Hamburg. Der HASPAX legt seit Jahresanfang um gut ein Viertel zu. Ein Hamburger Börsen-Schwergewicht kann seinen Kurs mehr als verdoppeln.

Auch wenn die Kurse in den vergangenen Tagen vorübergehend etwas unter Druck geraten sind, deutet an der Börse alles auf ein weiteres gutes Jahr hin. So hat der Deutsche Aktienindex (DAX) gerade erst Mitte Juli ein neues Allzeithoch erreicht. Doch im Zeitraum seit Jahresbeginn liefen die Titel aus der Metropolregion Hamburg, repräsentiert durch den HASPAX, sogar noch erheblich besser als der DAX: Mit einem Plus von 25,6 Prozent seit Anfang Januar lässt der HASPAX den DAX (+ 14,2 Prozent) sehr klar hinter sich.

Dabei ragt ein Hamburger Aktienwert deutlich heraus: Anteilsscheine der Reederei Hapag-Lloyd haben in diesem Zeitraum um 105 Prozent zugelegt – und genau dieser Titel hat die höchste Gewichtung im HASPAX (siehe Grafik). Interessanterweise kommt die Top-Aktie des DAX im bisherigen Jahresverlauf ebenfalls aus dem Logistik-Bereich: die Deutsche Post mit einem Kursgewinn von immerhin 43 Prozent. Doch deren Börsenwert ist mit rund 72 Milliarden Euro mehr als doppelt so hoch wie der von Hapag-Lloyd (knapp 33 Milliarden Euro), wodurch die Kursbewegungen naturgemäß gedämpft werden.

DAX vs. HASPAX: Lob für Hapag-Lloyd vom Börsenpräsidenten

„Die ‚schweren Tanker‘ im DAX zeigen in der Regel weniger starke Ausschläge als die HASPAX-Werte mit ihrer geringeren Marktkapitalisierung“, sagt dazu Hamburgs Börsenpräsident Friedhelm Steinberg. „Auch wenn Hapag-Lloyd mit einer enorm guten Kursentwicklung schon viel vorweggenommen hat, gehört der Logistik-Sektor für mich weiter zu den aussichtsreichen Branchen“, so Steinberg.

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„Der Welthandel hat sich nach dem Einbruch im Frühjahr 2020 so schnell wieder erholt, dass das Angebot an Transportkapazitäten nicht mithalten konnte – und das hat zu Knappheiten geführt“, sagt Carsten Klude, Chefvolkswirt des Hamburger Privatbankhauses M.M. Warburg & CO, zum auffallenden Kursplus von Hapag-Lloyd. „Ich glaube zwar nicht, dass die Frachtraten auf dem jetzt erreichten Niveau bleiben, aber die Reedereien hatten damit ja auch gar nicht kalkuliert“, so Klude.

Technologieunternehmen rücken etwas in den Hintergrund – auch in Hamburg

Wegen des Rücksetzers am Gesamtmarkt im Juli macht er sich keine Sorgen. „Ich würde das nicht überbewerten“, sagt der Wertpapierexperte. „Korrekturen von fünf oder zehn Prozent sind am Aktienmarkt völlig normal.“ Klude ordnet die zeitweiligen Kursrückgänge, ausgelöst durch Sorgen vor einem Aufflammen der Inflation und neuen Lockdowns wegen der Delta-Variante des Coronavirus, als „gesundes Durchatmen“ ein. Mit einer Jahresend-Prognose von 16.500 Punkten für den DAX bleibt Kludes Team jedenfalls zuversichtlich. Beim Wettbewerber Berenberg sieht man den DAX zum Jahresende bei 15.800 und zum 30. Juni 2022 bei 16.300 Punkten.

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Klude weist allerdings darauf hin, dass es am Aktienmarkt zuletzt mehrere „Favoritenwechsel“ gegeben hat. So sind die US-Technologiewerte wie etwa Alphabet (Google), Microsoft oder Facebook in der Gunst der Anleger zuletzt etwas in den Hintergrund gerückt, nachdem solche Titel mehr als fünf Jahre lang die Zugpferde des US-Aktienmarkts waren. Tatsächlich zählt sich einer der Jahresverlierer aus dem HASPAX, die Lübecker Hypoport-Gruppe mit verschieden Finanz-Onlineplattformen, ebenfalls zu den Technologieunternehmen.

