Hamburg. Bernd Aufderheide spricht im Abendblatt über das G-20-Treffen, neue Veranstaltungspläne und die Geschäftszahlen für das laufende Jahr.

Das Aus für die Computermesse CeBIT in Hannover hat viele überrascht. Bernd Aufderheide allerdings nicht. Im Abendblatt-Interview erklärt der Hamburger Messe-Chef, warum Messen nur begrenzte Lebenszyklen haben, wie ihm die ausländischen Staatschefs für den G-20-Gipfel dankten und welche Veranstaltungen er demnächst plant.

Vor zehn Jahren haben Sie die erweiterte Messe in Betrieb genommen. Seitdem wurden bekannte Messen wie Du und Deine Welt und die Hanseboot eingestellt. Hat sich die Erweiterung überhaupt gelohnt?

Bernd Aufderheide: Wenn wir das nicht gemacht hätten, würden wir heute nicht so gut dastehen. Es war ja nicht nur eine Erweiterung, sondern vor allem ein Umbau der Messehallen, ohne den unsere großen Leitmessen wie die WindEnergy und die Schiffbaumesse SMM gar nicht mehr denkbar wären. Das lässt sich auch quantifizieren. 2005 lag unser Umsatz bei 48 Millionen Euro. 2016 hat er sich auf mehr als 100 Millionen verdoppelt. Die Erweiterung hat sich also nicht nur gelohnt, sie war sogar notwendig. Und zu den Einstellungen: Wie jedes Produkt haben auch Messen Lebenszy­klen. Die Messe Du und Deine Welt hatte ihren Zenit einfach überschritten.

Über die Hanseboot haben Sie auch gesagt, sie sei nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben. Nun veranstaltet die Messe Friedrichshafen in Hamburg alternativ die Boatshow – mit Erfolg. Haben Sie sich verrechnet?

Aufderheide: Nein. Da reden wir über unterschiedliche Konzepte. Wir hatten in den vergangenen Jahren bei der Hanseboot sehr viel Geld zugeschossen und zwar so viel, dass wir, aber auch unsere Gesellschafter, die Frage aufwarfen, ob es nicht besser wäre, das Geld in andere Projekte zu investieren. Wir haben dann dem Deutschen Boots- und Schiffbauerverband sehr frühzeitig gesagt, dass wir uns zurückziehen werden. Als der Verband selbst eine Messe organisieren wollte, haben wir ihm geraten, bei der Messe Friedrichshafen anzuklopfen, ob die bereit sei, einzusteigen. Und so haben wir, wie ich finde, eine sehr gute Lösung in einem Dreierverbund gefunden. Der Verband ist der Veranstalter, die Messe Friedrichshafen macht die Projektsteuerung, wir sorgen für die Logistik und stellen die Hallen zur Verfügung – und verdienen so an der Veranstaltung wieder Geld.

Gibt es eine neue Messe, die Sie bald in Hamburg präsentieren werden?

Aufderheide: Wir machen im nächsten Jahr eine neue Veranstaltung zum Thema Physiotherapie. Das ist ein schnell wachsender Markt. Das Besondere an dieser Messe ist, dass wir sie mit Leipzig zusammen durchführen. In der sächsischen Stadt läuft dieses Format bereits seit einigen Jahren erfolgreich – mit regionalem Fachpublikum. Die Kooperation sieht vor, dass Aussteller in Leipzig auch gleich für Hamburg mitbuchen können, um sich dem Fachpublikum im Norden zu präsentieren.

Mit diesem Anhänger bedankte sich Donald Trump für den G-20-Gipfel.
Mit diesem Anhänger bedankte sich Donald Trump für den G-20-Gipfel. © Unbekannt | Bernd Aufderheide

Sie sagen, Du und Deine Welt habe sich überlebt. Glauben Sie, dass eine Publikumsmesse, die von der ganzen Familie besucht wird, noch Chancen hat? Oder haben sich solche Events überlebt?

Aufderheide: Wann geht man noch mit der ganzen Familie auf eine Messe? Das erleben wir eigentlich heute nicht mehr. Da haben sich die Gewohnheiten geändert. Das Hauptproblem der Messe Du und Deine Welt war aber, dass sie kein konkretes Thema hatte. Das war ein Gemischtwarenladen für alles. Und so etwas spricht die Besucher aus der Amazon-Generation nicht mehr an. Hingegen sind Pu­blikumsveranstaltungen wie die Hanse-Pferd, die Reisemesse, die Hamburger Motorradtage oder die Hochzeitstage ein voller Erfolg.

Die Digitalisierung betrifft aber alle.

