Hamburg. Wie Ex-Fußballnationalspieler Lukas Podolski in TV-Spots seinen Auftraggeber auf den Arm nimmt – und was im Sortiment weiter fehlen wird.
Wohl nur eine Minderheit der Hamburgerinnen und Hamburger wird wissen, wer hinter dem Onlinehändler Galaxus steht – oder dass er sein Deutschland-Geschäft von Ottensen aus führt. Im September steht für die rund 60 Beschäftigten des Hamburger Büros jedoch ein Umzug ihres Arbeitsplatzes in den Falkenried-Komplex nahe der Hoheluftbrücke an.
Im vergangenen Jahr hat Galaxus den Umsatz in Deutschland zwar um beeindruckende 57 Prozent gesteigert; damit rückt man nicht nur räumlich ein kleines Stück näher an die Otto Group aus Bramfeld heran. Doch in absoluten Zahlen gemessen ist Galaxus mit einem Umsatz von 286 Millionen Euro noch weit von den „Top 10“ des deutschen Marktes entfernt. Zum Vergleich: Die Otto Group kommt im Inland auf ein Bruttohandelsvolumen von knapp 8,5 Milliarden Euro, Amazon schafft sogar fast 35 Milliarden Euro.
Aber es soll ja weiter aufwärts gehen bei Galaxus, einer Tochterfirma des genossenschaftlich organisierten Schweizer Einzelhandelskonzerns Migros. „Mit dem Umzug wollen wir Raum für weiteres Wachstum schaffen – denn das ist der klare Plan“, sagt Galaxus-Manager Jan Wentrot. „Es geht aber auch darum, dass wir uns mit einer zeitgemäßen Bürogestaltung, mit Gemeinschaftsflächen und Rückzugsorten etwa für Telefonate, als attraktiver Arbeitgeber präsentieren können.“
Otto-Konkurrent: Was Onlinehändler Galaxus in Hamburg vorhat
Wentrot, der früher für Philips tätig war, hat das Deutschland-Geschäft mit aufgebaut: „Ich war im Jahr 2018 einer der ersten Mitarbeitenden bei Galaxus in Hamburg.“ Er ist außerdem gewissermaßen der ranghöchste Manager des Büros. Denn Wentrot ist einer der firmenweit drei Verantwortlichen für jeweils einen Galaxus-Produktbereich. In seinem Fall ist es der Bereich „Home & Garden“, die beiden anderen Produktgruppen sind „IT & Electronics“ sowie „FMCG & Lifestyle“. Hinter der Abkürzung FMCG verbergen sich Konsumgüter des täglichen Bedarfs wie etwa Wasch- und Putzmittel.
Einen Deutschland-Chef gibt es seit 2021 nicht mehr. Man könnte meinen, die Konzernoberen in der Schweiz hätten sich den Posten schlicht gespart. Wentrot nennt eine andere Erklärung: „Wir arbeiten länderübergreifend – Beschäftigte hier in Hamburg sind mit ihren jeweiligen Aufgaben durchaus auch für das Geschäft in der Schweiz tätig und umgekehrt.“
In dem Büro an der Schützenstraße sind keineswegs nur Onlinehandelsspezialisten beschäftigt, sondern zum Beispiel auch Redakteurinnen und Redakteure. Denn Galaxus betreibt ein eigenes Onlinemagazin. „Darin stellen wir redaktionell Produkte vor, es geht aber auch um allgemeine Techniknachrichten und um Ratgeberthemen“, sagt Wentrot. „Außerdem haben wir eine sehr aktive Community, die in einem Forum untereinander Erfahrungen austauscht. Das ist ein großer Vorteil für uns, weil wir Anregungen erhalten.“
Für die Produkte werden jetzt Garantiefall- und Retourenquoten angezeigt
