Hamburg. Wie sich die Branche auf die Herausforderungen durch batteriebetriebene Fahrzeuge einstellt. Hamburger Marktkenner berichten.
Elektroautos, die an Ladestationen in Eimsbüttel, Winterhude oder der HafenCity parken, gehören inzwischen fast schon zum normalen Stadtbild in Hamburg. Allein im ersten Halbjahr 2021 hat sich die Zahl der Neuzulassungen reiner E-Autos im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf knapp 3000 Fahrzeuge mehr als verdreifacht. Zusammen mit den von außen aufladbaren Hybrid-Pkw („Plug-In-Hybrid“) fällt inzwischen schon jeder siebte Neuwagen in der Hansestadt in die Gruppe der Autos mit Batterie.
Die neuen Fahrzeuge müssen nicht nur „Strom tanken“, sie erfordern auch eine andere Behandlung in den Werkstätten: Das Hochvoltsystem ist sensibel. So können E-Autos und Hybridfahrzeuge auch noch Stunden nach einem Unfall durch interne Reaktionen in Brand geraten. Zudem können ausgelaufene Flüssigkeiten aus der Batterie ätzend wirken. „Die hohen Spannungen gab es in den Werkstätten bisher nicht“, nennt Werner Steber vom Zentralverband des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK) die Herausforderungen.
E-Autos sind teuer für Hamburgs Werkstätten
Die Autohäuser stehen vor dem Problem, in ihre Betriebe investieren zu müssen, obgleich die umweltverträglichen Fahrzeuge wegen ihrer einfacheren Bauweise das Geldverdienen für die Werkstätten schwerer machen als herkömmliche Wagen. Erforderlich sind für den Service und die Wartung von E-Fahrzeugen zunächst Schulungen für die Mitarbeiter. Denn ohne die richtige Qualifizierung ist es einem Mechaniker bei einem elektrifizierten Pkw nicht einmal erlaubt, die Reifen wechseln. Die Branche unterscheidet allgemeine Arbeiten am E-Auto, schließlich das Hantieren am Hochvoltsystem im spannungsfreien Zustand und in der höchsten Qualifizierungsstufe die Tätigkeiten an unter Spannung stehenden Hochvoltsystemen.
„Es gibt bei uns im Berufsbildungszentrum zwei- bis dreitägige Speziallehrgänge, mit denen die notwendige Qualifikation nachgewiesen werden kann“, sagt Martin Rumpff, Geschäftsführer der Innung des KFZ-Handwerks in Hamburg. Die Qualifikation für Arbeiten im spannungsfreien Zustand würden Auszubildende heute bereits während ihrer Lehre erwerben. Grundsätzlich beließen es viele kleinere Betriebe zunächst bei der ersten Qualifikationsstufe und warteten ab, wie sich ihre Kundschaft aufstellt, bilanziert Rumpff. Zu den Investitionen in das Personal kommen Kosten für die Ausrüstung. „Allein ein neuer Werkzeugsatz für die Arbeiten an den Elektro- oder Hybridfahrzeugen kostet etwa 1000 Euro“, ergänzt Jochen Fölster vom Mitsubishi Autohaus Fölster & Finck in Wandsbek, das auch die Leistungen einer freien Werkstatt anbietet.
Investition von 5000 bis 10.000 Euro erforderlich
Die Ausrüstung erfordere insgesamt eine Investition von 5000 bis 10.000 Euro für eine Werkstatt, weiß Steber. „Dabei ist der Anteil der batteriebetriebenen Fahrzeuge am Gesamtbestand noch sehr gering“, sagt Fölster, der auch Vorstand der Hamburger Innung mit ihren gut 300 Mitgliedsfirmen ist, aber keine Zahlen zu den Betrieben in den Hansestadt nennen kann, die sich auf die E- und Hybrid-Autos eingestellt haben. Nur so viel: Bei herstellerunabhängigen Ketten wie Bosch Car Service oder A.T.U. hat das Personal in der Regel schon die erforderliche Expertise.
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Auch sie können und dürfen also umfangreiche Wartungs- und Reparaturarbeiten sowie Inspektionen an Hybrid- und E-Fahrzeugen vornehmen. Beim ZDK wird geschätzt, dass bundesweit etwa 30.000 der 37.000 Betriebe, also ein Großteil der Autohäuser und freien Werkstätten bereits in der Lage sind, Service für E-Autos anzubieten. „Wir bieten ab Herbst zudem ein eigenes Zeichen an, das Betriebe in Sachen Qualifizierung und Ausrüstung bei E-Autos nutzen können“, sagt Steber. Bisher kennen Kunden das Schild „Meisterbetrieb der Kfz-Innung“, das der ZDK der Branche anbietet.
Reparaturbedarf bleibt in der Branche erhalten
Die bekannten Marken wie VW oder BMW schreiben ihren Niederlassungen die Bedingungen vor. Dagegen müssen die freien Werkstätten auf dem Weg in die moderne Mobilität vor allem ein wirtschaftliches Kalkül verfolgen: Lohnt sich die Investition, obgleich die Kunden die Leistung bisher kaum verlangen? Schließlich sind die meisten Modelle noch so neu, dass die Besitzer oft freiwillig die teure Vertragswerkstatt aufsuchen. „Da der Markt für E-Autos erst hochläuft, sind viele Fahrzeuge noch in der Herstellergarantie“, sagt Rumpff. Dazu kommt: Arbeiten an der Zündanlage oder dem Einspritzsystem fallen bei den Stromern nicht an, weil diese Teile hier nicht verbaut sind. Damit wird das Reparaturgeschäft abnehmen.
Jochen Fölster, der sich bei Mitsubishi schon seit 2010 mit Elektroautos beschäftigt, sieht den Wandel mit optimistischem Gleichmut: „Die Entwicklung bricht ja nicht plötzlich über uns herein, wir haben uns schon immer weiter qualifiziert“, berichtet der 58-Jährige über seine langjährige Erfahrung in dem Markt, in dem Experten stets über ein Sterben der Werkstätten spekulierten. Eines sei sicher, der Reparaturbedarf bliebe der Branche erhalten, sagt der Autoprofi lachend, „denn die Leute fahren immer noch irgendwo gegen“.