Hamburg. Nach sechs Jahren Kampf mit Anträgen werden Mieterhöhungen und Wohnungsverkäufe im citynahen Stadtteil erschwert.

Im Stadtteil Eilbek wird künftig ein besonderer Mieterschutz gelten. Mit dem Erlass einer Sozialen Erhaltungsverordnung will die rot-grüne Koalition im Bezirk den Aufwertungsdruck im Viertel abschwächen, den finanziell schwächeren Teil der Eilbeker Bevölkerung vor Mietsteigerungen bewahren und die Umwandlung der Miet- in Eigentumswohnungen erschweren. Am Donnerstagabend wird die Bezirksversammlung die Soziale Erhaltungsverordnung beschließen – es ist die erste überhaupt im Bezirk Wandsbek.

„Die Soziale Erhaltungsverordnung ist die einzige im Baugesetzbuch (BauGB) vorgesehene Möglichkeit, bauliche Maßnahmen hinsichtlich ihrer verdrängenden Wirkung zu bewerten und zu kontrollieren“, erklärten die stadtplanungspolitischen Sprecher der Koalition, Jan-Hendrik Blumenthal (Grüne) und Xavier Wasner (SPD). Sie hoffen, damit die längst begonnene Gentrifizierung im zentrumsnahen Eilbek zu stoppen oder doch wenigstens sozialverträglich gestalten zu können.

Die Mauser einer grauen Maus

Der scheinbar unauffällige Stadtteil mit seinen vielen Geschosswohnungsbauten aus den 1950er und 1960er-Jahren war erstmals lautstark in Erscheinung getreten, als sich im Kampf um die 2013 noch grüne „Dreiecksfläche“ zwischen Hasselbrookstraße, Peterskampweg und Papenstraße eine schlagkräftige Bürgerinitative gründete. Sie forderte vehement mehr Grün und weniger Luxus, scheiterte aber an den Vorgaben des Senats, der das Grundstück samt Zusagen über dessen Bebaubarkeit schon verkauft hatte, bevor die Bürgerbeteiligung eingesetzt hatte.

Direkt gegenüber der Dreiecksfläche am Eingang des Jacobiparks war bereits die Luxussanierung eines Weltkriegsbunkers im Gange, die große Eigentumswohnungen für Betuchte hervorbringen sollte. Nach dem Ausverkauf der Gründerzeithäuser in weiten Teilen der Stadt haben die Immobilienkäufer jetzt die Architektur und Solidität der 1960er-Jahre entdeckt.

Was die Verordnung bewirkt

Mit Erlass der Sozialen Erhaltungsverordnung unterliegen diverse Baumaßnahmen einer zusätzlichen Genehmigungspflicht:

  • Abriss von Wohngebäuden und -gebäudeteilen,
  • Umbau- und Modernisierungen in Wohnungen, die den Wohnwert steigern und zu Mieterhöhungen führen können,
  • Nutzungsänderung von Mietwohnungen in Gewerberäume (Büros) und die
  • Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen.

Bisher gibt es in Hamburg elf soziale Erhaltungsverordnungen, vor allem im Bezirk Mitte, aber auch in den klassischen Altbauvierteln von Altona und Eimsbüttel.

„In Eilbek gibt es vielerorts noch ein Wirgefühl und kleinräumig funktionierende Netze“, sagte Grünen-Fraktionsvize Dennis Paustian-Döscher. „Diese Zufriedenheit der Bewohner mit ihrem Quartier wollen wir erhalten und den angestammten Eilbeker*innen eine Umwandlung des bisher noch preiswerten Bestandes in hochpreisige Wohnungen und damit die Verdrängung ersparen. Daher haben wir seit vielen Jahren den Erlass einer Sozialen Erhaltungsverordnung vorangetrieben.“

Der lange Marsch durch die Instanzen

Das mit den vielen Jahren stimmt auf jeden Fall. Schon 2013 startete die Bezirkskoalition die ersten Anträge für den Erlass der Verordnung. Ein Quartiersmonitoring wurde eingeführt, um die notwendigen Daten zur Begründung für den Erlass der Verordnung zu gewinnen. Ende 2017 beauftragte die Stadtentwicklungsbehörde einen Gutachter, der im Frühjahr 2018 lieferte.

Daraufhin bat der Bezirk den Senat, den Aufstellungsbeschluss für die Verordnung vorzubereiten. Daran anschließend belegte eine „Repräsentativerhebung“ des privaten Gutachters noch einmal, dass der Aufwertungs- und Verdrängungsdruck Veränderungen erwarten lässt, die ihrerseits „perspektivisch mögliche negative städtebaulichen Folgen“ zeitigen würden.

Diese nun empirisch belegte Offensichtlichkeit befähigte die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, dem Bezirk schließlich im September 2019 den Erlass der angestrebten Verordnung zu empfehlen. Anfang der Woche beschloss der Wandsbeker Planungsausschuss, am heutigen Donnerstagabend zieht die Bezirkversammlung nach. Voraussichtlich im Januar veröffentlicht die Justizbehörde dann die Verordnung im Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblatt, womit die Regelung in Kraft tritt.

Über allem steht das Recht

Das aufwendige Verfahren dient der Rechtssicherheit: Es soll die notwendigen Daten bereithalten und eine korrekte Abwägung des Fürs und Widers dokumentieren für den Fall, dass einzelne Investoren die Verordnung auf dem Klageweg zu Fall bringen wollen. Schließlich schränken die zusätzlichen Auflagen die Eigentümer von Immobilien in ihren Eigentumsrechten ein.