Aus der Community kam auch der Anstoß dafür, Garantiefall- und Retourenquoten für Produkte anzuzeigen. Das war sogar eine Weltpremiere in der Branche. Seit gut einem Jahr verkauft Galaxus nicht mehr nur Produkte auf eigene Rechnung, sondern fungiert daneben als Onlinemarktplatz für Drittanbieter – was bei Wettbewerbern längst üblich ist. „Das hilft uns, unser Ziel zu erreichen, nach und nach einen möglichst großen Anteil der Produkte anzubieten, die für unsere Kundinnen und Kunden von Nutzen sein können“, erklärt Wentrot. „Wir sind aber kein offener Marktplatz, sondern beschränken uns auf verlässliche Partner mit sinnvollen Produkten.“
Zudem soll es bei Galaxus auch gar nicht wirklich alles geben: „Bekleidung, insbesondere ‚Fast Fashion‘, fokussieren wir nicht. Es gibt Wettbewerber, die sich darauf spezialisiert haben und auf diesem Gebiet schon sehr gut sind.“ Damit dürften nicht zuletzt asiatische Onlinehändler wie Temu oder Shein gemeint sein. Galaxus setzt sich auch darin von etlichen Wettbewerbern ab, dass man die Logistik nicht ausgelagert, sondern bisher zwei eigene Logistikzentren in Krefeld aufgebaut hat.
Das Ziel: In Deutschland zu den „Top 5“ des Marktes zu gehören
Immer wieder ist von dem Ziel die Rede, unter die „Top 5“ des Marktes in Deutschland zu kommen. Dafür müsste aber das Geschäftsvolumen deutlich in den Milliardenbereich steigen. „Das ist sicher ein ambitioniertes Ziel“, räumt Wentrot ein. Allerdings hat Galaxus in den ersten Jahren in Deutschland auch erst einiges über diesen speziellen Markt lernen müssen. „Kundinnen und Kunden in Deutschland sind in mancher Hinsicht besonders anspruchsvoll“, so Wentrot. „Es wird hier zum Beispiel anteilig deutlich mehr zurückgesendet als in anderen europäischen Ländern.“
Nachdem sich Galaxus auf diese Besonderheiten eingestellt hat, sollen nun größere Wachstumssprünge drin sein. Dabei soll eine zur Fußballeuropameisterschaft gestartete TV-Kampagne mit dem ehemaligen Nationalspieler Lukas Podolski helfen. „Wir sehen, dass sich das positiv auswirkt“, berichtet Wentrot.
Otto-Konkurrent: Massive Verluste in Deutschland machen die Konzernspitze nachdenklich
Allerdings geht der Weltmeister-Kicker Podolski in den Werbespots durchaus ironisch mit dem noch immer überschaubaren Bekanntheitsgrad des Auftraggebers um. So fragt er in einem der Spots das Filmteam, warum man den Zuschauern immer nur ihn zeige und nicht einfach das Firmenlogo: „Mich kennen die – euch nicht.“ Werbung, in der sich Galaxus ein wenig selbst auf den Arm nehme, sei „nicht untypisch“ für das Unternehmen, sagt Wentrot dazu: „Das wirkt authentisch und kommt beim Publikum gut an.“
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Dagegen kommen die massiven Verluste, die der Onlinehändler in Deutschland noch immer schreibt, bei der Migros-Generaldirektion gar nicht gut an. „Wir diskutieren im Moment sehr stark, in welchem Ausmaß wir uns dort weiter engagieren“, hatte Migros-Chef Mario Irminger im März gesagt.
Jan Wentrot sieht die Zukunft des Deutschland-Geschäfts damit aber nicht infrage gestellt. „Die Entscheidung der Konzernzentrale, ein drittes Logistikzentrum in Deutschland in Neuenburg am Rhein zu errichten, ist für uns ein klares Signal, dass man in diesen Markt weiter investieren wird“, sagt er. Nur: Der ausgewählte Standort liegt wenige Kilometer von der Schweizer Grenze entfernt, könnte also auch sehr gut den Heimatmarkt bedienen.