Hamburg. Verpächter freuen sich über Andrang. Der Wunsch nach Selbstversorgung ist das stärkste Motiv der Kunden.

Noch ist Braun die dominierende Farbe auf dem Acker kurz hinter der Hamburger Landesgrenze: Erde satt! Doch bald wird sich das auf dem Stück Land des Hof Rehders allmählich ändern. Mehr als 20 Sorten Gemüse wird die studierte Agrarwissenschaftlerin Kath­rin Rehders in den Boden bringen. Allerdings nicht in erster Linie für sich und ihren Familienbetrieb.

Am 4. Mai rücken die Pächter an. Sie haben jeweils 45 oder 90 Quadratmeter große Parzellen gemietet. Bis Ende Oktober steht auf dem Programm der Hobbybauern: Unkraut jäten, gießen – und ernten. „Ich finde es schön, den Anbau von landwirtschaftlichen Produkten erlebbar zu machen“, sagt Rehders über das Geschäftsmodell. Seit 2012 kooperiert die Norderstedterin mit dem Bonner Unternehmen Meine Ernte, das die Vermietung der Gemüsegärten übernimmt und im Gegenzug den Landwirten Gebühren und Pacht zahlt. 95 Parzellen sind vorgesehen – und alle bereits von Kunden gebucht.

Viel mehr Anfragen durch Coronakrise

Meine Ernte kooperiert in der Metropolregion zudem mit dem Hof Delfs in Stapelfeld. Auch dort ist die Auslastung schon hoch. Von den 90 Parzellen seien noch etwa zehn Stück frei, sagt Meine-Ernte-Gründerin und Geschäftsführerin Natalie Kirchbaumer dem Abendblatt: „Dieses Jahr ist die Nachfrage früher gekommen.“ Bundesweit seien 90 Prozent der 2500 Gemüsegärten an 26 Standorten bereits gebucht. Seit Fe­bruar – als die Coronakrise mehr und mehr in die Öffentlichkeit trat – klingele „das Telefon Sturm“.

Dieselbe Erfahrung machte auch Tobias Paulert. Er ist Gründer und Geschäftsführer von Ackerhelden. Das Essener Unternehmen kooperiert im Norden mit dem Gut Wulksfelde. „Durch die Coronakrise haben wir viel mehr Anfragen gekriegt“, sagt Paulert. Viele Leute wollten einfach wissen, wo das Gemüse herkomme und durch welche Hände es gehe. Zudem gebe es Zweifel, ob die Waren wirklich immer wieder in den Supermarktregalen aufgefüllt würden. „Das beschäftigt die Menschen mehr als wir dachten“, sagt Paulert.

Der Wunsch nach Selbstversorgung sei bei vielen Kunden das stärkste Motiv. Das Lokale gewinne in Zeiten der Pandemie wieder an Bedeutung. „Die Nachfrage ist so groß, dass wir die Fläche vergrößert haben. Jeden Tag kommen neue Anfragen hinzu. Wir werden in diesem Jahr in Wulksfelde 250 Parzellen anbieten. 220 sind schon vermietet“, sagt Paulert. Im Vorjahr seien es zu dem Zeitpunkt 180 gewesen.

Mehr Parzellen als im Vorjahr gebucht

Im Süden Hamburgs arbeitet das Unternehmen seit dem vergangenen Jahr mit dem Hof Ackerperlen im Spadenland zusammen. 50 bis 60 Parzellen wird es am Hofschläger Deich geben, 32 seien gebucht – und damit ebenfalls mehr als im Vorjahr. Insgesamt betreibt Ackerhelden an 22 Standorten in Deutschland und Österreich 1650 Parzellen. „Im nächsten Jahr kommen noch Anlagen hinzu“, sagt Paulert.

1800 Gemüsegärten könnten es dann werden. Ungetrübt ist die Freude bei dem Unternehmer allerdings nicht. Zum einen ruht ein Projekt. Der gemeinnützige Verein Ackerhelden machen Schule will in diesem Jahr mehr als 100 Schulen und Kitas jeweils drei Hochbeete mit Erde, Pflanzen und Saatgut spenden. Damit sollen Kinder an die Landwirtschaft herangeführt werden. Doch in Coronazeiten liegt das Vorhaben auf Eis.

