Hamburg. Interview mit dem neuen Chef, Richard Gottwald, über nachhaltige Kleidung, die Branchenkrise und den digitalen Shop an der Mö.
An der Wand seines Büros hängt ein riesiges Foto der US-Rockmusikerin Patti Smith. Davor befindet sich ein Stehpult, an dem der neue Bonprix-Chef und große Musikfan, Richard Gottwald, meistens arbeitet. Im Interview mit dem Abendblatt erläutert der 60-Jährige seine Pläne für die Otto-Tochter (3000 Mitarbeiter, 1,57 Milliarden Euro Umsatz) – und erzählt, warum er keinen Anzug von Bonprix trägt.
Die Modebranche ist massiv unter Druck. Tom Tailor steckt in der Krise, Gerry Weber baut Personal ab und schließt Filialen – wie geht es Bonprix?
Richard Gottwald Schaut man auf die Branche, so können wir zufrieden sein. Unser Umsatz ist im vergangenen Jahr um 3,4 Prozent auf 1,57 Milliarden Euro gestiegen. Die Rendite bewegte sich wie im Vorjahr zwischen drei und fünf Prozent. Das ist in dem schwierigen Modemarkt sehr ordentlich.
Wie verteilt sich der Umsatz mittlerweile zwischen dem Online-, Katalog- und Ladengeschäft?
Gottwald: In den Filialen machen wir deutlich weniger als fünf Prozent unseres Umsatzes. Das Kataloggeschäft ist noch sehr stark vom jeweiligen Land abhängig. In Deutschland wird vergleichsweise viel über den Katalog geordert. Insgesamt liegt der Katalogumsatz immer noch bei mehr als zehn Prozent. Rund 85 Prozent der Erlöse kommen heute aus dem Onlinehandel.
Wer ist der typische Bonprix-Kunde?
Gottwald:Weiblich und zwischen 40 und 50 Jahre alt. Aber wir haben auch viele Kundinnen, die jünger als 30 sind oder älter als 60. Wir wollen uns beim Sortiment nicht ausschließlich auf eine Altersgruppe konzentrieren.
Welche Rolle spielt der deutsche Markt für Bonprix?
Gottwald:Wir machen hierzulande mittlerweile zwar weniger als die Hälfte unseres Gesamtumsatzes, aber Deutschland bleibt weiter unser stärkster Markt, obwohl er im letzten Geschäftsjahr leicht rückläufig war. Derzeit verzeichnen wir eine sehr gute Entwicklung in Osteuropa. Hier sehen wir auch noch ein großes Wachstumspotenzial.
Sie haben sich aus der Türkei zurückgezogen. Warum?
Gottwald:Wir haben in der Türkei nie positive Erträge erzielt. Vor zwei Jahren haben wir dann den Vertrieb umgestellt, doch auch das war nicht so erfolgreich wie erhofft. Am Ende hat der Kursverfall der türkischen Lira das Geschäft in der Türkei für uns unkalkulierbar gemacht – deshalb haben wir uns dann zu dem Schritt entschlossen, das Experiment Türkei zumindest vorerst zu beenden.
In den USA machen Sie mittlerweile rund 20 Prozent Ihres Umsatzes. Nehmen Sie im Zuge der sehr national ausgerichteten Wirtschaftspolitik von Präsident Donald Trump eine Anti-Europa-Stimmung wahr?
Gottwald:Nein, aber das hat auch einen einfachen Grund. In den USA sind wir nicht mit der Marke Bonprix aktiv, sondern wir haben 2009 den dort ansässigen Bademodenversender Venus gekauft – und dieser hat sich hervorragend entwickelt.
Sie sind seit Januar alleiniger Chef von Bonprix, davor gab es vier gleichberechtigte Geschäftsführer. Hat die Führung zu viert nicht funktioniert?
Gottwald:Diese gleichberechtigte Führung zu viert hat manchmal dazu geführt, dass Entscheidungen zu lange gedauert haben. Das ist wie beim Fußball: Man kann mit unterschiedlichen Taktiken zum Sieg kommen, aber wenn das Spiel angepfiffen wird, muss eine Taktik gelten. Dann können sie nicht noch während des Spiels diskutieren.
Sie bringen in der kommenden Woche Ihre erste nachhaltige Kollektion auf den Markt. Was ist der Hintergrund?
Gottwald:Wir nehmen unsere ökologische und soziale Verantwortung als Unternehmen sehr ernst und engagieren uns daher seit Jahren für mehr Nachhaltigkeit. Mit unserer nachhaltigen Kollektion wollen wir das Thema nun stärker in den Fokus unserer Kundinnen rücken. Bereits heute sind wir größter Partner der Initiative „Cotton made in africa“. Die wurde 2005 von Dr. Michael Otto ins Leben gerufen, um Kleinbauern in Afrika verbesserte Arbeits- und Lebensbedingungen zu ermöglichen und sie für einen effizienten und umweltfreundlichen Anbau von Baumwolle zu schulen. Bis zum Jahr 2020 werden wir 100 Prozent unserer Baumwolle aus nachhaltigen Quellen beziehen.
Bonprix-Kleidung ist trotz des Nachhaltigkeitsversprechens vergleichsweise billig. Wie geht das?
Gottwald:Ich würde nicht von billig, sondern von günstig sprechen. Wir wollen, dass nachhaltige Mode keine Frage des Preises ist. Deswegen setzen wir auf die enge Zusammenarbeit mit einer überschaubaren Anzahl von wichtigen Partnern in Produktionsländern wie beispielsweise China oder Bangladesch.
Können Sie uns als Kunden versprechen, dass alle Ihre Kleidung sauber hergestellt wurde, also zu ökologisch und sozial verträglichen Konditionen?
Gottwald:Ich kann Ihnen versprechen, dass wir im Rahmen unseres systematischen Nachhaltigkeitsmanagements alles tun, um das zu ermöglichen. Allerdings sind die Produktionsprozesse heutzutage so komplex, dass es keine 100-prozentige Garantie gibt – so ehrlich muss man sein.
Sie haben an der Mönckebergstraße den ersten Bonprix-Shop eröffnet, in dem Online-Shopping eng mit einem stationären Ladenkonzept vernetzt wird – ist das die Zukunft des Einkaufens?
Gottwald:Das könnte so sein. Denn auch in der Zukunft wird noch ein großer Teil des Handels über stationäre Läden abgewickelt, allerdings von Menschen, die immer selbstverständlicher online unterwegs sind. Diese Kombination wollen wir mit unserem Geschäft an der Mönckebergstraße bieten. Die ersten Erfahrungen, die wir gesammelt haben, sind durchaus vielversprechend. Wir bekommen von den Kundinnen ein sehr gutes Feedback. Ob wir mit dem Konzept wirtschaftlich erfolgreich sein können, werden wir wohl erst in eineinhalb bis zwei Jahren sagen können.
So lange geben Sie dem Geschäft Zeit?
Gottwald:Auf jeden Fall.
Planen Sie weitere Filialen dieser Art?
Gottwald:Aktuell haben wir das nicht vor.
Haben Sie eigentlich selbst Kleidung Ihrer Marke in Ihrem Kleiderschrank? Ist Ihr Anzug von Bonprix?
Gottwald:Nein, den passenden Anzug habe ich in unserem Sortiment für mich noch nicht gefunden. Aber ich habe vier, fünf weitere Kleidungsstücke von Bonprix im Casual-Bereich zu Hause. Und ich bin großer Fan unserer Unterwäsche.