Hamburg. Fast drei Millionen neue Aktionäre. Was Anfänger beachten müssen, welche Risiken es gibt und wie man kostengünstig handeln kann

Kaum noch Zinsen und dann noch Strafzinsen für das Ersparte bei vielen Geldinstituten. Die Sparer sehen sich nach Alternativen um. Innerhalb eines Jahres hat Deutschland rund 2,7 Millionen Aktionäre dazu gewonnen. Jetzt trauen sich auch immer mehr klassische Sparbuchbesitzer an die Börse. „Die Entwicklung ist sensationell“, sagt Christine Bortenlänger vom Deutschen Aktieninstitut (DAI).

„Jeder sechste Sparer hat Aktien oder Aktienfonds im Depot, das gab es zuletzt im Jahr 2001.“ Doch beim Wechsel vom Festgeld zum Aktiendepot muss einiges beachtet werden. Wie können sich Einsteiger orientieren? Wie gelingt der Aktienkauf am besten? Welche Kosten und Risiken gibt es an der Börse? Im zweiten Teil der Geldanlage-Serie dreht sich alles um die direkte Aktienanlage.

Soll ich im Alter noch Aktien kaufen?
Von den Strafzinsen sind vor allem ältere Sparer betroffen. „Ob man Geld in Aktien anlegt, ist keine Frage des Alters, sondern hängt von den persönlichen Umständen und den Plänen ab“, sagt Christian Schley, Leiter der Haspa-Filiale an der Reeperbahn. „Da kann die Situation von einem 50-Jährigen und einem 70-Jährigen deckungsgleich sein.“ Wichtig sei, sich vor einer Anlage Gedanken über die Ziele der nächsten Jahre zu machen und im Beratungsgespräch die persönliche Risikobereitschaft zu ermitteln.

Lesen Sie hier den ersten Teil der Serie

„Denn man muss bei der gewählten Anlagestrategie ruhig schlafen können“, sagt Schley. Denn Kursrückgänge von bis zu 40 Prozent in Krisenzeiten innerhalb eines Jahres müssen verkraftet werden. Verbraucherschützer raten zu einem Anlagehorizont von mindestens fünf bis zehn Jahren. „Das Geld, das man in Aktien investieren will, muss man übrig haben und für mehrere Jahre nicht benötigen“, sagt Doris Kappes von der Verbraucherzentrale Hamburg. Niemals sollte man sein gesamtes frei verfügbares Geld in den Aktienmarkt investieren.

Was ist nötig für den Aktienkauf?
Wer Aktien, festverzinsliche Anleihen oder Investmentfonds kaufen will, benötigt ein Depot. Dort werden die Wertpapiere verbucht. Ausschüttungen aus Fonds, Dividenden oder Zinsen von Anleihen werden auf ein Verrechnungskonto oder das Girokonto überwiesen. Ein Depot ist schnell eingerichtet, erst recht, wenn man bei der Bank schon Kunde ist. Aber bevor man sich entscheidet, ob man bei seiner Hausbank bleibt oder zu einem neuen Anbieter wechselt, sollte man sich über die Kosten und den Service informieren.

Welche Unterschiede gibt es?
Es gibt drei Gruppen von Anbietern, die sich auch deutlich beim Service und den Kosten unterscheiden. Welches Modell man bevorzugt, hängt von den persönlichen Präferenzen ab. Orders in den klassischen Bankfilialen sind teuer, dafür können sich Anleger beraten lassen. Direktbanken wie Comdirect oder ING bieten zumindest eine Hilfestellung zur computergestützten Auswahl von Investmentfonds und börsengehandelten Indexfonds, sogenannten Exchange Traded Funds, (ETF) mit denen man sich kostengünstig ein Depot zusammenstellen lassen kann. Bei der ING heißt das neue Produkt Komfortanlage.

„Ein Teil unserer Kunden benötigt Unterstützung bei der Suche nach der passenden Anlage am Kapitalmarkt“, sagt Thomas Dwornitzak, Leiter Sparen und Anlegen bei der ING. „Mit der Komfort-Anlage senken wir die Einstiegshürde weiter, nachdem es bei uns bereits seit Oktober 2020 möglich ist, ab einem Euro in Wertpapier-Sparpläne zu investieren.“ Die dritte Gruppe sind die sogenannten Smartphone-Broker wie Trade Republik oder Justrade. Wie der Name schon sagt, wird über das Smartphone gehandelt.

 Die Preise für Transaktionen liegen – unabhängig vom Volumen – bei einem oder null Euro. Allerdings gibt es dafür auch nicht so eine große Auswahl an Börsenhandelsplätzen wie bei den Direkt- oder Filialbanken. Nutzer müssen genau wissen, welche Wertpapiere sie kaufen wollen. Beratung für die Anlage gibt es nicht.


Was kostet Wertpapierhandel konkret?
Ganz allgemein kann man davon ausgehen, dass eine Filialbank beim Aktienkauf ein Prozent der Ordersumme als Gebühr verlangt. Dazu kommen noch Gebühren für den jeweiligen Börsenplatz, an dem der Auftrag ausgeführt wird. Die Direktbanken begnügen sich häufig mit 0,25 Prozent der Ordersumme, haben aber zusätzlich noch einen Grundpreis von knapp fünf Euro. Bei den neuen Smartphone-Brokern kann zum Teil sogar kostenlos gehandelt werden, auch Depotgebühren fallen meist nicht an. Die Stiftung Warentest hat Filial- und Direktbanken getestet. Danach liegen die Preise für eine Aktienorder über 6000 Euro bei den Filialbanken zwischen 65 Euro bei der Commerzbank im Klassikdepot und 25 Euro bei der Santander Consumer Bank.

