Hamburg. Vonovia will seine Pflegesparte loswerden, zu der Hamburgs größter Betreiber Pflegen & Wohnen gehört. Was das für die Bewohner bedeutet.
Hamburgs größter Pflegeheimbetreiber Pflegen & Wohnen steht möglicherweise vor einem erneuten Eigentümerwechsel. Medienberichten zufolge will Deutschlands größter Wohnungskonzern Vonovia (Bochum) noch in diesem Jahr Immobilien im Wert von 1,5 Milliarden Euro verkaufen, und einen Großteil dieser Summe soll die Pflegesparte der Vonovia-Tochter Deutsche Wohnen einbringen. „Als Favoriten für einen Zuschlag werden in Finanzkreisen Investoren aus Asien gehandelt“, schreibt das „Handelsblatt“. Auch ein Staatsfonds zähle zu den Interessenten.
In dieser Pflegesparte ist Pflegen & Wohnen mit 13 Standorten in Hamburg, etwa 2400 Plätzen und knapp 2000 Mitarbeitenden einer der größten Player. Zudem gehören auch der Berliner Heimbetreiber Katharinenhof und die „Hamburger Senioren Domizile“ zu diesem Portfolio, die ebenfalls Pflegeheime in der Hansestadt betreiben. Ursprünglich sollte diese Sparte im Ganzen verkauft werden, doch weil das nicht erfolgreich war, sei nun ein Verkauf in Tranchen geplant, so das Handelsblatt. Insider gingen von einer „Verkaufsvereinbarung noch im Sommer“ aus.
Pflegen & Wohnen: Was wird aus Hamburgs größtem Heimbetreiber?
Vonovia ließ eine Anfrage des Abendblatts dazu unbeantwortet. Das Tochterunternehmen Deutsche Wohnen schrieb nur einen Satz zurück: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir Marktgerüchte grundsätzlich nicht kommentieren.“
Bei Pflegen & Wohnen weiß man natürlich um die Verkaufsabsichten der Mutterkonzerne, wollte diese aber ebenfalls nicht kommentieren. Geschäftsführerin Katja Lohmann gab sich zuversichtlich: „Pflegen & Wohnen Hamburg gibt es seit 1619, seit 2007 als privater Betreiber – es ist davon auszugehen, dass der größte, traditionsreichste und gleichzeitig innovativste Pflegeanbieter in Norddeutschland mit 13 Standorten in Hamburg auch zukünftig weiter Bestand hat.“
„Werk- und Zuchthaus“ war der Vorläufer von Pflegen & Wohnen
Die Jahreszahl 1619 bezieht sich auf die Gründung des „Werk- und Zuchthauses“ am südlichen Alsterufer. In diesem wurden seinerzeit außer Kriminellen auch verarmte Menschen untergebracht. Damit sei das Haus die erste Fürsorgeeinrichtung der Hansestadt gewesen, so Pflegen & Wohnen. Aus diesem Zweig entstand nach vielen Irrungen und Wirrungen 1991 der „Landesbetrieb Pflegen & Wohnen“.
Dieser wurde später in eine Anstalt öffentlichen Rechts umgewandelt, bevor der Heimbetrieb in eine „Betriebs GmbH“ ausgegliedert und vom damaligen CDU-Senat 2007 privatisiert wurde. Käufer waren die Berliner Vitanas Gruppe und die Franke Gruppe aus Hamburg, die damals 65 Millionen Euro überwiesen – allerdings blieben Verbindlichkeiten und Versorgungslasten der Anstalt in dreistelliger Millionenhöhe bei der Stadt.
Eigentümer von Pflegen & Wohnen wechselten mehrfach
Nach einer Neubau- und Moderinisierungsoffensive wurde das Pflegeunternehmen zehn Jahre später an den US-Investor Oaktree verkauft. Nur ein Jahr später reichte dieser den Heimbetreiber an die einst von der Deutschen Bank gegründete Deutsche Wohnen weiter, die wiederum 2021 von Vonovia geschluckt wurde.
Die Pflegeheimsparte mit Pflegen & Wohnen sei dabei nur „Beifang“ gewesen, erinnert sich Arnold Rekittke, stellvertretender Landesfachbereichsleiter bei Ver.di Hamburg. Deutschlands größter Wohnungskonzern habe daher seitdem schon mehrfach kommuniziert, dass man sich von dieser Sparte trennen wolle. „Aber offensichtlich finden sie bislang niemanden für alle 70 Heime bundesweit, daher sollen diese jetzt anscheinend in Tranchen verkauft werden“, so Rekittke.
