Hamburg. Das Hamburger Geldhaus hat nun seinerseits die Deutsche Bank verklagt. Ein Gespräch mit Joachim Olearius über die Vorwürfe.
Eine Razzia in der Firmenzentrale, eine Steuerrückforderung des Finanzamts über 56 Millionen Euro, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen nun auch gegen den Chef selbst – für das Hamburger Privatbankhaus M.M.Warburg & CO war 2018 ein denkwürdiges Jahr. Bei alldem geht es um den Verdacht, die Bank habe im Rahmen sogenannter Cum-Ex-Aktiengeschäfte (siehe Kasten) Steuern hinterzogen.
Doch jetzt sind die Hamburger selbst in die Offensive gegangen: Sie haben die Deutsche Bank, die als Dienstleister bei den Aktiengeschäften fungierte, auf Schadenersatz verklagt. Denn die Deutsche Bank habe es „pflichtwidrig“ unterlassen, fällige Steuern abzuführen. Das Abendblatt sprach mit Joachim Olearius, Sprecher der Partner von M.M.Warburg, über die Steuerhinterziehungsvorwürfe, das schwierige Umfeld für Banken und die Schifffahrtskrise.
Sind Sie froh, dass das Jahr 2018 vorüber ist?
Joachim Olearius: Ich freue mich über jede Lebenszeit.
Für Anleger war es jedoch ein schlechtes Jahr: Der deutsche Aktienmarkt hat um 18 Prozent nachgegeben, Anleihen und Gold liefen ebenfalls nicht gut.
Olearius: Das stimmt. Bei den US-amerikanischen Aktien haben wir gerade den schlechtesten Dezember seit 1931 gesehen. Aber zum Beispiel im Immobilienbereich gab es weitere Wertsteigerungen. Allerdings geht es bei der Vermögensanlage ohnehin darum, längere Zeiträume zu betrachten. Die meisten unserer Kunden tun das.
Das Jahr 2018 war für Sie auch von den Ermittlungen im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften geprägt. Wie ist der aktuelle Stand – und warum dauern die 2016 begonnenen Ermittlungen so lange?
Olearius: Es ist leider weiter offen, wann die Ermittlungen abgeschlossen werden. Die Rechtslage ist schon sehr komplex.
Hat sich M.M. Warburg in dieser Sache etwas vorzuwerfen? Hat man zum Beispiel Cum-Ex-Fonds für Kunden angeboten?
Olearius: Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass wir keine rechtswidrigen Cum-Ex-Transaktionen vorgenommen haben. Für uns gilt bei unserem Handeln stets die Prämisse, dass wir alle Regeln einhalten. Wir haben weder Kunden empfohlen, an rechtswidrigen Cum-Ex-Transaktionen teilzunehmen, noch haben wir entsprechende Angebote entwickelt. Unsere Geschäfte sind für die Behörden vollständig transparent. Darum hat es uns 2016 mehr als überrascht, als gerade wir besonders in den Fokus gerückt wurden. Ich bedaure sehr, dass an unserer Glaubwürdigkeit gezweifelt wurde. Ich will aber auch nicht verschweigen, dass unser Vertrauen in den Rechtsstaat zwischenzeitlich gelitten hat. Unsere Position machen wir in Rechtsverfahren geltend, so zum Beispiel in der jetzt erhobenen Klage gegen die bei unseren Geschäften tätige inländische Depotbank, die Deutsche Bank. Wir sind sicher, dass die Verfahren in unserem Sinne abgeschlossen werden.
Haben Sie selbst in Cum-Ex-Geschäfte Geld investiert?
Olearius: Nein.
Wie gehen Sie damit um, dass Sie persönlich medial im Mittelpunkt stehen und im vorigen Jahr verschiedentlich als Übeltäter dargestellt wurden?
Olearius: Natürlich belastet mich das. Ich hätte vor dem Hintergrund unserer Geschichte nicht gedacht, dass so etwas im Jahr 2018 möglich ist.
Kommen wir zu einem anderen Krisen-Thema: Etliche Kunden von M.M. Warburg kommen aus dem Schifffahrtssektor. Die Branchenkrise dort geht jetzt ins elfte Jahr. Halten Sie an der Schifffahrt fest?
Olearius: Wir begleiten Kunden aus der Schifffahrt seit 221 Jahren, und es hat in diesem Wirtschaftszweig immer ein Auf und Ab gegeben. Zu der volkswirtschaftlichen Funktion einer Bank gehört es, den Kunden zu helfen, schwierige Zeiten zu überbrücken – so habe ich das jedenfalls einmal gelernt. So haben wir uns im Jahr 2009 an der Unterstützung und Standortsicherung der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd beteiligt. Ähnliche Fälle hat es immer wieder gegeben.
Nähern wir uns jetzt dem Ende der Schifffahrtskrise?
Olearius: Mittlerweile sind viele ältere Schiffe verschrottet worden, die Bewertungen stabilisieren sich. Auch wir haben in der Vergangenheit erhebliche Abschreibungen vornehmen müssen. Rückblickend muss man allerdings feststellen, dass die Branche keine große politische Unterstützung erfahren hat. Um es vereinfacht zu sagen: Ohne Schifffahrt fällt Weihnachten aus. Es ist schon erstaunlich, dass man außerhalb Hamburgs nicht erkannt hat, wie bedeutsam dieser Wirtschaftszweig für eine Exportnation ist – und wie wichtig es ist, den Hamburger Hafen und seine gute Verkehrsanbindung an das Hinterland leistungsfähig zu halten. Für internationale Reedereikonzerne gibt es immer eine Alternative. Dann fahren ihre Schiffe eben nach Holland oder Polen. So war es ja auch bei der Schiffsfinanzierung: Sie kommt jetzt nicht mehr vor allem aus Deutschland, dafür zum Beispiel aus den USA und Norwegen.
