Hamburg. Elmshorner Unternehmen wächst in der Krise stark und will weiter expandieren. Was hinter dem Klopapiereffekt beim Katzenstreu steckt.

Einer Volksweisheit nach nähern sich Hund und Herrchen im Laufe ihres Zusammenlebens im Verhalten einander an. Kristof Eggerstedt kennt das aus der Praxis. „Vieles, was man vom Menschen kennt, kann man aufs Tier übertragen. Das ist das Spannende an unserer Branche“, sagt der Futterhaus-Geschäftsführer.

Viele Menschen aßen mit Pandemie-Beginn mehr und setzten Speck an. In den Geschäften des Elmshorner Tierbedarfsspezialisten wurden ebenfalls wesentlich mehr Futter und Snacks verkauft. Die Firma rechnete mit einem Absatzeinbruch. Aber der kam nicht. Die Tiere fraßen einfach mehr.

Futterhaus: „Kratzbäume wurden häufig ausgetauscht"

Auch bei anderen wichtigen Produkten gab es Analogien. „Der Engpass beim Toilettenpapier in den Supermärkten entsprach dem Engpass an Katzenstreu in unseren Märkten“, sagt der 39-Jährige und schmunzelt. Sein Geschäftsführerkollege und Schwager Andreas Schulz verweist auf Parallelen zu Baumärkten, die zu Pandemie-Beginn mitunter einen Ansturm erlebten.

„Einrichtungsgegenstände wie Kratzbäume, Kissen und Katzentoiletten wurden häufig ausgetauscht und bei uns gekauft“, sagt der 45-Jährige. Zudem waren intelligente Spielzeuge gefragt, bei denen ein Tier zum Beispiel eine Tür öffnen muss, um an einen versteckten Snack zu kommen. „Die Tiere wurden mehr betüddelt“, sagt Eggerstedt.

Umsatz des Futterhauses stieg seit 2016 um 65 Prozent

Während im Handel Anbieter wie Mode- oder Schuhhändler massiv unter den Corona-Regelungen litten, lief es in der Heimtierbranche rund. Rund vier Prozent legte sie zu. Das Futterhaus setzte 521 Millionen Euro im Jahr 2021 um – 15,3 Prozent mehr als im ebenfalls schon starken Vorjahr. „Corona wirkte als Beschleuniger. Aber unser Markt ist vorher auch schon gewachsen“, sagt Eggerstedt. In den vergangenen fünf Jahren legten die Erlöse um 65 Prozent zu. Das Unternehmen, das seinen Gewinn nicht veröffentlicht, meldet Rekord auf Rekord.

Man wächst beim Umsatz sowohl auf bestehender Fläche als auch durch Expansion. 21 neue Märkte wurden 2021 eröffnet. In Deutschland und Österreich sind es nun zusammen 406 Geschäfte. Rund 100 davon werden in Eigenregie betrieben, der Großteil ist in der Hand von Franchisenehmern. Knapp 1000 Mitarbeiter beschäftige man selbst (davon 180 am Firmensitz in Elmshorn), weitere 3000 kämen bei den Franchisenehmern hinzu.

Futterhaus sucht Personal

„Im Rahmen unserer Strategie 2025+ sehen wir ein kurzfristiges Marktpotenzial von 550 Standorten. Langfristig sogar von 750“, sagt Schulz. Mitarbeiter für Verkauf, IT und Marketing würden ebenso gesucht wie Kaufleute, die sich selbstständig machen wollen.

Rund 30 Neueröffnungen werden pro Jahr angestrebt. Potenzial gebe es vor allem in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Hessen. Gesucht würden Standorte auf der grünen Wiese, aber auch in den Städten. Ideal seien 500 bis 600 Qua­dratmeter Fläche, auf denen dann rund 10.000 der insgesamt 65.000 gelisteten Artikel inklusive zehn Eigenmarken zum Verkauf stünden, und zehn Parkplätze vor der Tür. Denn Tierbesitzer würden gern ihren Einkauf einfach in den Kofferraum werfen.

Filialnetz in Hamburg schon relativ dicht

Aber auch kleinere Flächen seien interessant. So gebe es das mit 150 Quadratmetern kleinste Futterhaus in der Vorkassenzone des Rewe-Centers an der Dorotheenstraße. Je nach Lage und Klientel werden in Märkten vegetarische Kost, Bioware oder alternative Proteinquellen in Form von Insekten getestet.

„Wir können unser Filialnetz in einigen Regionen auch noch verdichten, aber das ist nicht unser vorrangiges Ziel“, sagt Schulz, der zunächst bei Hertie Handelsfachwirt lernte, seit 20 Jahren im Unternehmen ist und das Geschäft als Markt- und Bereichsleiter von der Pike auf lernte. In Hamburg sei das Filialnetz mit 17 Läden relativ dicht – interessante Standorte schaue man sich trotzdem an. In Schleswig-Holstein und Niedersachsen kämen je rund 60 Verkaufsstellen hinzu. Im Norden sei man klar Marktführer.

