Hamburg. Truppe des Ballett-Punks Michael Clark eröffnet das Internationale Sommerfestival. Es gibt Applaus – obwohl manches rätselhaft bleibt.
„Politisch“ werde das Festival in den kommenden drei Wochen ausfallen, erklärt Amelie Deuflhard, Intendantin der Hamburger Kunstplattform Kampnagelfabrik, am Mittwochabend bei der Eröffnung im Garten. „Ganz in der Gegenwart und im Heute verortet.“ Ein zeitgerechter Anspruch auch an das diesjährige Internationale Sommerfestival der Einrichtung, das unter dem Motto „Mit Sicherheit unsicher“ steht.
Bis zum 27. August wollen Kreative unter anderem aus Argentinien und Burkina Faso für das entsprechende Programm aus Theater, Tanz, Musik, Film, Performance, Bildende Kunst und Theorie gleich an mehreren Orten der Stadt sorgen. Viel Beifall gibt es denn bald nach den Reden in der voll besetzten großen Halle K6, wo eine Truppe des britischen Ballett-Punks Michael Clark zum Einstieg ihre Tanzproduktion „To A Simple, Rock ‘N’ Roll ... Song“ als Deutschlandpremiere präsentiert.
Dabei wirkt die aus drei etwa 20-minütigen Akten bestehende Darbietung mit Musik von Erik Satie, Patti Smith und David Bowie zumindest vordergründig weniger politisch. Sondern eher als stark abstrahierende Auseinandersetzung eines Künstlers mit anderen Künstlern, die in eine Hommage an den 2016 verstorbenen Ausnahme-Popartisten David Bowie mündet.
Im zweiten Teil wird es aggressiv
Voller Präzision und Kraft bewegen sich Clarks acht Tänzerinnen und Tänzer in schlichten Trikots auf kahler Bühne. In wechselnden Formationen oder allein, streng und gravitätisch schreitend, in raumgreifenden, abgezirkelten Bewegungen und Sprüngen oder auch virtuos um sich selbst kreisend. Eine Fusion aus klassischem Ballett, Modern Dance und Pop-Elementen.
Zur langsam, aber unaufhaltsam pochenden Klaviermusik des für die Neue Musik einflussreichen Franzosen Satie (1866–1925) zeigt sich in Teil eins („Satie Studs/Ogives Composite“) der Hintergrund wechselnd in allen Farben des Regenbogens. Hier reflektiert der 55-jährige Clark – doch das dürfte vor allem Tanzinsidern erkennbar sein – über seine Mentoren Frederick Ashton, Merce Cunningham, John Cage und Yvonne Rainer. Und wie ausgehend von Saties Arbeit einige ihrer innovativsten Werke entstanden sind.
Aggressiver geht es im zweiten Teil („Land“) weiter zum Sound der Punk- und Rockmusikerin Smith (70). Und das nicht nur, weil die Interpreten nun schwarze Lederhosen mit Schlag tragen.
Vieles bleibt rätselhaft
Dabei dürfte eine Art wirres digitales Zahlenballett auf der Hintergrundleinwand Hektik und Verlorenheit unserer Zeit spiegeln. Die Mehrkanal-Videoinstallation ist eine Adaption der Arbeit „Painting by Numbers“ von 2010 des amerikanischen Künstlers Charles Atlas. „My mother, my dog and CLOWNS!“ betitelt ist nach der Pause der David Bowie (1947–2016) gewidmete Akt.
Zum Songtext „Something happened on the day he died“ wandert etwa eine Frau in schwarzem, weitem Anzug über die Bühne, ein androgynes Wesen, das später verschleiert wiederkommt. Beunruhigung scheint über dem Geschehen zu liegen, bei dem das Ensemble nun in orange schimmernden weltraumartigen Anzügen performt.
Rätselhaft bleibt vieles auch an dieser Hommage. Doch wer genau hinschaut und hinhört, vermag im Grenzen sprengenden Werk all der behandelten Avantgarde-Kreativen aus Tanz und Musik auch eine politische Wirkung auf die Gesellschaft.