Coronakrise: Kurzarbeit für sieben Mitarbeiter

Zum anderen musste für die sieben fest angestellten Mitarbeiter Kurzarbeit angemeldet werden. Der Grund: Als zweites Standbein setzt man in der betrieblichen Gesundheitsvorsorge auf Aufträge von Firmen. Deren Mitarbeiter sollen mehr über gesunde Ernährung erfahren und sich in gemeinsam mit dem Chef gehegten und gepflegten Hochbeeten über Ernteerfolge freuen. Dieser Geschäftszweig, der etwa ein Drittel des Umsatzes ausmache, ist fast weggebrochen. Wer als Firma auf Homeoffice setzt oder Kurzarbeit angemeldet hat, verzichtet auf solche Maßnahmen und hält sein Geld zusammen.

Apropos Geld: Die Pächter zahlen 199 Euro pro Saison, die am 15. Mai beginnt, und erhalten dafür einen zweimal 20 Meter großen Gemüsegarten. In den Boden wurden bereits mehr als 150 Jungpflanzen wie Kartoffeln, Zwiebeln, verschiedene Salate und Spinat eingesetzt – alles in Bioqualität nach Demeter-Maßstäben. Arbeitsgeräte und Wasser stehen für die meist zwei bis drei Hobbybauern, die sich einen Gemüsegarten normalerweise teilen, zur Verfügung. Es gibt eine Beratung vor Ort, per Mail und Telefon – und im Gegenzug bis Ende November frisches, saisonales Gemüse.

Abstand halten ist auf dem Acker problemlos möglich

Von den aktuell gültigen Coronaverhaltensregelungen sind die Vermieter der kleinen Ackerparzellen übrigens nicht stark eingeschränkt. „Die Leute dürfen aufs Feld und sind ohnehin nie alle gleichzeitig vor Ort. Selbst auf der großen Anlage in Wulksfelde sind keine sechs Leute gleichzeitig auf dem Feld“, sagt Paulert. Abstand halten sei daher problemlos möglich.

Ebenso wie wenige Kilometer weiter auf dem Hof Rehders. Dort wurden die Parzellen mit den Ziffern eins und zwei nummeriert. Wer eine Eins gemietet hat, darf an den ungeraden Tagen sein Feld bestellen. Mit der Zwei ist man an geraden Tagen dran. So wird der Kundenandrang weiter entzerrt. Zudem soll jeder Handschuhe tragen.

Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde

  • Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum, und halten Sie mindestens 1,50 Meter Abstand zu anderen Personen
  • Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
  • Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
  • Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
  • Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an Ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden

45 Quadratmeter große Parzelle kostet 229 Euro

Bei Meine Ernte gibt es Überlegungen, die Flächen aufgrund der hohen Buchungslage noch zu vergrößern. „Wir versuchen noch, die Standorte zu erweitern“, sagt Kirchbaumer. Auch in Norderstedt werde das erwogen. Denn in vorherigen Jahren kamen auch im Mai oder Juni häufig Nachzügler, die noch eine Parzelle wollten und dann auch den Zuschlag bekamen.

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Auf dem Hof Rehders müssen für eine 45 Quadratmeter große Parzelle 229 Euro bezahlt werden. Der doppelt so große Familiengemüsegarten kostet 439 Euro. Angebaut wird konventionell erzeugte Ware. „Wir haben viele Stammkunden, die seit fünf, sechs Jahren dabei sind“, sagt Rehders, die sich als Bauernhofpädagogin weitergebildet hat. Einmal in der Woche bietet sie vor Ort eine Gartensprechstunde für die Mieter an. Ein Stück Land bestellt sie übrigens auch selbst. Drei- bis viermal pro Woche kümmert sie sich dort um das Wachstum von Kürbis, Gurke, Zucchini und Co. – zum Eigenverzehr.