Hamburg. 140 Unternehmen sind in dem Emirat aktiv. Hapag-Lloyd hat einen Großaktionär von dort, Airbus streitet mit einem Großkunden.
„Al Rihla“ heißt der diesjährige Spielball der Fußball-Weltmeisterschaft. Das ist arabisch und bedeutet „Die Reise“. Eben jene startete für „Al Rihla“ in Pakistan. Denn dort lässt Hersteller Adidas das Spielgerät fertigen. Der Weg in das Gastgeberland für „Al Rihla“ lag auch in der Hand von Hamburgern. „Wir sind einer von mehreren Transporteuren des WM-Fußballs“, sagt Hapag-Lloyd-Sprecher Nils Haupt.
Handel: Was Katar für Hamburger Firmen interessant macht
Viermal in der Woche bedient die Traditionsreederei mit Sitz am Ballindamm mit einem ihrer Dienste Katar. Transportiert werden pro Jahr etwa 40.000 Standardcontainer im Import und 20.000 Boxen im Export. Bezogen auf die 11,9 Millionen Container Transportvolumen, die Hapag-Lloyd jährlich schafft, ist das zwar genauso ein Bruchteil wie die zehn Beschäftigten vor Ort im Verhältnis zu den 14.500 Mitarbeitern weltweit – aber dennoch gibt es zu dem Emirat eine wichtige Geschäftsbeziehung.
Die Qatar Investment Authority (QIA) ist mit 12,3 Prozent der viertgrößte Anteilseigner des börsennotierten Unternehmens. Auch bei anderen namhaften deutschen Unternehmen wie Volkswagen, Siemens, Deutsche Bank und RWE stieg die QIA ein. Die Gewinne aus dem Erdöl- und Erdgasgeschäft machen diese Investments möglich, mit denen sich Katar für die Zeit nach der fossilen Energie rüsten will. Der Einstieg bei Hapag-Lloyd erfolgte allerdings im Zuge der Fusion der Hamburger mit der United Arab Shipping Company (UASC) im Mai 2017. „Das Verhältnis ist ausgezeichnet“, sagt Haupt über den Gesellschafter.
140 Firmen mit Sitz in Hamburg sind in Katar aktiv
Die Handelskammer geht von insgesamt rund 140 Firmen mit Sitz in der Hansestadt aus, die in dem Golfstaat aktiv sind. Konkret heißt das, dass sie Beziehungen dorthin bei der Kammer zu irgendeinem Zeitpunkt einmal angegeben haben. Es können aktuell also weniger, aber auch mehr sein. Schließlich sind die Unternehmen nicht gezwungen, sich bei der Wirtschaftsvertretung zu melden.
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Der überwiegende Teil von ihnen ist im Export tätig, führt also Güter von Hamburg nach Katar aus. „Katar läuft ebenso wie die Vereinigten Arabischen Emirate als Geschäftsstandort gut. Die Kataris sind sehr aufs Geschäft fokussiert und bieten ein stabiles und damit verlässliches regulatives Umfeld“, sagt Doris Hillger, Leiterin des Bereichs Außenwirtschaft bei der Handelskammer.
Katar ist für Hersteller von Luxusartikeln interessant
Katar erstreckt sich von Norden nach Süden über 180 Kilometer und ist rund 80 Kilometer breit. In dem Staat leben knapp drei Millionen Einwohner, von denen allerdings nur etwa zehn Prozent Einheimische sind. Entsprechend ist das Land eigentlich kein großer Absatzmarkt – seine Bodenschätze mit großen Mengen an Erdöl und vor allem Erdgas machen es aber wirtschaftlich attraktiv.
„Katar ist für Branchen wie Konsumgüter, insbesondere Luxusartikel, grundsätzlich interessant, weil die einheimische Bevölkerung aufgrund des Rohstoffreichtums über ein hohes Einkommen verfügt“, sagt Hillger. Laut des Statistischen Bundesamtes betrug das Nationaleinkommen je Einwohner im vergangenen Jahr 57.120 US-Dollar (etwa 54.880 Euro) – rund 6000 Dollar mehr als in Deutschland.
Luxusgüterhersteller wie Montblanc bietet Katar daher gute Chancen, seine Uhren, Füller, Taschen und Accessoires zu verkaufen. Laut Internetseite unterhält das Luruper Unternehmen vier Geschäfte in dem Land. Steinway & Sons führt auf seiner Internetseite eine Steinway Piano Gallery in Doha auf. Dabei handele es sich aber nicht um ein eigenes Geschäft, sondern um einen kleinen unabhängigen Klavierhändler, der gegebenenfalls auch Steinway vermittle, heißt es von dem Bahrenfelder Flügelbauer. Weitere Angaben zum Geschäftsverlauf in dem Land machten auf Anfrage weder Montblanc noch Steinway & Sons.
Viele Hamburger Firmen sind in der Golfstaaten-Region bereits gut vernetzt
Auch das Projektgeschäft mit der Planung und dem Bau von Infrastruktur und Einkaufszentren sei interessant, sagt Hillger. Medizintechnik sei in der Gesundheitswirtschaft gefragt, die auch dank der Expats (aus dem Ausland Zugewanderte) als eine der besten im Nahen Osten gilt und zuletzt kräftig ausgebaut wurde. Zudem könnten Maschinenbauer ihre Anlagen dorthin verkaufen, im Bildungsbereich könnte es Kooperationen von Universitäten geben.
