Hamburg. Haushaltsgeräte mit Internetanbindung sorgen automatisch dafür, dass Produkte nach Hause kommen. Hamburger Firmen forschen mit.

Wohl jeder kennt solche Situationen: Der Geschirrspüler ist voll, die Packung mit den Tabs aber leer. Man freut sich auf den morgendlichen Kaffee, doch die letzte Kapsel für den Automaten wurde schon am Vortag verbraucht. Gegen Ende des Jahrzehnts allerdings werden sich die Haushaltsgeräte voraussichtlich selber darum kümmern, dass so etwas nicht mehr vorkommen kann – sie werden die Spültabs und die Kaffeekapseln selbsttätig rechtzeitig über das Internet geordert haben.

„Ich halte es für durchaus realistisch, dass im Jahr 2030 automatische Nachbestellungen im Markt etabliert sein werden“, sagt Kai Hoberg, Professor an der Hamburger Kühne Logistics University (KLU). Zusammen mit der Doktorandin Sandria Weißhuhn hat er eine Studie dazu erarbeitet.

Automatische Nachbestellung der Lieblingskaffeemarke

Technisch gesehen ist das alles längst keine Zukunftsmusik: „Miele war der erste Waschmaschinenhersteller, dessen Geräte für eine automatische Bestellung von Waschmittel vorbereitet sind, Bosch und Samsung folgen jetzt“, sagt Hoberg. Elektrische Zahnbürsten von Oral-B und Philips sowie Kaffeemaschinen von Nespresso sind ebenfalls schon mit der erforderlichen Internetverbindung ausgestattet.

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Auch zwei große Unternehmen aus Hamburg sind auf diesem Feld bereits tätig geworden: Anfang 2019 hat die Otto-Gruppe ein Geschäftsfeld namens „Otto ready“ gegründet, das als „Verbindungselement zwischen Otto.de und internetfähigen Haushaltsgeräten“ fungieren sollte. „Otto ready ermöglicht Konsumenten, mithilfe von intelligenten Geräten die automatische Nachbestellung ihrer Lieblingskaffeemarke zu managen“, hieß es damals. Nach einiger Zeit hat der Konzern dieses Projekt jedoch nach eigenen Angaben zunächst „auf Eis gelegt“. Die Begründung: Der Markt und die Konsumenten seien „schlichtweg noch nicht bereit“.

Keine Leerlaufzeiten wegen fehlender Kaffeebohnen

Ganz anders liegen die Dinge bei Tchibo Coffee Service, einer Tochterfirma des Hamburger Kaffeehändlers Tchibo für Unternehmenskunden. „Wir haben in Europa eine deutlich fünfstellige Zahl von Kaffeemaschinen zum Beispiel in Supermärkten im Einsatz“, sagt Nicola Vikas von Tchibo Coffee Service. „Seit etwa vier Jahren können Kaffeevollautomaten auf Kundenwunsch über eine integrierte Mobilfunkkarte digital angebunden werden.“ Sie bestellen darüber nicht nur automatisch Kaffeebohnen oder Schokoladenpulver nach, sondern melden auch rechtzeitig, wenn ein Servicetechniker kommen muss, möglichst bevor es zu einem Stillstand kommt.

„Anbieter von Kaffeeautomaten haben ein Interesse daran, dass es keine Leerlaufzeiten etwa wegen fehlender Kaffeebohnen gibt“, sagt Hoberg. Nach seiner Schätzung ist schon heute rund ein Drittel der Kaffeemaschinen für professionelle Kunden wie Bäcker, Büros oder Tankstellen mit einer Internetanbindung versehen.