Aufderheide: Genau, und darum wollen wir in diesem Bereich auch ein neues Messeformat auf die Beine stellen. Da passiert in dieser Stadt viel, sei es im Amt für Medien, bei Hamburg@work oder in der Start-up-Szene. Und das ist tatsächlich ein Thema, das viele Lebensbereiche berührt. Virtual Reality spielt zum Beispiel bei Spieleentwicklern eine große Rolle, ist aber auch in der Medizin zunehmend wichtig. Kurz: Da wollen wir uns mehr engagieren. Erste Gespräche haben schon stattgefunden.

Das hört sich alles irgendwie kleinteilig an. Hamburg ist die zweitgrößte Stadt des Landes. Brauchen wir da nicht mehr Leitmessen am Standort?

Aufderheide: Wir haben die weltgrößte Schiffbaumesse, wir haben die WindEnergy, wir präsentieren mit der Internorga Europas wichtigste Gastronomiemesse. Größe ist aber letztlich nicht immer entscheidend. Wichtig ist, dass die Messe vom internationalen Publikum gut angenommen wird. Nehmen Sie zum Beispiel die Aircraft Interiors Expo. Das ist die weltweit führende Messe für den Kabinenausbau und unverzichtbar für die Luftfahrtzulieferer.

Die WindEnergy ist in diesem Jahr gegenüber 2016 aber nicht gewachsen.

Aufderheide: Der Markt ist einem starken Konzentrationsprozess ausgesetzt. Siemens ist mit Gamesa zusammengegangen, General Electric mit Alstom, da sind uns mit einem Schlag 2000 Quadratmeter Ausstellungsfläche weggebrochen. Das konnten wir allerdings wieder ausgleichen, indem wir Suzlon aus Indien für uns gewinnen konnten. Die WindEnergy ist nicht gewachsen, sie hat aber ihre Ausstellungsfläche gehalten. Und das ist angesichts der Branchenlage eine starke Leistung. Die Aussteller waren zufriedener denn je.

Wie ist denn das Geschäftsjahr 2018 betriebswirtschaftlich gelaufen?

Aufderheide: Wir werden voraussichtlich einen Umsatz von etwas mehr als 100 Millionen Euro verzeichnen. Unter dem Strich wird wohl ein Minus von vier bis fünf Millionen Euro stehen.

Kann die Messe sich – mit Blick auf den Verlust – nicht selbst tragen? Muss die Stadt das Defizit stets ausgleichen?

Aufderheide: Ich halte diese ganze Diskussion für verfehlt. Am Ende ist eine Messe Wirtschaftsförderung. Nicht nur, dass wir der Stadt etwa 700.000 Hotelübernachtungen im Jahr verschaffen. Wir setzen zudem wichtige Impulse für die Unternehmen der Stadt.

Die Vorderseite zeigt das Siegel des
US-Präsidenten.
Die Vorderseite zeigt das Siegel des US-Präsidenten. © Unbekannt | Bernd Aufderheide

Ist das Internet eine Konkurrenz zur Messe geworden? Die Leute können sich ja alle virtuell treffen und müssen gar nicht erst anreisen.

Aufderheide: Nein, das können wir eigentlich nicht feststellen. Nehmen sie das Online-Marketing-Rockstars-Festival, dessen Teilnehmer dürften doch eigentlich nur digital unterwegs sein. Die Veranstaltung hat aber einen riesigen Zuspruch. Die Erfinder haben mal mit 1500 Besuchern auf Kampnagel angefangen. Jetzt waren sie bereits dreimal bei uns in der Messe zu Gast, zuletzt mit 40.000 Besuchern. Beim nächsten Mal werden wir weitere Hallen bereitstellen müssen.

Wenig ruhmreich ist dagegen der G-20-Gipfel verlaufen.

Aufderheide: Für uns war die Veranstaltung aber ein voller Erfolg. Sie hat uns wirtschaftlich sehr gut getan. Und wir sind offenbar auch bei den Gästen gut angekommen. Die Staats- und Regierungschefs haben uns sehr nette Briefe geschrieben, in denen Sie sich für die Gastfreundschaft bedankt haben. Vom amerikanischen Präsidenten Donald Trump habe ich sogar ein Präsent bekommen.

Was hat er Ihnen geschenkt?

Aufderheide: Einen Schlüsselanhänger vom Juwelier Tiffany. Auf der einen Seite ist das Siegel des US-Präsidenten, auf der anderen die Unterschrift von Donald Trump. Dazu gab es eine nette Karte „To the president of Hamburg Messe presented by the president of the United States and Mrs. Trump“. Das wird nun in der Asservatenkammer verwahrt. Auch viele internationale Institutionen sind durch den G-20-Gipfel auf uns aufmerksam geworden. So haben wir schon eine Anfrage von den Vereinten Nationen bekommen, die hier eine Konferenz abhalten wollen. Doch nun kommt zunächst einmal die CDU, die bei uns ihren neuen Bundesvorsitzenden küren wird.