Hamburg. Nach einer Umfrage in norddeutschen Unternehmen wird deutlich: Stark gestiegene Materialkosten treffen fast alle Betriebe.
Die Folgen der Corona-Krise sind noch nicht abgeklungen, nun verschärfen der Krieg gegen die Ukraine und seine Auswirkungen die Lage in den Betrieben der norddeutschen Metall- und Elektroindustrie zusätzlich. Zu dieser Einschätzung kommen die Arbeitgeberverbände Nordmetall und AGV Nord nach ihrer Frühjahrsumfrage in Unternehmen der Branche in Hamburg, Schleswig-Holstein, Nordwest-Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen, die dem Abendblatt exklusiv vorliegt.
„Statt einer Erholung nach der Pandemie erleben wir eine Verschärfung der Long-Covid-Folgen in den Betrieben durch den Ukraine-Krieg“, sagt Nordmetall-Vizepräsident Thomas Piehler. Dabei schätzen die Hamburger Metall- und Elektro-Unternehmen ihre Lage etwas besser oder weniger problematisch ein als die Firmen der Branche im gesamten Norden.
Ukraine-Krieg erschwert Erholung immens
Nach Angaben der Verbände bezeichneten knapp ein Viertel (23 Prozent) aller befragten Unternehmen ihre Geschäftslage als unbefriedigend oder schlecht. Das waren acht Prozentpunkte mehr als in der vorherigen Konjunkturumfrage einige Monate zuvor. In Hamburg kommt nur jedes fünfte Unternehmen zu dieser Einschätzung. In 31 Prozent der Unternehmen im Norden musste die Produktion infolge der Corona-Krise stark oder sehr stark eingeschränkt werden, in Hamburg waren 24 Prozent betroffen. „Die starke Verbreitung des Virus in den vergangenen Monaten hat zu erhöhten Krankenständen geführt“, sagt Piehler, der Philips in Hamburg im Verband vertritt.
Die Folgen des russischen Überfalls auf die Ukraine spüren derzeit fast alle Firmen: 90 Prozent gaben an, sie litten unter stark gestiegenen Materialkosten, 82 Prozent unter den explodierenden Energiekosten (zuvor: 53 Prozent). „Die Material- und Energiekostenexplosion sowie die rund um Russland, die Ukraine und China blockierten Lieferwege belasten die norddeutsche Wirtschaft schwer“, sagt Julian Bonato, der Vorstandsvorsitzende des AGV Nord.
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Laut der Umfrage gibt es in elf Prozent (Hamburg: fünf Prozent) der Metall- und Elektrobetriebe weiterhin Kurzarbeit. Zugleich planten aber vier von zehn Firmen, die Zahl ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den kommenden drei Monaten zu erhöhen. Insgesamt könnten demnach etwa 3200 Beschäftigte zusätzlich eingestellt werden. Allerdings beklagt eine wachsende Zahl von Betrieben, sie fänden nur schwer Fachkräfte und gut vorqualifizierte Auszubildende.
Personalmangel, Lieferprobleme, explodierende Kosten und Covid-Folgen führen – auch das zeigt die Umfrage – zu deutlich geminderten Geschäftserwartungen: Eine schlechtere Entwicklung der Geschäftslage in den kommenden sechs Monaten befürchten 22 Prozent aller Betriebe, in Hamburg ist es gut jeder zehnte (elf Prozent). Bei der Umfrage im Winter waren es nur acht Prozent gewesen. Die Verbände fordern vom Staat nun eine „Entlastungs-Offensive zugunsten der mittelständischen Wirtschaft“.