Hamburg. Die Lage spitzt sich zu: Bauer Jaacks weigert sich weiterhin den Hof zu räumen. Erstmals schalten sich nun die früheren Besitzer ein.

Auf den ersten Blick geht auf dem Moorhof in Rissen alles seinen gewohnten Gang. Landwirt Hauke Jaacks steht morgens um 6 Uhr im Stall, kümmert sich um seine 300 Kühe. Melken, füttern, ausmisten – und was sonst noch Tag für Tag anfällt. Aber die Situation ist alles andere als normaler Alltag. Die Hofstelle, die er vor mehr als 17 Jahren gepachtet hat, ist verkauft.

Die neuen Besitzer, eine Unternehmerfamilie aus der Nachbarschaft, wollen den Milchviehbetrieb in einen Reiterhof umwandeln. Seit Ende 2021 ist der Pachtvertrag abgelaufen. Aber der Bauer will den Hof nicht verlassen. Er zweifelt die Genehmigung der Behörden für den Verkauf an – und hat dafür zahlreiche Unterstützer. Seit mehr als drei Jahren schwelt der Konflikt. Jetzt äußert sich die frühere Eigentümerfamilie im Gespräch mit dem Abendblatt zum ersten Mal öffentlich zum Verkauf des Betriebs.

Streit um Moorhof in Rissen eskaliert: Familie verkaufte ihn 2019

Silke Ladiges lebt in der Nähe von Kiel auf einem Bauernhof. Trotz der Entfernung von knapp 100 Kilometern verfolgt sie die Entwicklung um die Zukunft des Moorhofs und seines bisherigen Pächters, seitdem die Familie den Betrieb im Jahr 2019 verkauft hat. „Wir haben Herrn Jaacks von Anfang an über unsere Pläne informiert, und wir haben alle notwendigen Schritte eingehalten“, sagt die 52-Jährige und weist Vorwürfe zurück, der Hof sei „hinterrücks“ verkauft worden.

Immer wieder in den vergangenen Monaten habe es in sozialen Medien massive Kritik gegeben, und die Familie habe erlebt, wie emotional die Debatte geführt wird. „Wir wurden öffentlich durch den Dreck gezogen“, sagt Ladiges und spricht auch für ihre 27-jährige Tochter, die sich nicht öffentlich äußern möchte. „Das ist sehr belastend und hat schlaflose Nächte bereitet.“

Silke Ladiges verließ Rissen nach Tod ihres Mannes

Um zu verstehen, wie es dazu gekommen war, muss man fast 20 Jahre zurückblicken. Im April 2004 war der Ehemann der Landwirtin gestorben, mit dem sie den Familienbetrieb am Rande des Klövensteens bewirtschaftet hatte. Kurz danach hatte sie Rissen verlassen und war mit ihren beiden kleinen Kindern auf den elterlichen Hof zurückgekehrt. „Nach dem Tod meines Mannes stand schnell der Entschluss, den Betrieb zu verpachten“, sagt Silke Ladiges. Sie spricht nicht darüber, wie dramatisch ihre Situation damals war, wie groß die Trauer.

Wer sie kenne, sagt sie, wisse, dass sie sachlich sei. Nach der geltenden Höfeordnung war damals nicht sie als Ehefrau Erbin des Milchhofs mit 38 Hektar Land, sondern das älteste Kind des Ehepaars – ihre damals neunjährige Tochter. Ladiges wurde als Betreuerin eingesetzt, bis die junge Frau im Alter von 25 Jahren das Erbe antreten durfte. Im September 2004 schloss sie den Pachtvertrag mit Jaacks, der von einem Hof wenige Kilometer entfernt kam und eine Perspektive für die Weiterentwicklung seines Milchbetriebs suchte.

„Das war eine sehr persönliche und emotionale Sache"

Das Verhältnis sei nie einfach gewesen, sagt Silke Ladiges im Rückblick. Über die Zukunft des Hofs habe es erstmals 2015 Gespräche gegeben, bei denen auch ein Vertreter des Bauernverbands dabei gewesen sei und Protokoll geführt habe. Ihre Tochter war damals 21 Jahre alt, machte zu dem Zeitpunkt eine Ausbildung als Hotelfachfrau. „Es hat sich abgezeichnet, dass sie wohl keine Landwirtin wird“, sagt ihre Mutter. Zwar habe ihr Sohn eine landwirtschaftliche Ausbildung angefangen, aber auch er habe kein Interesse an dem Hof der Schwester gehabt.

Ideen, ein Hofcafé oder Ferien auf dem Bauernhof einzurichten, hätten sich wegen der baurechtlichen Vorgaben im Außenbereich nicht umsetzen lassen. Ende 2017 fiel die Entscheidung, das väterliche Erbe zu verkaufen. „Das war eine sehr persönliche und emotionale Sache. Kurz danach haben wir dem Pächter, Herrn Jaacks, über den Bauernverband mitteilen lassen, dass er ein Kaufangebot abgeben könne“, sagt Silke Ladiges und erinnert sich noch an den Zeitpunkt während einer Rinderschau in Neumünster im Januar 2018 – etwa 20 Monate vor Ende des laufenden Pachtvertrags.

Kaufangebot lag deutlich unter Erwartungen

Eine Antwort sei zunächst nicht gekommen. Erst vier Monate später habe Jaacks ein Angebot abgegeben. „Allerdings lag das nur bei der Hälfte von dem, was wir erwartet hatten“, sagt Ladiges. Außerdem sei das Kaufangebot an zahlreiche Forderungen für Instandhaltungsarbeiten geknüpft gewesen. „Das hat uns damals schon verärgert.“ Wegen der langen Wartezeit hatte die Familie inzwischen einen Makler engagiert, der den Hof in einem Fachblatt inserierte. „In dem Pachtvertrag mit Herrn Jaacks war kein Vorkaufsrecht vereinbart“, sagt sie. Es hätten sich dann schnell die ersten Interessenten gemeldet.

