Jork. Ernte im Alten Land läuft auf Hochtouren. Warum sich Obstbauern trotz der sinkenden Preise keine Sorgen machen.
Jetzt geht es Schlag auf Schlag bei der Kirschenernte auf dem Obsthof Matthies im Alten Land: Die polnischen Erntehelfer pflücken gerade die Sorte Vanda und schon wenige Tage später werden sie ihre Leitern an die bis zu vier Meter hohen Bäume mit der Sorte Octavia anlegen, bevor dann die von Kirschenliebhabern besonders geschätzte Sorte Regina die Ernte Ende des Monats beendet.
„Wir haben rund 30 Sorten Kirschen auf rund zwei Hektar angebaut“, sagt Carola Matthies, die zusammen mit ihren Eltern den insgesamt 20 Hektar großen Obsthof mit Café und Ferienwohnungen bewirtschaftet. Im Vergleich zum vergangenen Jahr reifen die Kirschen knapp zwei Wochen später. Vor allem der unterkühlte, regenreiche Mai hat dieses Jahr die Reife verzögert. In den Auslagen des großen Hofladens liegen jetzt Kirschsorten wie Marlen oder Kordia.
Altes Land: Ein Kilo Kirschen kostet bis zu neun Euro
Die Kilopreise bewegen sich zwischen 6,50 und neun Euro. „Mit fortschreitender Ernte wird es noch etwas günstiger“, sagt Matthies. Im Alten Land wird in diesem Jahr eine gute Kirschernte erwartet, während bundesweit mit einer sechs Prozent geringeren Gesamterntemenge von knapp 35.000 Tonnen gerechnet wird. „Bis jetzt sieht es bei uns gut aus, die Blüte war später als sonst, hatte aber gut angesetzt und die Bienen sind geflogen“, sagt Matthies.
Doch wie die Erntebilanz beim Steinobst tatsächlich ausfällt, kann sie erst in einigen Wochen sagen. Denn nicht die gesamte Anbaufläche bei Matthies ist mit Folie überdacht, ein Teil wird nur mit einem Netz vor gefräßigen Vögeln geschützt. „Regen ist unser größter Feind, da reicht ein nächtlicher Nieselregen, um die Ernte zu gefährden“, sagt Matthies.
Foliendächer schützen die Kirschen im Alten Land
Wenn die Tropfen durch Wind und Wärme nicht schnell abtrocknen, reicht schon ein wenig Regen aus, die Früchte schwer zu schädigen. Das Wasser dringt am Stängel ein und lässt die Frucht platzen. „Dann ist die Ernte für den Verkauf verloren“, sagt Matthies.
Immer mehr Obstbauern im Alten Land setzen deshalb auf die Überdachung ihrer Kirschanbauflächen. „Mehr als die Hälfte der rund 500 Hektar für Süßkirschen sind bereits überdacht und jedes Jahr kommen etwa zehn weitere Hektar hinzu“, sagt Matthias Görgens von der Obstbauversuchsanstalt Jork. „Die Dachkonstruktion machen den Obstanbau und damit auch den Umsatz kalkulierbarer. Da man diese Früchte länger reifen lassen kann, bringen sie 20 Prozent mehr Ertrag im Vergleich zu Freilandkirschen“, sagt der Obstbauexperte. Ähnlich hoch ist der zusätzliche Vorteil beim Erlös.
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Allerdings kostet es etwa 100.000 Euro, um auf einem Hektar leistungsfähige Kirschbäume zu pflanzen, Bewässerungsanlagen zu legen und Folien gegen den Regen zu spannen. „Die Investition in eine solche Anlage hat sich in etwa zehn Jahren amortisiert“, sagt Görgens. Doch dazu benötigen die Obstbauern auch Verkaufspreise, die sich für sie rechnen.
Türkische Kirschen sind deutlich billiger
Im Lebensmitteleinzelhandel sieht es gegenwärtig nicht danach aus. „Wir haben in den Supermärkten sehr viele Aktionen mit türkischen Kirschen gesehen“, sagt Helwig Schwartau von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI). So wirbt die Supermarktkette Rewe in ihren Prospekten in dieser Woche mit einem Kilopreis von 3,90 Euro für türkische Kirschen. In der vergangenen Woche lag der Durchschnittspreis für heimische und Importware noch bei 4,89 Euro.
Damit sind Süßkirschen derzeit rund sieben Prozent günstiger als vor einem Jahr, heißt es bei der AMI auf Anfrage. Während jetzt mit den Knubbersorten wie Kordia und Regina die am stärksten gefragten Sorten der heimischen Obstbauern auf den Markt kommen, „sehen wir doch einen Angebots- und Preisdruck bei Kirschen“, sagt Schwartau. Die Importware kommt vor allem aus der Türkei, Griechenland und Spanien.
Mit einem Marktanteil von nur etwa 30 bis 35 Prozent haben es die heimischen Kirschanbauer schwer im deutschen Lebenseinzelmittelhandel. „Unser Eindruck ist, dass die Importware das Angebot bestimmt“, sagt Schwartau. Allein aus der Türkei werden 30.000 Tonnen importiert.
Heimische Kirschen auf den Wochenmärkten
Dagegen wird das Angebot auf den Wochenmärkten zu 80 Prozent von einheimischen Kirschen bestimmt. „Für sehr große Kirschen sind die Verbraucher auch bereit, acht bis neun Euro für das Kilo zu bezahlen“, sagt Schwartau. Es wird sich erst in den nächsten Wochen zeigen, wie die heimische Ware ankommt. „Ende Juli lässt der Importdruck nach“, sagt Schwartau. Dann werde sich auch zeigen, ob der Verbraucher wirklich regionale Ware schätzt und bereit ist, dafür höhere Preise zu bezahlen.
Um den Preisdruck, den die großen Einzelhandelsketten auf die Erzeuger ausüben, muss sich Carola Matthies nicht sorgen. „Wir sind so aufgestellt, dass wir den Großteil unserer Ware im eigenen Hofladen vermarkten können“, sagt sie über das Familienunternehmen. Der Hofladen war einer der ersten, der auf einem der Höfe im Alten Land eingerichtet wurde. Das war vor mittlerweile 26 Jahren.
Bald auch Aprikosen von der Elbe
Ein weiterer Teil der Kirschen, Pflaumen, Äpfel und Birnen wird vom Hof Matthies in die Markthalle Hobenköök in der HafenCity geliefert. „Wir haben in Deutschland die höchsten Verbraucherstandards in Europa, da können wir doch nicht zu den Preisen der Türkei liefern“, verteidigt Matthies die tendenziell höheren Preise für die Früchte aus heimischen Anbau.
Die junge Frau hat zunächst eine Ausbildung zur Schifffahrtskauffrau gemacht, bevor sie erst vor drei Jahren in den elterlichen Betrieb eingestiegen ist. „Die Ernte ist Handarbeit und die Personalkosten steigen“, sagt Matthies. Vor den Kirschen wurden im vergangenen Jahr noch Aprikosenbäume gepflanzt. „Das ist ein Versuch, der gut gestartet ist“, sagt Matthies. Natürlich werden die Matthies-Aprikosen nur im eigenen Hofladen verkauft.