Hamburg. Medizinische Mission im Weltall: Gewebestammzellen von zwei Frauen und zwei Männern sollen ins All geschickt werden. Die Hintergründe.

Ungewöhnlicher Auftrag für Airbus: Der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern ist Teil einer medizinischen Mission ins Weltall. Mit dem nächsten Versorgungsflug zur Internationalen Raumstation ISS sollen in Kooperation mit dem UZH Space Hub der Universität Zürich Gewebestammzellen von zwei Frauen und zwei Männern ins All geschickt werden, so Airbus. Im Experiment soll die industrielle Produktion menschlichen Gewebes in der Schwerelosigkeit vorangetrieben werden.

Das Verfahren stammt von den Zürcher Forschern Oliver Ullrich und Cora Thiel. Der Anatomie-Professor und die Biologin nutzen die Mikrogravitation im Weltall, um aus menschlichen adulten Stammzellen dreidimensionale organähnliche Gewebe – sogenannte Organo­ide – zu züchten. „Auf der Erde lassen sich wegen der Schwerkraft ohne Stützskelette keine dreidimensionalen Organoide produzieren“, sagt Thiel.

Airbus-Innovations-Team entwickelt die Hardware

Auf großes Interesse stoßen solche 3-D-Organoide bei Pharmafirmen. Toxikologische Studien könnten so ohne Tierversuche direkt an menschlichen Geweben durchgeführt werden. Aus Patientenstammzellen gezüchtete Organoide könnten zudem in Zukunft als Bausteine für Gewebeersatz zur Therapie geschädigter Organe eingesetzt werden, denn die Zahl der gespendeten Organe decke den Bedarf an Spenderorganen nicht.

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Das Airbus-Innovations-Team um Projektleiter Julian Raatschen entwickelt die Hardware und sorgt für den Zugang zur ISS. Von der Idee bis zur ersten Produktionstestung im All brauchten die Projektpartner drei Jahre. Bereits im März 2020 verbrachten 250 Teströhrchen mit menschlichen Stammzellen einen Monat auf der ISS.

Gewebestammzellen entwickeln sich gut im Weltall

Das Ergebnis: Aus den Gewebestammzellen hätten sich in 400 Kilometer Höhe wie beabsichtigt differenzierte organähnliche Leber-, Knochen- und Knorpel-Strukturen entwickelt – auf der Erde unter normalen Schwerkraftbedingungen gelang dies nicht oder nur minimal. „Wir zeigen als Erste, dass der Weg zur Produktion im All machbar ist, nicht in der Theorie, sondern in der Praxis“, sagt Ullrich.