Ver.di: Tarifvertrag schützt Personal bei Pflegen & Wohnen
„Sorgen um Pflegen & Wohnen mache ich mir deswegen aber nicht: Pflegen & Wohnen hat schon mehrere Eigentümerwechsel schadlos überstanden, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind durch einen der besten Tarifverträge Deutschlands, welchen sie sich erstreikt haben, geschützt.“ Darüber hinaus sei das Unternehmen eine in Hamburg seit Jahrhunderten etablierte Marke und profitabel.
Hinzu kommt eine Besonderheit: „Die Grundstücke, auf denen die Heime stehen, dürfen nicht für andere Zwecke als Pflege genutzt werden“, so Rekittke. Tatsächlich hatte schon der CDU-Senat die Privatisierung 2007 an Auflagen geknüpft: Eine lautete, dass für die Heime eine „Verpflichtung zur Standorterhaltung über 20 Jahre“ galt. Auch die Zweckbestimmung der Pflegegrundstücke wurde damals auf 20 Jahre im Grundbuch gesichert. Beide Regelungen würden demnach Ende 2026 auslaufen.
B-Pläne sollen Spekulation mit Pflege-Grundstücken verhindern
Allerdings kam es 2011 bekanntlich zum Regierungswechsel zurück zur SPD: Diese hatte die Privatisierung abgelehnt und zeigte sich 2017 vom Weiterverkauf an Oaktree noch weniger begeistert. Auf Antrag der rot-grünen Mehrheit in der Bürgerschaft veranlasste Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) eine Veränderung der Bebauungspläne, „die ausschließlich eine Nutzung der Grundstücke als Standorte für Alten- und Pflegeeinrichtungen gestatten“.
Das sollte Spekulation oder zum Beispiel einer Umwandlung der Standorte in Eigentumswohnungen einen Riegel vorschieben. Denn die wertvollen Grundstücke, insgesamt fast 20 Hektar, waren stets getrennt von der Betriebs GmbH verkauft worden, weswegen Pflegen & Wohnen nur Mieter seiner Immobilien ist.
Linkspartei: Pflegeheime dürfen kein Spekulationsobjekt werden
Die Linkspartei betrachtet die unsteten Eigentümerverhältnisse bei Hamburgs größtem Pflegeheimbetreiber daher weiter mit Sorge: „Wir haben die Privatisierung von Pflegen & Wohnen immer kritisch gesehen und davor gewarnt, dass das Unternehmen zu einem Spielball der Investoren wird“, sagte ihr Gesundheitsexperte Deniz Celik dem Abendblatt. „Diese sind naturgemäß mehr an Rendite interessiert als an der bedarfsgerechten Versorgung pflegebedürftiger Menschen. Es darf nicht sein, dass Pflegeeinrichtungen zum Spekulationsobjekt werden.“
- Öffentlicher Dienst in Hamburg: Was Mitarbeiter verdienen
- HHLA, UKE, HPA: Das verdient man in öffentlichen Unternehmen
- Hamburgs neuer Rekordhaushalt: Mehr Lehrer, mehr Polizei, mehr Baustellen
Sollte es jetzt erneut zu einem Verkauf kommen, „würde das natürlich für Verunsicherung bei den Mitarbeitenden und den Bewohnerinnen und Bewohnern führen – weil ja niemand weiß, was ein neuer Investor vorhat“, glaubt Celik. Diese Situation biete „erneut die Chance, dass die Stadt die Heime wieder übernimmt und so die Arbeitsplätze sichert und die Qualität der Pflege sicherstellt“.
Diese Chance gab es 2017 vor dem Verkauf an Oaktree schon einmal. Damals lehnte Rot-Grün einen Antrag der Linken auf Rekommunalisierung aber ab. Und heute? „Der Sozialbehörde ist bewusst, dass das Marktumfeld für Pflegeimmobilien und -betriebe schwieriger geworden ist“, hieß es aus der zuständigen Behörde. Man „beobachte“ die Entwicklung, gehe aber davon aus, dass Pflegen & Wohnen „für potenzielle Investoren attraktiv ist“.