Hamburg. Handelskammer will den Hamburger Stadtteil zum Energie- und Klimahafen machen. 6400 neue Jobs könnten entstehen. Die Hintergründe.

Über die Zukunft Moorburgs wird schon lange gestritten. Seit 1982 gehört der alte Hamburger Stadtteil unweit der Süderelbe zum Hafen­erweiterungsgebiet. Die Bewohner wehren sich mit Händen und Füßen dagegen, dass ihre Häuser zugunsten weiterer Kaianlagen abgerissen werden. Die Stadt zögert und zaudert, das Gebiet einer Hafennutzung zuzuführen, weil sie die politische Auseinandersetzung mit den Moorburgern scheut. Fortschritt ist nicht möglich, es herrscht Ratlosigkeit.

30 Jahre Stillstand seien genug, meint nun die Handelskammer. Sie hat große Pläne für Moorburg geschmiedet, mit denen der Stadtteil zu einem sogenannten Energie- und Klimahafen entwickelt werden soll. Ausgangspunkt ist der Beschluss des Senats, auf dem Gelände des stillgelegten Kohlekraftwerks einen Elektrolyseur zur Wasserstoffherstellung zu bauen. Die Handelskammer greift die Pläne auf und entwickelt sie mit der Idee weiter, Moorburg zum Zentrum für Forschung und Entwicklung erneuerbarer Energien, grünen Wasserstoffs, alternativer Kraftstoffe und der Brennstoffzellentechnologie zu machen.

Stadtentwicklung: Hightech-Park in Moorburg geplant

Dazu soll südwestlich des alten Dorfkerns ein sogenannter Hightech-Park entstehen, der Platz für die Entwicklung von Wasserstoffanwendungen und einen dazugehörigen Gewerbezweig schafft. Nördlich am Ufer zur Süderelbe könnte ein Entwicklungszentrum für synthetische Kraftstoffe entstehen, deren Verbrennung klimaneutral wäre.

Solche Kraftstoffe, die auf der Basis von Wasserstoff entstehen, werden zurzeit händeringend von vielen Verkehrsträgern nachgefragt, vor allem in der Luft- und Schifffahrt, um trotz der ambitionierten Klimaschutzziele mobil zu bleiben. Im Osten Moorburgs könnte zudem neben dem Elektrolyseur ein Brennstoffzellenwerk gebaut werden. Auch ein Gebiet für Freizeit und Naherholung ist als Puffer zum Containerterminal Altenwerder im Norden vorgesehen. Das Gebiet umfasst insgesamt 153,6 Hektar.

Pläne der Handelskammer sofort umsetzbar

Die Pläne der Handelskammer dürften in der Hamburger Politik aus drei Gründen für Gesprächsstoff sorgen: Sie sind zum einen sofort umsetzbar. Denn die Einstufung als Hafenerweiterungsgebiet ließe eine Nutzung als Energie- und Klimahafen zu. Zweitens wäre das ökonomische Wertschöpfungspotenzial beträchtlich. Die Handelskammer geht von 6400 neuen Jobs aus, die entstehen könnten. Und drittens weiß die Wirtschaftsvertretung das Dorf hinter sich. Es soll nämlich so langfristig erhalten bleiben. Die Pläne sind mit den Bewohnern abgestimmt. Die Furcht vor endlosen Auseinandersetzungen mit den Moorburgern, welche den Senat bisher von einem aktiven Handeln abgehalten hat, wäre folglich unbegründet.

„Wir begrüßen die Pläne der Handelskammer sehr“, sagt Lisa-Mia Schaich vom sogenannten „Runden Tisch Moorburg“, der die Interessen des Dorfes vertritt. „Es ist das erste Mal, dass wir eine Perspektive für Moorburg sehen. Der Senat hat angekündigt, den Stadtteil weiterentwickeln zu wollen. Passiert ist bisher allerdings nichts.“

Wirtschaftsverein unterstützt Pläne der Handelskammer

Schaich betont allerdings, dass Moorburg nicht länger Hafenerweiterungsgebiet der Stadt bleiben dürfe. „Nur so sehen wir eine echte Chance zur Weiterentwicklung des Ortes.“ In Moorburg­ leben noch 700 Menschen mit einer halbwegs intakten Infrastruktur. Einkaufsläden­ und Gaststätten gibt es hier zwar nicht mehr. Aber die Kirchen­gemeinde ist aktiv, ebenso existieren ein Schützen- und ein Sportverein.

Auch der Wirtschaftsverein des Hamburger Südens unterstützt die Pläne. Dessen Chefin, Franziska Wedemann, die zugleich Vorsitzende des Ausschusses für den Hamburger Süden in der Handelskammer ist, sagt: „Der Hamburger Süden ist der ideale Standort zur Weiterentwicklung der Wasserstoffwirtschaft. Das Konzept ist eine gute Ergänzung zu den hier bereits ansässigen Forschungseinrichtungen und Firmen im Bereich der erneuerbaren Energien.“

„Die Klimawende duldet kein Abwarten"

Auch Wedemann spricht sich dafür aus, Moorburg nicht länger als Hafen­erweiterungsgebiet zu verstehen. Der Unternehmensverband Hafen Hamburg lehnt dies allerdings ab. Er ist der Meinung, dass der Hafen die Flächenreserven benötige. Auch für die CDU-Fraktion in der Bürgerschaft steht fest: Moorburg muss Hafenerweiterungsgebiet bleiben. Der wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion, Götz Wiese, unterstützt allerdings die Pläne der Handelskammer: „Es reicht nicht aus, wenn die Wirtschaftsbehörde immer nur das Wort Wasserstoff wie eine Monstranz vor sich herträgt, ohne der Energiewirtschaft ein konkretes Konzept und einen realistischen Zeitplan zu nennen.“

Der Präses der Handelskammer, Norbert Aust, entzieht sich indes der Diskussion. Seiner Ansicht nach könnte man die Pläne unabhängig von der Frage, ob Moorburg Hafenerweiterungsgebiet bleibt, umsetzen: „Die Rechtslage ist, wie sie ist. Und der Senat hat angekündigt, in dieser Legislaturperiode das Thema Moorburg nicht mehr aufgreifen zu wollen. Die Klimawende und die notwendige Transformation des Hafens dulden aber kein Abwarten.“ Der Hafen verliere Marktanteile und müsse als Motor und Innovationstreiber entwickelt werden.

Stadtentwicklung: Dorfbewohner befürworten Pläne

Im Gemeindehaus der Moorburger Kirche gibt es eine Inschrift, die symbolhaft für den Widerstand der Dorfbewohner gegen die Obrigkeit an die Wand gepinselt wurde. Sie zeigt einen Ausspruch des französischen Marschalls Louis-Nicolas Davout, der Hamburg für Napoleon vor fast 210 Jahren einnahm, aber Moorburg vergeblich belagerte: „So vieles habe ich in der Welt erobert und kann dieses Drecksnest von Moorburg nicht gewinnen“, lautet der Satz. Die Handelskammer hat den Widerstand gebrochen.