Hamburg. Eigentlich sollte am Dienstag die Räumung vollzogen werden, doch vor Ort stellte sich heraus, dass dies gar nicht so einfach geht.
Der Gerichtsvollzieher ist pünktlich. Um acht Uhr ist der Termin auf dem Moorhof in Rissen angesetzt. Aus dem Stall hört man Kühe muhen. In einem Unterstand zupfen Kälber an aufgeschüttetem Heu. Der Beamte steht mit großer Aktentasche auf dem Hofplatz. Sein Antrag: den Milchviehbetrieb von Pächter Hauke Jaacks in Besitz zu nehmen. So heißt es im Juristendeutsch, wenn eine Zwangsräumung ansteht.
Auch einen Schlüsseldienst hat er mitgebracht – für den Fall, dass bei etwaigem Widerstand Schlösser geöffnet oder ausgetauscht werden müssen. Erst mal kommt der Hausherr in Arbeitsjoppe und Gummistiefeln. „Ich muss mich um die Kühe kümmern. Wir sind noch nicht ganz fertig mit dem Melken“, sagt er und deutet mit dem Kopf auf das offene Stalltor. Er ist seit sechs Uhr auf den Beinen. So wie jeden Tag.
Bauer Jaacks: Angespannte Stimmung bei Räumungsversuch auf Moorhof
Ein Vollstreckungstitel auf einem Bauernhof mit 300 Tieren ist schon sehr ungewöhnlich, vor allem in einer Großstadt wie Hamburg. Aber in diesem Fall zeichnet sich bereits nach wenigen Minuten ab, dass der Räumungstermin an diesem Dienstagmorgen anders läuft als vorgesehen.
Ein Dutzend Menschen hat sich auf dem Gehöft im Klövensteen eingefunden: Hofeigentümer Lars Breuer, der die Zwangsräumung nach Auslaufen des Pachtvertrags Ende 2021 in Gang gesetzt hatte, ist mit seinem Anwalt und zwei Kanzleimitarbeiterinnen gekommen. Auch Hauke Jaacks hat seine Rechtsbeistände vor Ort. Einige Rissener Unterstützerinnen sind da, ein Bürgerschaftsabgeordneter der Linken und die Presse. Die Stimmung ist angespannt.
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„Wir werden jetzt erst mal die Sachlage erläutern“, erklärt der Gerichtsvollzieher, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Dann verschwindet er mit beiden Parteien und deren Juristen im Jaackschen Wohnhaus, in dem der 59-Jährige mit Ehefrau und Sohn lebt. Als er schon kurze Zeit später wieder aus dem Gebäude mit den bunten Kinderbildern an den Fensterscheiben kommt, ist klar, dass die Bauernfamilie den Betrieb an diesem Tag nicht verlassen wird. Die Breuers sind mit dem Versuch, Zugriff auf ihr Eigentum zu erhalten und mit den Vorbereitungen für den Umbau zu einem Pferdebetrieb zu starten, zunächst gescheitert – der zähe Kampf um den Moorhof geht in die nächste Runde.
Moorhof: Probleme für Gerichtsvollzieher
Was ist geschehen? „Es gibt nur einen Vollstreckungstitel gegen den Landwirt, nicht aber gegen dessen Ehefrau“, erklärt Gerichtssprecher Kai Wantzen die Rechtslage. Es habe sich dem Gerichtsvollzieher so dargestellt, dass Frau Jaacks einen Anteil an dem Besitz, unter anderem dem Wohnhaus sowie an einem Teil der Rinder, hat. Der juristische Begriff dafür ist gemeinsame Sachherrschaft. Diese habe der Gerichtsvollzieher nicht aufteilen können und deshalb die Räumung vorläufig ausgesetzt. „Es wäre anders gewesen, wenn die Ehefrau freiwillig gegangen wäre“, sagt Wantzen. Das ist sie aber nicht.
Schon seit dem Verkauf vor drei Jahren ist klar, dass die Pächterfamilie auf dem Moorhof bleiben und wirtschaften will. Landwirt Jaacks erhebt schwere Vorwürfe gegen die behördliche Genehmigung des Verkaufs an die Breuers. Aus seiner Sicht entsprechen die Pläne für einen Reiterhof nicht den Kriterien einer landwirtschaftlichen Nutzung im Rahmen des geltenden Grundstücksverkehrsgesetzes. Wortgewaltig und mit viel Unterstützung, unter anderem über eine Online-Petition, die knapp 130.000 Menschen bundesweit unterschrieben haben, hat er den Kampf um seinen Milchhof im äußersten Westen von Hamburg geführt – auch vor Gericht.
Aussetzung der Zwangsräumung spielt Bauer Jaacks in die Karten
Inzwischen ist klar, dass die Genehmigung rechtlich standhält. Und es ist fünf nach zwölf für die Bauernfamilie. Der Pachtvertrag ist seit fast vier Monaten ausgelaufen. Verhandlungen mit den Eigentümern über ein Verfahren zum geregelten Auszug sind bislang gescheitert. Ende März hatten die Jaacks erstmals öffentlich angekündigt, nach einem neuen Hof zu suchen. Dass das nicht schnell umsetzbar ist, ist allen Beteiligten klar. Wie es genau weitergehen soll, ist dagegen offen. Hauke Jaacks will sich dazu auf Abendblatt-Anfrage nicht äußern, sieht aber sehr zufrieden aus. Klar ist: Die Aussetzung der Zwangsräumung verschafft dem Landwirt weitere Zeit.
„Es ist enttäuschend. Aber es war zu erwarten, dass noch etwas kommt“, sagt Eigentümer Lars Breuer. Als nächster Schritt soll jetzt eine Räumungsklage gegen Frau Jaacks vorbereitet werden. Das kann Monate oder noch länger dauern. Außerdem hatten Jaacks Anwälte am Montagnachmittag eine Vollstreckungsgegenklage erhoben, die jedenfalls noch nicht entschieden ist. „Das kostet alles viel Zeit und Geld“, sagt der 51-Jährige. Und man merkt, dass die Nerven bei dem sonst eher zurückhaltend auftretenden Rissener Unternehmer blank liegen, als er sich vor der Hofeinfahrt auf sein Elektrofahrrad schwingt.
Bauer Jaacks setzt Hoffnung in die Hamburger Behörden
Dass es nach der geplatzten Zwangsräumung ein schnelles Ende in dem Konflikt gibt, ist kaum vorstellbar. Beide Seiten bezichtigen sich gegenseitig, Gespräche über eine Lösung zu blockieren. Auch ein runder Tisch, wie ihn die Partei Die Linke gefordert hatte, kam nicht zustande. Pächter Jaacks setzt im Moment offenbar weiter darauf, dass er mit Unterstützung der Hamburger Behörden ein Grundstück findet, auf dem er einen neuen Hof bauen kann. Bei der Umweltbehörde hieß es allerdings: Realistische Alternativen seien nicht bekannt. Auch mit dem Bezirksamt Altona hat der Landwirt über eine Baugenehmigung auf einem Grundstück in unmittelbarer Nähe des Moorhof gesprochen. Man warte auf einen Vorbescheidsantrag, hieß es von dort. Ergebnis offen.