Im Juli 2018 verunglückte der Sohn von Silke Ladiges tödlich. Ein weiterer schwerer Schicksalsschlag für die Familie. An vieles aus der Zeit könne sie sich nur noch vage erinnern, sagt die Mutter und ringt hörbar um Fassung. Es gab aber kurz danach einen Gerichtstermin mit dem Pächter, nachdem es um die Besichtigungstermine der Kaufinteressenten Auseinandersetzungen gegeben hatte. Spätestens zu dem Zeitpunkt war das Verhältnis zwischen Eigentümerin und Pächter massiv beeinträchtigt. Direkte Gespräche fanden nicht mehr statt.

„Uns ging es darum, die Sache abzuschließen“

Parallel zeigten die heutigen Besitzer ernsthaftes Interesse an dem Kauf. Sie seien die Einzigen gewesen, die bereit waren, den Hof mit einem laufenden Pachtvertrag zu übernehmen, sagt Silke Ladiges. „Uns ging es in der Situation darum, die Sache abzuschließen.“ Man wurde handelseinig. Nach Abendblatt-Informationen lag der Verkaufspreis im niedrigen einstelligen Millionenbereich.

Landwirt Hauke Jaacks mit einer seiner Kühe.
Landwirt Hauke Jaacks mit einer seiner Kühe. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES | Unbekannt

Im Juni 2019 legten die Käufer einen Vorvertrag für den Moorhof bei der Wirtschaftsbehörde zur Genehmigung vor. Weil es sich dabei um landwirtschaftliche Flächen handelt, gilt das sogenannte Grundstückverkehrsgesetz. „Uns war klar, dass der Käufer eine landwirtschaftliche Nutzung vorlegen muss“, sagt Silke Ladiges. Das sei für sie als Familie Leitlinie bei der Auswahl des Käufers gewesen. „Wir haben uns das sehr genau überlegt. Uns ist wichtig, dass der Hof landwirtschaftlich weitergeführt wird.“ Der heutige Eigentümer habe das mit seinem Konzept vor. Und: „Wenn Sie einen Pächter haben, mit dem es gut läuft, geht es bei einem Verkauf nicht nur um den Preis“, sagt Silke Ladiges und macht damit deutlich, dass es in diesem Fall aus Sicht der Familie anders war.

Jaacks war von Vorkaufsrecht überzeugt

Milchbauer Jaacks war lange davon ausgegangen, dass er als Pächter ein gesetzliches Vorkaufsrecht hat, und erfuhr erst im Laufe der behördlichen Prüfung von dem Verkauf des Hofs. Während sich das Genehmigungsverfahren mit Fristverlängerungen wegen fehlender Unterlagen und Konzepte hinzog, versuchte er in den Kaufvertrag einzutreten und erhöhte gegenüber der Behörde sein Angebot auf die gleiche Summe.

Das geht aus der Senatsantwort auf eine Kleine Schriftliche Anfrage des Bürgerschaftsabgeordneten der Linken, Stephan Jersch, hervor. Familie Ladiges sagt, sie habe kein neues Kaufangebot erhalten. Im September 2019 genehmigte die Behörde den Kauf. Im November wurde der Kaufvertrag mit den heutigen Besitzern beurkundet. Ende März 2020 wurde der Widerspruch des Bauern gegen die Genehmigung abgelehnt.

Ladiges sieht Online-Petition kritisch

Damit könnte der Fall beendet sein. Dass es nicht so ist, hat auch mit der politischen Dimension zu tun. Landwirt Jaacks zweifelt die Rechtmäßigkeit der behördlichen Zustimmung für den Verkauf an die Unternehmerfamilie an und klagt in zweiter Instanz gegen die Ablehnung seines Widerspruchs. Er wird dabei unter anderem von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft unterstützt. Das Ziel: eine Gesetzesänderung für Hamburg, um den Verkauf von Agrarland an Nicht-Landwirte zu erschweren.

„Das wollen wir auch“, betont Silke Ladiges. Dass mehr als 125.000 Menschen inzwischen eine Online-Petition für den Erhalt eines der letzten milchproduzierenden Höfe in Hamburg unterschrieben haben, sieht sie allerdings kritisch. „Die Argumentation in der Petition ist sehr einseitig.“

Streit um Moorhof: Lage in Rissen weiter zugespitzt

Seit dem Ablauf des Pachtvertrags hat sich die Lage weiter zugespitzt. Fest steht: Der Kaufvertrag gilt. Rechtlich ist eine Räumung möglich. Hinter den Kulissen laufen nach Abendblatt-Informationen nun Verhandlungen mit Rechtsanwälten zwischen dem neuen Besitzer und dem früheren Pächter über eine Übergangslösung. Über Inhalte wurde Stillschweigen vereinbart. Offenbar wollen die neuen Eigentümer, die ihren Namen nicht veröffentlicht sehen wollen, einen Showdown vermeiden.

Auch interessant

Auch interessant

Auch interessant

Zusätzliche politische Brisanz hat der Konflikt bekommen, nachdem drei Frauen aus Rissen eine Petition beim Senat eingereicht haben, in der sie von der Politik einen runden Tisch und die Überprüfung des Genehmigungsverfahrens fordern. Eine Antwort steht aus. „Gerade im Westen von Hamburg haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Milchviehhalter auf Pferdehaltung umgestellt“, sagt Silke Ladiges. Aktuell gibt es etwa 20 Reiterbetriebe in der Region. „Ich verstehe nicht, warum es verteufelt wird, wenn es jetzt wieder jemand tut.“