Hamburg. Eigentlich sollte die alte Brücke 2030 ersetzt werden. Nun muss sie deutlich länger halten. Wirtschaft und Opposition sind alarmiert.
Die Lebensdauer der Köhlbrandbrücke neigt sich ihrem Ende zu. Der 1974 für den Verkehr freigegebene Bau verhält sich wie eine welke Blume, die ihren Kopf hängen lässt, und bei der nach und nach die Blüten abfallen. Wer sich unter die Brücke stellt, sieht bereits einen Flickenteppich an Ausbesserungsstellen im Beton. Und ständig kommen neue hinzu. Der Betrieb der Köhlbrandbrücke ist über das Jahr 2030 hinaus, aufgrund des baulichen Zustandes und der steigenden Verkehrsbelastung, wirtschaftlich nicht mehr möglich. Das hat der Senat in verschiedenen Drucksachen festgestellt. Noch im Dezember kam das Rathaus nach einer Nachberechnung der Haltbarkeit zu dem Schluss: „Hieraus lässt sich für den baulichen Zustand der Brücke das Jahr 2030 als kritischer Schwellenwert ableiten, ab dem gravierendere Eingriffe erforderlich werden können.“ Doch nun stellt sich heraus, dass Hamburgs Wahrzeichen wesentlich länger halten muss. Grund: Der Ersatzbau wird später fertig als gedacht.
Einer neuen Planung der Wirtschaftsbehörde zufolge wird eine neue Köhlbrandquerung nämlich erst zwischen 2034 und 2036 befahrbar sein. Erst dann kann also die alte Köhlbrandbrücke abgerissen werden. „Die Grobplanung, die wir jetzt vorgenommen haben, zeigt, dass wir für eine neue Querung bei 2034 herauskommen“, sagte Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) dem Abendblatt. Mitte 2022 würden die Vorplanungen abgeschlossen sein. Bis 2024 müsse dann ein Entwurf fertig sein, sodass man anschließend in die Phase der Planfeststellung eintreten könnte.
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Tunnel soll Brücke ersetzen
Dabei ist noch nicht einmal entschieden, ob die alte Köhlbrandbrücke künftig durch eine neue Brücke oder einen Tunnel ersetzt werden soll. Fest steht aber, dass der Hamburger Senat und der Bund, der sich an dem Neubau finanziell maßgeblich beteiligen wird, die Errichtung eines Tunnels favorisieren.
Aber hält die alte Brücke überhaupt noch so lange? „Wir haben noch ein wenig Luft nach hinten. Wir haben inzwischen Maßnahmen ergriffen und Sensoren an der Brücke angebracht, damit wir den Zustand immer aktuell kennen. Sollten sich neue Erkenntnisse ergeben, müssten wir darauf reagieren“, so Wirtschaftssenator Westhagemann. Dabei liegen die Erhaltungskosten der alten Brücke schon jetzt bei 1,5 bis zwei Millionen Euro jährlich, wie der Senat auf eine Anfrage der CDU-Bürgerschaftsfraktion Anfang Januar mitteilte. Und die Kosten steigen mit dem Alter der Brücke. Sie ließen sich allerdings frühestens vom Jahr 2025 an abschätzen, basierend auf den Ergebnissen der dann abgeschlossenen, nächsten Hauptprüfung der Köhlbrandbrücke, heißt es in der Senatsantwort auf die CDU-Anfrage.
Schon jetzt gibt es Einschränkungen für Lkw
Bereits jetzt gibt es Einschränkungen für den Verkehr, die den Erhalt der Brücke verlängern sollen. Seit 2012 hat die Hafenbehörde HPA ein Überholverbot verhängt. Lastwagen dürfen seitdem nur noch die rechte Spur benutzen. Und 2019 wurde eine Abstandspflicht für Lkw von mindestens 50 Metern eingeführt.
Bei der Hafenwirtschaft treffen die Verzögerungen deshalb auf Unverständnis. „Bisher hatte die Wirtschaftsbehörde immer mitgeteilt, dass bis spätestens 2030 ein Ersatz für die Köhlbrandbrücke zur Verfügung stehen müsse, weil die Brücke technisch zu vertretbaren Kosten nicht erhalten werden kann. Die neuerliche Aussage, dass die neue Querung nicht vor 2034/2036 realisiert werden kann, lässt Zweifel an allen bisherigen Darstellungen zur technischen Haltbarkeit und ihrer Ertüchtigungsmöglichkeit aufkommen“, sagte der Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg, Gunther Bonz. Als Teil der Haupthafenroute sei eine funktionsfähige Querung des Köhlbrands notwendig. „Die bestehenden Überhol- und Abstandsgebote für Lkw müssen schnellstens durch entsprechende grundlegende Sanierungsmaßnahmen beseitigt werden, denn weitere 15 Jahre kann dieser Zustand nicht akzeptiert werden.“
Auch der Vorstandschef der Reederei Hapag-Lloyd, Rolf Habben Jansen, reagierte enttäuscht: „Das ist keine gute Nachricht. Das Terminal Altenwerder bleibt durch diese Verzögerung nun noch länger als geplant für Großschiffe über 13.000 Standardcontainer nicht erreichbar.“ Hintergrund ist, dass die Köhlbrandbrücke mit einer Durchfahrtshöhe von 52 Metern von sehr großen Frachtern nicht mehr passiert werden kann. Das Containerterminal Altenwerder der HHLA liegt aber hinter der Brücke. Es ist somit abgeschnitten. Hapag-Lloyd wickelt seine gesamten Atlantik-Verkehre über dieses Terminal ab.
Ab Montag müssen Lkw Mautgebühren bezahlen
Und was sagt die HHLA? „Der Hamburger Hafen benötigt eine leistungsstarke Verkehrsinfrastruktur. Der Neubau der Köhlbrandquerung spielt dabei eine zentrale Rolle. Deshalb sollte dieses Projekt mit hoher Intensität vorangetrieben werden. Jede Verzögerung schadet der Wettbewerbsfähigkeit des maritimen Standorts Hamburg“, so Konzernsprecher Hans-Jörg Heims.
Der hafenpolitische Experte der Linksfraktion, Norbert Hackbusch, hat nun eine Reihe von Fragen formuliert, die er jetzt vom Senat beantwortet haben möchte. „Warum wird nicht der ursprüngliche Plan eingehalten? Welche gravierenden Eingriffe sind in die bisherige Brückenkonstruktion notwendig, wenn der bisherige Zeitplan bis 2030 nicht gehalten werden kann? Und welche Kosten sind damit verbunden? Die tröpfelnden Informationen zur Köhlbrandbrücke verhindern eine kompetente Diskussion und Abwägung in der Stadt.“
Übrigens: Das Befahren der alten Brücke wird schon von Montag an für Lastwagen kostenpflichtig. Ab dann wird eine Bundesstraßen-Maut erhoben.