Hamburg. Der Hamburger Traditionsbetrieb mit knapp 100 Filialen gehört seit 2022 zu Edeka Nord. Die Folgen sind bereits jetzt sichtbar.

Sajjad Hosseini hat gerade einen Cappuccino in Arbeit. Neben ihm steht seine Schwester Morsal hinter dem Verkaufstresen und bedient eine Kundin, der Croissants und Brötchen zum Mitnehmen kauft. Vieles hat sich verändert in der Nur-Hier-Bäckerei an der Bismarckstraße. Nach längerem Umbau hat der Standort in Hoheluft-West vor einigen Wochen neu eröffnet. Mit hellem Holz und Naturstein, Glas, Stahl und viel Weiß. An der Wand sind Brote auf Stäben drapiert, fast wie ein Kunstwerk. Nicht wenige Stammkunden der Bäckereikette reiben sich erstaunt die Augen. „Wir haben jetzt auch ein großes Frühstücksangebot“, sagt Pächter Hosseini und lächelt.

Seine Filiale ist eine von zwei in Hamburg, in denen Nur Hier ein neues Ladenkonzept umsetzt. „Wir wollen weg von der klassischen Bäckerei hin zu einem großstädtischem Coffeeshop“, sagt Peyman Shojaei. Er ist als Geschäftsbereichsleiter für Vertrieb und Marketing der Bäckereikette zuständig, die seit vergangenem Frühjahr zu Edeka Nord gehört. „Nur Hier. Für dich“ nennt der Lebensmittelhändler die Neuausrichtung. Dafür wurde das klassische Nur-Hier-Sortiment reduziert und mit – ausgewählten und tendenziell teureren – Spezialitäten ergänzt. Im Fokus stehen dabei vor allem jüngere Kunden und weibliche. Genau die, die in dem Stadtteil wohnen. Parallel zur Filiale in der Bismarckstraße hat auch der Standort am Klosterstern neu eröffnet. Dort darf jetzt auch Alkohol ausgeschenkt werden. Weitere sollen im Lauf des Jahres folgen.

Sortiment bei Nur Hier hat sich erweitert

Sajjad Hosseini hat schon mehrere Nur-Hier-Filialen als Pächter betrieben. „Als ich von dem neuen Konzept gehört habe, wollte ich unbedingt dabei sein“, sagt er. In seinem Familienbetrieb – neben seiner Mutter und Schwester arbeitet auch seine Ehefrau an der Bismarckstraße mit – sind Laugenstangen, Brioche-Brötchen und Schokomuffins in der Glastheke drapiert. Es gibt gelegte Bagel mit Lachs, Salat mit Couscous oder Algen und Apfel-Streusel-Törtchen. Im Regal liegen Dinkelbrot und Körnerbrötchen, auch Klassiker wie Kiezkrüstchen und Elbkrossis sind im Angebot. Der Kaffee kommt von einer kleinen Hamburger Rösterei.

Und wo ist die Espressomaschine? Der 27-Jährige lächelt und zeigt auf den gefliesten Tresen. „Darunter ist alles eingebaut. Das Konzept kommt aus Italien“, sagt er und füllt die nächste Portion frisch gemahlenen Kaffee in den Siebträger auf der Oberfläche. „Unsere Kunden finden das richtig gut. Es gab schon einige, die Fotos machen wollten.“

Der Modernisierungsschub bei Nur Hier kommt nicht von ungefähr. Der Traditionsbäcker, 1932 in Lokstedt gegründet, hat eine wechselhafte Geschichte und wechselte schon mehrfach den Eigentümer. Nachdem der Backkonzern Kamps aus Düsseldorf Nur Hier 1996 im Zuge seiner Expansionsstrategie übernommen und alle Geschäfte auf die eigene Marke umgestellt hatte, war der Name sogar mehr als ein Jahrzehnt aus dem Stadtbild verschwunden. 2010 dann die Kehrtwende. Nachdem Großbäcker Kamps verkauft worden war, erwarb die schleswig-holsteinische Bäckerfamilie von Allwörden Nur Hier. Die Standorte wurden wieder umfirmiert.

Edeka will die Backsparte ausbauen und weitere Standorte eröffnen

Im vergangenen Frühjahr hat Edeka Nord, das zunächst mit 45 Prozent an dem Unternehmen beteiligt war, das wirtschaftlich angeschlagene Bäckerei-Unternehmen von Allwörden mit 2500 Beschäftigten komplett übernommen. Seitdem ist Nur Hier wie Allwörden, Knaack und Dallmeyers Backhus eine Marke der Backsparte von Edeka Nord. „Wir leben von der Markenvielfalt“, sagt Geschäftsbereichsleiter Shojaei, der für alle 450 Bäckerei-Standorte von Edeka Nord in Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern zuständig ist. Produziert wird für alle Marken weiterhin zumeist in der ehemaligen Allwörden-Bäckerei in Mölln. 16.000 Brote und 36 Sorten am Tag, dazu Brötchen-Teiglinge, Snacks und Kuchen. In der kleineren ehemaligen Knaack-Bäckerei in Groß Grönau bei Lübeck werden weitere 8000 Brote gebacken.

Edeka Nord will die Backsparte den Angaben zufolge ausbauen und weitere Bäckerei-Standorte eröffnen. Parallel treibt die Großhandlung die Modernisierung voran. „Wir haben seit der Übernahme im vergangenen Jahr zusätzliche Beschäftigte eingestellt“, sagt Peyman Shojaei. Unter anderem werden aktuell Arbeitskräfte von den Philippinen in den Filialen und in der Bäckerei ausgebildet und dort auch eingearbeitet. Zu konkreten Umsatzzahlen äußert sich Edeka Nord nicht. „Das Geschäft läuft“, sagt Shojaei und spricht von Zuwächsen bei Erlösen und Kundenzahlen.

Neue Filialen von Nur Hier sind geplant

Für dieses Jahr ist der Umbau von vier weiteren Nur-Hier-Filialen nach dem neuen Konzept geplant. Die konkreten Standorte möchte Geschäftsbereichsleiter Shojaei noch nicht nennen. „Es ist klar, dass es nicht überall passt, sondern vor allem in Innenstadtbereichen“, sagt er. Auch für 2024 sind weitere Neueröffnungen vorgesehen.

Pächter Hosseini ist mit seinem neuen Laden an der Bismarckstraße zufrieden. „Die Resonanz ist positiv, die Umsätze liegen über Plan“, sagt er. Der junge Unternehmer hat inzwischen seine Filialen im Meienweg, an der Grindelallee und in Elmshorn abgegeben und betreibt nur noch einen weiteren Standort beim Baumarkt Obi in Altona. „Ich will mich mehr konzentrieren“, sagt er. Es gibt auch noch einen weiteren Grund: Hosseini wird in Juni zum ersten Mal Vater.