Hamburg. Arbeitnehmervertreter fordern Zusagen für den Bau des A320-Nachfolgers auf Finkenwerder. Schon am Montag sind erste Proteste geplant.

Der A320 ist der Verkaufsschlager von Airbus. Rund 5600 Maschinen stehen im Auftragsbuch. Mehr als jeder zweite Jet der Familie wird in Hamburg gebaut. Klar ist, dass es für die intern Single-Aisle genannte Klasse um das Jahr 2030 einen Nachfolger geben wird – aber wird der Jet auch auf Finkenwerder endmontiert werden? Darum bangen die IG Metall und der Betriebsrat.

Seit Monaten tobt bei einem der größten Hamburger Arbeitgeber eine Auseinandersetzung. Airbus will den Konzern umstrukturieren. Die Flugzeugmontage soll neu aufgestellt werden, weil die Fertigung des Rumpfes künftig als Kernaktivität betrachtet wird. Dazu sollen drei neue Unternehmen gegründet werden, eins in Frankreich, zwei in Deutschland. Betroffen davon sind hierzulande rund 13.000 Mitarbeiter.

Airbus in Hamburg: Gewerkschaft besorgt

Für das Hamburger Werk entscheidend: Die Struktur- und Ausrüstungsmontage soll von der Airbus Operations GmbH in eine neue Aerostructure-Einheit wechseln, die Anfang 2022 starten und zudem Teile der Airbus-Tochter Premium Aerotec integrieren soll. Den Arbeitnehmervertretern schmeckt das nicht: Erstens befürchten sie eine Spaltung der Belegschaft, wenn die Beschäftigten auf Finkenwerder für zwei unterschiedliche Firmen arbeiten.

Zweitens droht aus ihrer Sicht perspektivisch eine Verschlechterung der Konditionen für die Mitarbeiter. Drittens dürfte eine separate Einheit einen höheren Wettbewerbs- und damit Kostendruck erfahren. Und viertens sorgen sie sich um die künftige Arbeitsverteilung.

„Wir erwarten vom Arbeitgeber feste Zusagen"

„Der neuralgische Punkt ist für uns die Single-Aisle-Nachfolge“, sagt am Freitag bei einem von der IG Metall organisierten Videogespräch Holger Junge, der Konzernbetriebsratsvorsitzende von Airbus. In den nächsten zwei bis drei Jahren werde die Entscheidung über einen A320-Nachfolger getroffen, weil die Entwicklung eines neuen Flugzeuges fünf bis sieben Jahre dauere. Der Flieger werde eine neue Triebwerksgeneration erhalten, vielleicht sogar schon Wasserstoffantrieb. Wo er gebaut wird, ist offen.

„Wir erwarten vom Arbeitgeber feste Zusagen für die heutigen Arbeitsanteile in bestehenden und vor allem zukünftigen Projekten und Programmen von Airbus Operations und Premium Aerotec, mit denen die Zukunft aller jetzigen Standorte und die Arbeitsplätze langfristig gesichert werden“, sagt Junge. Die gebe es bisher nicht. Dabei sei vor allem Finkenwerder massiv abhängig vom A320, der für 70 Prozent des Umsatzes im zivilen Flugzeugbau stehe.

Unklarheit über Anteil von Hamburg für A320

Für das Flugzeug der Zukunft sei unklar, welche Arbeitsteile dafür in Hamburg landen, ergänzt Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste: „Das ist die große Gefahr.“ Für diese wichtige Entscheidung würde aber schon heute mit der Umstrukturierung die Grundlage gelegt.

Das Dilemma für die Gewerkschaft: Wenn Airbus den Konzern umbauen und neue Töchter gründen möchte, kann das Unternehmen dies tun. Eine Mitsprache haben die Arbeitnehmervertreter nicht. Aber: Die IG Metall kann einen Sozialtarifvertrag fordern, in dem die Bedingungen für die von der Umstrukturierung betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Airbus und PAG geregelt werden, um wirtschaftliche Nachteile für sie zu verhindern.

Airbus zu Gesprächen mit Sozialpartnern bereit

Das hat die Tarifkommission mit IG Metall-Mitgliedern aus beiden Unternehmen nun beschlossen. Gefordert werden bei Arbeitsplatzverlust eine Abfindung in Höhe von drei Monatsentgelten pro Beschäftigungsjahr, mindestens 25.000 Euro, und Qualifizierungsmaßnahmen für bis zu 24 Monate sowie Härtefallregelungen. Die Laufzeit des Sozialtarifvertrages soll bei zwölf Jahren liegen. Am 1. und 7. September werde man mit der Airbus-Geschäftsführung sprechen, so Friedrich. Gemeinsam müsse man zu Lösungen kommen, mit denen Jobabbau und Standortschließung verhindert würden.

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„Uns sind die Forderungen der Sozialpartner bekannt“, sagt ein Airbus-Sprecher. Man begrüße, sich mit den Sozialpartnern wieder an den Verhandlungstisch zu setzen. Airbus habe das ambitionierte Ziel, mit einer neuen Generation von Flugzeugen emissionsfrei zu fliegen und stehe vor großen Herausforderungen.

Warnstreik bei Stillstand in Verhandlungen

Flugzeug der Zukunft heiße auch Produktion der Zukunft – dafür müssten jetzt die technologischen und organisatorischen Grundlagen geschaffen werden, so der Sprecher: „Wir brauchen eine wettbewerbsfähige industrielle Struktur, um zu niedrigeren Kosten, mit einer schnelleren Fähigkeit zum Hochlauf und mit digitalen Technologien fertigen zu können.“ Diese Pläne möchte man im konstruktiven Dialog mit den Sozialpartnern umsetzen.

Sollte das nicht gelingen, drohen Proteste. „Sollten wir in den Verhandlungen nicht weiterkommen, sind Warnstreiks für unsere Forderung nach einem Sozialtarifvertrag kurzfristig möglich“, sagt Friedrich. Am Montag und Dienstag sind kleinere Aktionen geplant.

Airbus: Produktionsrückstände in Hamburg

Beim Verkaufsschlager A320 laufe es derzeit übrigens auch nicht rund, heißt es. In Hamburg gebe es durch das Erhöhen der Fertigungsraten Produktionsrückstände, so die Arbeitnehmervertreter. Daher fordere das Unternehmen den Einsatz von Leiharbeitern, auch in Bereichen, wo zuvor Personal abgebaut wurde. Laut Junge werden um die 400 bis 500 Leute gebraucht – er würde sie allerdings gern als Stammpersonal begrüßen.