Fressnapf bleibt weiterhin Branchenführer

Branchenführer ist aber Fressnapf. 3,17 Milliarden Euro erlöste der Krefelder Konkurrent, gut die Hälfte davon in Deutschland. Ein Unterschied: Fressnapf ist in elf Staaten aktiv, Futterhaus nur in zwei. Und dabei soll es für die Elmshorner wohl bleiben. Schulz: „Wenn wir eine Kooperation im europäischen Ausland finden, prüfen wir das gern. Aber wir streben derzeit keine strategische Auslandsexpansion an.“ Dort sei zum Beispiel der Markenaufbau teuer. Zudem ist Fressnapf im E-Commerce-Geschäft aktiv.

„Wir beschäftigen uns mit dem Thema Onlineshop schon seit Jahren sehr, sehr intensiv“, sagt Eggerstedt. Und man wisse natürlich, dass viele Kunden im Netz bei Wettbewerbern einkaufen. Diesen Umsatz würde man gern selbst erzielen. Aber ob man wirklich einen eigenen Onlineshop eröffne, sei offen. „Wir machen es nur, wenn es für uns Sinn macht“, sagt der Betriebswirt, der früher bei Tui und Bertelsmann arbeitete und 2017 in die Firma einstieg.

„Wir sind ein sehr modernes Unternehmen"

Gegründet wurde diese übrigens 1987 von Herwig Eggerstedt. Er ist nicht der Vater, sondern der Schwiegervater von Kristof Eggerstedt. „Wir sind ein sehr modernes Unternehmen. Deswegen habe ich selbstverständlich den Namen meiner Frau angenommen“, sagt Eggerstedt und lacht. Sein Kollege kontert. „Mein Schwager konnte sich mit seinem Nachnamen nicht durchsetzen“, sagt Schulz, der wiederum der Sohn von Herwig Eggerstedt ist – weil er der Sohn der Mutter aus erster Ehe ist, hat er einen anderen Nachnamen. Das ist kompliziert – im Gegensatz soll das Verhältnis mit dem Gründer einfach sein.

„Mein Vater ist in allen Entscheidungen, die er trifft, sehr konsequent. Er hat ein gutes Gespür für alle Themen, wirkt aber nur beratend, coachend. Operativ sind wir völlig autark“, so Schulz. Sein Schwager unterstreicht das. Sein Schwiegervater sei im Mai 2019 ausgestiegen und in den Urlaub gefahren. „Als er wiederkam, hatte er eine lange Liste mit der Überschrift dabei: Wie sieht das Unternehmen 2050 aus? Er nahm sofort die Perspektive ein, als Gesellschafter strategisch und in Generationen denkend zu agieren.“

Strom kommt nun von einer Solarwiese bei Neumünster

Nachhaltigkeit ist für die amtierende Firmenleitung ein wichtiges Thema. „Bis 2025 wollen wir trotz Wachstums bezogen auf das Basisjahr 2019 unsere Emissionen um 60 Prozent reduzieren“, sagt Eggerstedt. Bewusst habe man sich gegen den Kauf von Zertifikaten entschieden. Stattdessen werde bei der Lichttechnik komplett auf LEDs umgestellt, alte Kühltruhen werden durch moderne ersetzt.

Beim Energiebezug geht man neue Wege. „Seit Anfang Januar sind wir auf eine große Solarwiese in Schleswig-Holstein aufgeschaltet. Von Bokel bei Neumünster versorgen wir alle Standorte mit Strom zu langfristig fest vereinbarten Preisen“, so Schulz. Zudem wolle man auf den Dächern der Märkte Solaranlagen errichten – wo möglich und wenn die Vermieter der Immobilie zustimmen. Auf den Parkplätzen der selbst betriebenen rund 100 Geschäfte plant man in Kooperation mit Vattenfall den Bau von Ladesäulen für E-Autos, um die Mobilitätswende zu unterstützen.

Futterhaus verzeichnet immer mehr Neukunden

Während die Autos draußen tanken, könnten die Kunden die Zeit für längere Aufenthalte im Laden nutzen. Unter den Einkäufern sind immer mehr Neukunden. In der Corona-Krise hätten sich viele den Wunsch vom eigenen Haustier erfüllt. Zwar gibt es Hund und Katze nicht im Futterhaus, Meerschweinchen, Kaninchen, Hamster und Fische hingegen schon.

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Durch Kinder, die im Lockdown wegen geschlossener Schulen und Kitas zu Hause waren, sei der Wunsch nach Kleintieren gestiegen. Nun war die Zeit dafür da. Das kurbelte das Geschäft zusätzlich an und dürfte auch in Zukunft Umsatz bringen. Schulz: „Mobiles Arbeiten und Homeoffice werden die Arbeitswelt dauerhaft verändern – und das lässt Luft, sich um Tiere zu kümmern.“