Der umstrittene Herrscher, den man nach einem halben Jahr vom Thron putschte, wurde wurde an der Förde geboren. Ein Verein hat für seine Bronzestaue 100.000 Euro an Spenden gesammelt.

Kiel. Auf so einen Kieler Jung hätte man wahrlich nicht stolz sein können: Ein debiler Kindskopf, ein Säufer sei er gewesen, der an der Förde als Karl Peter Ulrich geborene russische Zar Peter III. – so stellte ihn die Geschichtsschreibung lange dar. „Falsch“, sagen jene, die ein revidiertes Bild dagegenhalten. Für sie war der 1762 nach einem halben Jahr vom Thron geputschte Mann ein Reformer mit Weitblick. In seiner Geburtsstadt bekommt er nun sogar ein Denkmal, auf Initiative des Kieler Zarenvereins. An diesem Freitag kommt die Bronze-Statue an die Förde.

„Peter war kein debiler Monarch, sondern aufgeklärter Reformer mit sozialem Gewissen“, sagt der Vereinsvorsitzende Jörg Ulrich Stange. „In 186 Tagen hat er 200 Gesetze auf den Weg gebracht und zum Teil in Kraft gesetzt.“ Religionsfreiheit, Bildungspflicht für alle Kinder, Maßnahmen zur Bauernbefreiung, Abschaffung der Salzsteuer zählt der Historiker auf. Und Peter, Bewunderer Friedrichs II., beendete Russlands Krieg mit Preußen. „Weil er so praktisch den Siebenjährigen Krieg beendete, war er ein europäischer Friedensstifter“, so Stange.

„Wir sind kein Monarchistenverein, sondern befassen uns anhand historischer Quellen streng wissenschaftlich mit Peter III.“, betont er. Stange freut sich auf die Statue, die der russische Bildhauer Alexander Taratynov schuf. Im Juni wird sie im Schlossgarten eingeweiht, das einzige Denkmal, das in Deutschland einem Zaren gewidmet sein wird. Die Plastik, die der Künstler am Freitag zur Jahresversammlung des Zarenvereins mitbringt, wird im Schlossgarten stehen, wenige Meter entfernt von dem Ort, an dem der spätere „Kieler Zar“ am 21. Februar 1728 zur Welt kam.

Schon mit elf Jahren beerbte der Knabe seinen Vater als Herzog von Holstein-Gottorf, 1742 bestimmte ihn die kinderlose Zarin Elisabeth, seine Tante, zum Thronfolger in St. Petersburg. 1745 dann die Vermählung mit Prinzessin Sophie Auguste von Anhalt-Zerbst-Dornburg, der späteren Zarin Katharina die Große. Glücklich wurde die Ehe nicht. Sie betrieb seinen Sturz nach nur einem halben Jahr auf dem Thron und war nach Stanges Überzeugung mitverantwortlich dafür, dass ihr in Hausarrest gehaltener Gatte 1762 ermordet worden sei. „Er hatte schwerste Würgemale am Hals.“ Dies belege das Untersuchungsergebnis des von Katharina hinzugezogenen Arztes.

Tatjana Trautmann analysiert an der Uni Kiel für ihre Promotion Aussagen ausländischer Diplomaten über den Zarenhof unter Peter III.. Aus ihrer Sicht lassen die Quellen keine eindeutigen Schlüsse auf die Todesursache zu. Sie bestätigt, dass der Kurzzeit-Zar Reformen anstieß. „Die Aufhebung der Dienstpflicht für den Adel war die mit Abstand wichtigste.“ Auch habe Peter die Rechte der orthodoxen Kirche beschränkt.

„Wenn er nur ein infantiler Trunkenbold gewesen wäre, hätte er nichts aktiv zur Regierungsarbeit beigetragen“, sagt Trautmann. Allerdings hätten auch ihm wohlgesonnene Diplomaten kein einstimmig positives Bild gezeichnet, sondern zum Teil seine Regierungsführung bemängelt.

„Er war nicht frei von Tadel“, räumt Stange ein. Dass der junge Prinz in Kiel einem brutalen Erzieher ausgeliefert gewesen sei, habe Folgen gehabt. Ebenso, dass er mit dem Wechsel nach St. Petersburg abrupt die Religion wechseln und alle Brücken nach Holstein abbrechen musste. „Heute würde man sagen, als Zar ging er unpolitisch vor“, sagt Stange. „Er hätte klüger und geduldiger handeln müssen – man kann nicht in einem Jahr ein Land umkrempeln wollen.“

Das verheerende Geschichtsbild über Peter III. stützte sich auf Katharinas Memoiren. Es müsse nicht alles falsch sein, was sie an schlechtem über ihren Gatten schrieb, sagt der Historiker Prof. Ludwig Steindorff. Er sieht von Peter III. ein ambivalentes Bild. „Er hat im Rahmen des Möglichen Verantwortung für sein Land gezeigt.“ Er habe gute Ideen gehabt oder sei bereit gewesen, solche aufzugreifen. „Aber ihm hat, modern gesprochen, soziale Kompetenz gefehlt.“ Er sei unfähig gewesen, sich zwischen den Interessengruppen zu bewegen.

„Peter III war ein progressiver Herrscher, der durch wirtschaftliche und soziale Reformen das feudale Russland aus seiner mittelalterlicher Starre in die Moderne bringen wollte“, sagt die Journalistin Elena Palmer. Am Rande: Auf Basis ihres Buches „Peter III. Der Prinz von Holstein“ sei ein deutsch-amerikanisches Musical in Arbeit, das nächstes Jahr in Kiel gezeigt werden solle.

Und die angebliche Trunksucht Peters? Dessen Petersburger Erzieher Jacob von Stählin habe kundgetan, dass er keinen Alkohol vertrug, sagt Stange. Ihm sei aber wohl öfter welcher zugeschanzt worden. „Es ist überliefert, dass er als Zar Alkohol gemieden hat.“ Andere Darstellungen fußten auf Unterstellungen Katharinas.

Welchen Platz Peter in der Geschichte auch verdient hat, seinen Platz in Kiel bekommt er am 13. Juni. Dann wird sein Denkmal eingeweiht, lebensgroß, 400 Kilo schwer, 100.000 Euro teuer – bezahlt aus Spenden.