Corona-Folgen an der Börse: "Rückbesinnung auf die 'alten Werte'"

„Es zeichnet sich nun eine Rückbesinnung auf die ‚alten Werte‘ ab“, sagt Lutz Neumann, Leiter Vermögensverwaltung der Hamburger Sutor Bank. Seine Erklärung für den Schwenk: „Das Wirtschaftswachstum in den vergangenen Jahren war eher schwach, es gab viele technologische Innovationen sowie niedrige Zinsen – ideale Voraussetzungen für Tech-Werte.“

Doch Corona habe vieles verändert. Die von den Notenbanken eingeleitete ultralockere Geldpolitik kurbele das Wachstum an, wovon die „werthaltigen Klassiker“, zu denen unter anderem traditionelle Industrieunternehmen zählen, überproportional profitieren könnten, so Neumann. Ein Beispiel dafür liefert der Industriekamerahersteller Basler aus Ahrensburg mit dem zweitstärksten Kursplus im HASPAX seit Jahresanfang. Nach Auffassung von Klude hat das Abflauen des Technologie-Hypes einen positiven Nebeneffekt für den deutschen Aktienmarkt: „Auch angelsächsische Investoren haben sich wieder stärker für Europa interessiert.“

Erneuerbare Energien sind derzeit die Verlierer – die Gründe

Wie Klude meint, haben die zuvor lange unterbewerteten Sektoren wie die Automobil- und die Finanzbranche inzwischen schon stark aufgeholt. Gutes Kurspotenzial sieht der Experte unter anderem noch für Titel aus Pharma- und Gesundheitsbereich – wobei das im HAS­PAX enthaltene Lübecker Medizintechnikunternehmen Drägerwerk bisher nicht zu den stärksten Gewinnern in diesem Index gehört.

Eindeutige Verlierer sind aber der Wind- und Solarparkbetreiber Encavis und der Windturbinenbauer Nordex. „Nachhaltigkeit stand 2020 besonders im Fokus der Investoren, Firmen wie Encavis wurden sehr hoch bewertet“, erklärt Klude. Mit Jahresbeginn 2021 waren sie dann wegen ihres kapitalbedürftigen Geschäfts von Zinsängsten der Geldgeber von Erneuerbare-Energien-Projekten stark getroffen: Sollten die Zinsen signifikant steigen, böten sich andere, weniger riskante Investitionschancen.

Allgemeine Marktentwicklung: Inflationsschub, dann Normalisierung

Höhere Zinsen wiederum könnten aus dem aktuellen Anziehen der Inflationsraten weltweit resultieren. Warburg-Chefvolkswirt Klude hält die Aufregung wegen angeblich drohender Inflation aber für einen „Sturm im Wasserglas“. Die derzeit kletternden Teuerungsraten beruhten auf Basiseffekten wie dem Ölpreisschub gegenüber dem ersten Halbjahr 2020 – und sie hätten in den USA ihren Höhepunkt wohl auch schon erreicht.

In Deutschland stehe er wegen der vorübergehenden Mehrwertsteuerabsenkung zwischen Juli und Dezember 2020 zwar noch bevor. Zeitweise könne die Inflationsrate hier nahezu die Marke von vier Prozent erreichen, 2022 werde sie im Jahresdurchschnitt wohl aber schon wieder bei weniger als zwei Prozent liegen, erwartet Klude. Damit hätten dann auch Unternehmen aus dem Sektor der Erneuerbaren Energien wieder bessere Chancen.

Hamburgs Börsenpräsident Friedhelm Steinberg
Hamburgs Börsenpräsident Friedhelm Steinberg © Andreas Laible | Andreas Laible

Im Hinblick auf den Gesamtmarkt ist Hamburgs Börsenpräsident Steinberg nicht so optimistisch gestimmt wie Klude. „Die Risiken für den Aktienmarkt sind nicht klein, zumal die jüngsten Pandemie-Sorgen in den Gewinnschätzungen der Unternehmen noch nicht enthalten sind“, so Steinberg. „Solange aber die Unterstützung durch die Geldpolitik der Notenbanken erhalten bleibt, ist der Markt gut nach unten abgefedert.“

Handelsumsätze in Hamburg steigen weiter deutlich

Der Börsen AG (Böag), Obergesellschaft der Wertpapierbörsen Hamburg, Hannover und Düsseldorf, gehe es jedenfalls gut: „Im bisherigen Jahresverlauf haben die Handelsumsätze bei uns weiter deutlich zugenommen, auch wenn die Steigerungsrate zuletzt etwas flacher geworden ist“, sagt Steinberg, der dem Böag-Aufsichtsrat angehört.

Nachhaltigkeit bleibe ein wichtiges Thema: „Unser erfolgreicher Nachhaltigkeitsindex GCX wird noch in diesem Quartal um eine GCX-Variante für Titel aus Schwellenländern ergänzt.“