Die HSH Nordbank ist von US-Finanzinvestoren übernommen worden, andere kleinere Institute auch. Man erwartet, dass sich Banken künftig zu größeren Einheiten zusammenschließen. Wie sehen Sie diese Entwicklung – und wird M.M.Warburg zu einem Übernahmekandidaten?
Olearius: Für uns ist die Unabhängigkeit das höchste Gut. Es gibt viele Kunden, die nicht bei einer Bank mit amerikanischen, arabischen oder asiatischen Gesellschaftern sein wollen. Insofern sehe ich sehr gutes Potenzial für uns. Zwar hat man uns allen beigebracht, dass Größe wirtschaftliche Vorteile bringt. Aber Vielfalt ist eben auch ein Wert. Im Hinblick auf Finanzinvestoren muss man sich fragen, ob sie daran interessiert sind, den deutschen Bankenmarkt auch langfristig voranzubringen. Als Eigentümer sagen wir jedenfalls nicht eines Tages: Jetzt haben wir unsere 15 Prozent Rendite erzielt, wir gehen. Allerdings haben wir intern auch selbst gerade konsolidiert: Aus fünf bisher eigenständigen Banken in unserer Gruppe ist eine einzige geworden.
Welchen Vorteil bringt das?
Olearius: Wir sparen damit allein weit mehr als 600 aufsichtsrechtlich bedingte Gespräche pro Jahr ein. Man sieht daran, dass auch die Regulierung ein Treiber für Zusammenschlüsse ist. Abgesehen davon war es aber auch unser strategisches Ziel, bundesweit unter dem Namen M.M.Warburg & CO aufzutreten. Das haben wir jetzt erreicht.
Im vorigen Jahr haben Sie Auslandstöchter in Luxemburg und der Schweiz verkauft. Was war der Grund?
Olearius: Auch das hat viel mit der Regulierung zu tun. Der Aufwand für Kontrollmechanismen und die Kapitalanforderungen hat in den zurückliegenden zehn Jahren in etwa um das Drei- bis Vierfache zugenommen. Mit dem Rückzug aus dem Ausland konnten wir die Komplexität reduzieren. Wir konnten aber auch einen guten Preis erzielen. Fast gleichzeitig haben wir die Mehrheit an dem Vermögensverwaltungsgeschäft der Nord/LB übernommen – seit Dienstag heißt die Gesellschaft offiziell Warburg Invest AG. Diese Ergänzung passt wegen des ebenfalls norddeutsch geprägten Kundenkreises kulturell sehr gut zu uns. Nach solchen Gelegenheiten suchen wir weiter.
Während die HSH Nordbank und mehrere andere Geldinstitute in Hamburg massiv Personal abbauen, hat die Mitarbeiterzahl von M.M. Warburg hier auch 2018 noch einmal leicht zugelegt. Profitieren Sie bei der Personalgewinnung von den Problemen der anderen Banken?
Olearius: Richtig ist, dass wir weiter gute Leute und neue Ansätze suchen – und derzeit ist es für uns ein komfortabler Markt, was das Personal angeht. Auf längere Sicht ist es aber natürlich für den Bankenstandort nicht gut, wenn die Mitarbeiterzahlen insgesamt schrumpfen. Damit verringern sich auch die Ausbildungsangebote und die von den Banken für die Mitarbeiter abgeführten Lohnsteuern, die Hamburg nützen.
Zunehmend bieten auch Online-Giganten wie Google sowie zahlreiche sogenannte FinTechs spezielle Bankdienstleistungen an. Macht Ihnen diese Konkurrenz Sorgen?
Olearius: Es geht da nicht zuletzt um den Zahlungsverkehr im Massengeschäft. Da sind wir nicht aktiv, sondern eher bei Transaktionen im internationalen Zahlungsverkehr für Unternehmenskunden, was ganz besondere Kompetenzen erfordert. Darüber hinaus nutzen auch wir die Chancen der Digitalisierung. Aber meine Auffassung ist: Vertraue nur einer Bank, die auch einen Tresor hat. Entscheidend ist auch die Sicherheit im Umgang mit Kundendaten. Wir als Privatbank haben da traditionell sehr hohe Standards.
Was bedeutet das Niedrigzinsumfeld für M.M.Warburg?
Olearius: Für uns ist es nicht etwa ein Niedrigzins, sondern ein Negativzins. Er wirkt wie eine Zusatzsteuer von 0,4 Prozent für Banken. Wir sehen aber auch die längerfristigen gesellschaftlichen Auswirkungen im Hinblick auf die sozialen Sicherungssysteme. Das wird die Generation treffen, die in zehn oder 15 Jahren in den Ruhestand geht. Ich bin überzeugt, dass auch dies eine Ursache für die aktuellen Protestbewegungen und politischen Irritationen ist.
Macht der Beruf des Bankers in diesen Zeiten eigentlich noch Spaß?
Olearius: Der des Bankers eher nicht, der des Bankiers aber durchaus.