Noch einige Entwicklungsarbeit ist nötig

Ohnehin sei der professionelle Sektor hier bereits weiter als der Konsumentenmarkt: „Seit vielen Jahren setzt man in der Industrie Gewichtssensoren oder Kameras ein, um zum Beispiel feststellen zu können, wie viele Schrauben noch in einem Vorratsbehälter liegen, damit rechtzeitig eine automatische Nachbestellung angestoßen wird.“

Bevor jedoch Haushaltsgeräte in großem Stil selber einkaufen, ist noch einige Entwicklungsarbeit nötig. „Alle reden vom ‚schlauen Kühlschrank‘“, so Hoberg, „aber wie man erkennen will, dass die Butter knapp wird, ist noch nicht ganz klar.“ Auch die Idee eines Scanners über dem Mülleimer, um anhand der leeren Verpackungen eine Nachbestellbedarf festzustellen, sei „noch nicht ausgereift“. Es liegt daher nahe, warum sich die ersten Anwendungen im Haushalt auf abzählbare Produkte wie Spülmaschinentabs oder Kaffeekapseln konzentrieren.

Grundlegende Hemmnisse

Abgesehen von technischen Hürden gibt es aber auch grundlegende Hemmnisse. „Besonders in Deutschland sind Bedenken gegen das Teilen von Daten sehr verbreitet“, sagt Hoberg. Er nennt ein Beispiel: „Aus den Daten, die ein ‚smartes‘ Gerät übermittelt, ließe sich außer den Lebensgewohnheiten ja auch ableiten, dass der Nutzer für längere Zeit nicht zu Hause ist.“ Hinzu kommen Klimaschutz-Überlegungen: „Viele kleine Einzelbestellungen zum Beispiel von Kaffeekapseln oder Spültabs sind ökologisch gesehen nicht wünschenswert.“

Eine Bündelung von Bestellungen, wie sie bei Otto ready vorgesehen war, sei daher „zweifellos eine gute Idee“. Der erste Schritt werde wahrscheinlich darin bestehen, dass der Nutzer einen Hinweis auf einen zur Neige gehenden Vorrat auf sein Smartphone bekommt und eine Bestellung dann mit einem Klick freigeben kann – genau so sollte das bei Otto ready funktionieren. „Dann haben Kunden optimalen Komfort bei maximaler Transparenz über Lieferung und Preis“, hieß es damals von dem Konzern.

Stolperstein für den Onlinehandel-Giganten Amazon

Der letzte Punkt war ein Stolperstein für den Onlinehandel-Giganten Amazon, der es seinen „Prime“-Mitgliedern auch in Deutschland ermöglichen wollte, per Knopfdruck Waschmittel, Windeln oder Zahnpasta zu bestellen. Weil sich Amazon das Recht auf Preiserhöhungen vorbehielt, erklärte das Oberlandesgericht München die sogenannten „Dash Buttons“ für unzulässig.

Es liegt jedoch auf der Hand, dass Gerätehersteller gerne selber auch die Verbrauchsmaterialien verkaufen und die Kunden an sich binden möchten. Im Verbrauchersektor waren Hersteller von Druckern hierbei die Pioniere, wie Hoberg erklärt. „Schon vor einigen Jahren hat HP mit ‚Instant Ink‘ eine Art monatliches Abo-Modell für Tinten- und Tonerpatronen eingeführt, weil man damit auf Dauer mehr verdient als mit den Druckern.“

 „Spannende neue Geschäftsmodelle“

Seien die „Anfangsschwierigkeiten“ erst aus dem Weg geräumt, verspreche die automatische Nachbestellung jedenfalls „spannende neue Geschäftsmodelle“, sagt Weißhuhn. „Hersteller können nun nicht nur direkte Verbindungen zu ihren Kunden aufbauen. Sie erhalten auch tiefe Einblicke in Nutzungsweise und Verbrauchsmuster, verstehen die Bedürfnisse ihrer Kunden insgesamt besser.“

Zwar hat der klassische Einzelhandel den potenziellen neuen Wettbewerb nach Meinung der KLU-Wissenschaftler noch nicht auf dem Radarschirm. Chancen böten sich letztlich aber für alle Marktteilnehmer, findet Weißhuhn. „Lokalen Einzelhändlern, die sich einbinden lassen, könnte die Ausführung von Lieferungen mehr Widerstandsfähigkeit gegen die wachsende Konkurrenz im Onlinehandel bringen – und auch aus Sicht von Kundinnen und Kunden könnte das Leben leichter werden.“