Die Haspa verlangt im Klassikdepot rund 48 Euro und die Hamburger Volksbank 60 Euro. Bei den meisten Direktbanken wie Comdirect oder ING liegen die Kosten bei rund 20 Euro. Besonders günstig ist Smartbroker mit knapp fünf Euro. Als günstigsten Anbieter für ein Depot im Wert von 50.000 Euro, mit dem zwölf Käufe und Verkäufe pro Jahr gemacht werden, ermittelte die Stiftung Warentest unter den Filialbanken die Santander Consumer Bank mit einem Gesamtpreis von rund 260 Euro pro Jahr. Die Deutsche Bank verlangt rund 640 Euro und bei der Haspa sind es rund 500 Euro.

Bei der Comdirect muss mit rund 200 Euro Gesamtkosten kalkuliert werden. Günstigster Anbieter unter den Direktbanken ist Smartbroker mit Gesamtkosten von 55 Euro im Jahr für das mittelgroße Depot über 50.000 Euro. Angesichts der großen Preisunterschiede lohnt also ein Vergleich der Kosten, aber sie sind auch vom persönlichen Anlageverhalten abhängig. Wer nicht jeden Monat eine neue Aktienorder erteilt, kommt günstiger weg, auch bei den Filialbanken.

Was ist wichtig für die Aktienanlage?
Entscheidend ist eine Streuung der Aktien über Branchen und Länder. 10 bis 15 verschiedene Aktien reichen für den Anfang aus und sie sollten vom Kapitaleinsatz her möglichst gleich gewichtet werden. Noch wichtiger als die Anzahl ist die Qualität der Aktien. Anleger sollten sogenannte Blue Chips kaufen. Das sind umsatzstarke Aktien großer Unternehmen mit bekannten Namen wie Siemens, Volkswagen, Münchener Rück, BASF, Unilever und Johnson & Johnson. Sie sind in wichtigen Börsenindizes wie dem Deutschen Aktienindex (DAX) vertreten und werden von großen Anlegern bevorzugt.

Über die Geschäftsentwicklung wird sehr transparent berichtet und sie sind jederzeit an den Börsen handelbar. Außerdem überzeugen sie mit regelmäßigen Dividenden. „Unilever und Johnson & Johnson haben die Dividende kontinuierlich seit 25 Jahren Jahr für Jahr erhöht“, sagt Dividendenexperte Christian W. Röhl. Wer auf dividendenstarke Aktien setzt, kann sich so auch regelmäßige Ausschüttungen sichern. Aber Vorsicht vor heißen Tipps im Internet. Dort verabreden sich Anleger, die Kurse von bestimmten Aktien, die eigentlich nicht sehr aussichtsreich sind, nach oben zu treiben. Doch so schnell wie die Kurse steigen, können sie wieder fallen.

Wie kommt man an Aktien, wer berät mich?
Die Kaufaufträge müssen über die Bank erteilt werden, bei der man sein Depot hat. Allerdings kann es auch vorkommen, dass Filialbanken nicht begeistert sind, wenn Kunden einzelne Aktien erwerben wollen, weil die Beratung mit viel Aufwand verbunden ist.

„Der Erwerb von Einzelaktien ist bei uns gar kein Problem“, versichert dagegen ein Haspa-Sprecher. Wer sich selbst informieren will, findet Empfehlungen in Finanzmagazinen und im Internet. Auf der Seite www.finanzen.net kann man zu jeder Aktie die Einschätzungen der Analysten abrufen. Auch auf www.fool.de gibt es Einschätzungen zu Aktien und Ideen für eine Anlage. Wem das zu kompliziert ist, der kann von kostengünstigen Indexfonds profitieren und muss dabei selbst keine Aktien auswählen.
 

Fiskus kassiert bis zu 28 Prozent

  • Die Gewinne von Aktien unterliegen der so genannten Abgeltungsteuer, sofern der persönliche Freibetrag von 801 Euro pro Person ausgeschöpft ist. Steuerpflichtig ist der Gewinn aus der Veräußerung der Aktien. Die Kosten für Kauf und Verkauf können vom Gewinn abgezogen werden.
  • Die Abgeltungsteuer beträgt 25 Prozent. Zusätzlich müssen auf den zu versteuernden Betrag noch Solidaritätszuschlag (5,5 Prozent) und eventuell Kirchensteuer (in Hamburg neun Prozent) bezahlt werden. Maximal liegt die Belastung dann bei rund 28 Prozent, ohne Kirchensteuer sind es immerhin noch 26,4 Prozent. Diese Steuer behält die Bank gleich ein und führt sie an das Finanzamt ab.
  • Die Bank führt sogenannte Verlusttöpfe. Wenn eine Aktie mit Verlust verkauft wird, so wird das bei der Bank vermerkt. Beim nächsten Aktienverkauf mit einem Gewinn, wird dann zunächst der Verlust mit verrechnet. Bei Aktien, die vor 2009 angeschafft wurden, sind die Gewinne steuerfrei.