatisten besetztes Verwaltungsgebäude einzunehmen.

Die Kiew-treuen Sicherheitskräfte gehen seit Wochen mit wechselndem Erfolg gegen die prorussischen Milizen vor, die in zahlreichen Städten im Südosten des Landes Polizeiwachen und Verwaltungsgebäude besetzt halten. Kiew wirft Moskau vor, die Separatisten mit Spezialkräften zu unterstützen, was Russland bestreitet.

Bei Kämpfen zwischen prorussischen und ukrainischen Kräften wurden in den vergangenen Tagen fast 90 Menschen getötet, darunter fast 40 Menschen beim Brand eines Gewerkschaftshauses in Odessa.