Viele Hamburger Firmen seien in der Golfstaaten-Region bereits gut vernetzt, so Hillger. Einen Boom an Anfragen habe es aber weder durch die WM-Vergabe 2010 nach Katar noch durch den Beginn des Turniers bei der Handelskammer gegeben. Das könnte auch an der umstrittenen politischen Situation des Landes liegen. Im Westen wird vor allem die schlechte Menschenrechtslage angeprangert. In der Region war der Staat jahrelang isoliert, weil ihm Terrorunterstützung und zu enge Beziehungen zum schiitischen Iran vorgeworfen wurden – beide teilen sich das größte bisher gefundene Erdgasfeld der Welt.
Katar in der Außenhandelsbilanz Hamburgs auf Platz 46
Im vergangenen Jahr nahm Katar in der Außenhandelsbilanz Hamburgs Platz 46 ein. Für 324 Millionen Euro wurden Güter an der Elbe eingeführt. „Zu 99 Prozent handelt es sich dabei um Mineralöle und Kokereiprodukte“, sagt Hillger. Zukünftig soll zumindest deutschlandweit der Import von Flüssigerdgas wichtiger werden. Bereits im Frühjahr unterzeichnete Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eine entsprechende Absichtserklärung, um von russischem Gas unabhängiger zu werden.
Doch ein Vertrag ist bisher nicht zustande gekommen. Ob der Energiesektor dauerhaft geeignet ist, um sich in der Region zu engagieren, bezweifelt Hillger: „Hamburg will in Zukunft auf Wasserstoff setzen und sich als Importhub positionieren. Dabei stehen jene Länder im Fokus, die beim Umstieg auf erneuerbare Energien vorangehen.“
Der Export fiel mit einem Gegenwert von 22 Millionen Euro im vergangenen Jahr gering aus. In der Vergangenheit ragt das Jahr 2014 mit 488 Millionen Euro heraus. Für solche Spitzen in der Außenhandelsbilanz ist in der Elbmetropole normalerweise Airbus zuständig – und Qatar Airways erhielt in dem Jahr auf Finkenwerder seine ersten Exemplare des mittlerweile eingestellten A380.
Qatar Airways betrieb einst eine reine Airbus-Flotte
Die katarische Fluglinie gehörte lange Zeit zu den wichtigsten Kunden des DAX-Konzerns für Langstreckenflieger und betrieb einst eine reine Airbus-Flotte. Doch in den vergangenen Monaten ist das Verhältnis zwischen beiden Seiten abgekühlt. Mittlerweile herrscht Eiszeit, und man streitet sich vor Gericht. Auslöser dafür sind Probleme beim Großraumjet A350. Ende 2014 erhielt die Fluggesellschaft in Toulouse als erste Airline weltweit das erste Exemplar des Langstreckenjets überhaupt. 52 weitere folgten in den Jahren – bis sich die Fluglinie im Juni 2021 weigerte, weitere Maschinen abzunehmen.
Die Airline moniert einen zu schnellen Verschleiß der Oberflächenbeschichtung am Rumpf. Dadurch könne es zu Rissen im Verbundwerkstoff kommen und zu einer Verschlechterung des Blitzschutzes. Die Sicherheit des Flugzeuges sei daher nicht mehr gewährleistet. Die katarische Luftsicherheitsbehörde habe das Grounding – also am Boden-stehen-Lassen – von mehreren Maschinen angeordnet, so Qatar Airways.
Qatar-Airways-Chef Akbar Al Baker gilt als Mann der lauten Töne
Andere Kontrollinstanzen teilen diese Einschätzung nicht. Die europäische Aufsichtsbehörde EASA beschäftigt sich nach eigenen Angaben seit Ende 2020 mit dem Problem. Mitarbeiter hätten sich die vorliegenden Daten angeschaut und einige betroffene Flugzeuge selbst untersucht. Man habe aber keine Hinweise darauf gefunden, dass eine Verschlechterung der Lackierung die Flugzeugstruktur beeinträchtige oder andere Risiken mit sich bringe, so die EASA. Darauf beruft sich auch Airbus. Man sehe keine Auswirkungen auf die Lufttüchtigkeit der katarischen Flugzeuge oder der A350-Flotte insgesamt, die ein technisches Hindernis für den Weiterbetrieb darstellen würden, so ein Sprecher.
Versuche einer gütlichen Einigung scheiterten. Kurz vor Weihnachten 2021 reichte Qatar Airways in London Schadenersatzklage gegen Airbus ein. Es geht um mehr als eine halbe Milliarde Euro. Der Rechtsstreit läuft noch. Airbus sieht seinen guten Ruf bedroht. Im Januar kündigte der DAX-Konzern von sich aus einen Auftrag über 50 A321-Flieger, die vor allem in Hamburg endmontiert werden.
Ein extrem seltener Vorgang: Normalerweise werden Stornierungen nur von Airlines, aber nicht von Herstellern vorgenommen. Im Sommer cancelte der Flugzeugbauer dann auch den Vertrag über die restlichen 19 A350-1000 (Langversionen), die von Qatar noch im Auftragsbuch standen – einst war die Airline der größte Besteller des A350.
Qatar-Airways-Chef Akbar Al Baker gilt in der Branche als Mann der lauten Töne und als äußerst streitbar. Quasi aus dem Nichts baute er – auch mithilfe der insgesamt 143 ausgelieferten Airbus-Maschinen – in den vergangenen Jahren eine international anerkannte Airline auf, die alle sechs Kontinente anfliegt und regelmäßig als beste Airline der Welt gekürt wird. Es ist eine Aufstiegsgeschichte, die exemplarisch für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes steht.