Hamburg. Wer sein Vermögen oder seine Immobilie zu Lebzeiten auf die Nachkommen überträgt, erspart ihnen Steuern. Was Hamburger wissen müssen.

Wer spart und schafft, der hat auch etwas zu vererben. Doch es kann sich auszahlen, in der Familie nicht erst auf den Erbschaftsfall zu warten. Geschenke als vorgezogenes Erbe werden in Deutschland immer beliebter. Schon mehr als jede fünfte Schenkung in Höhe von mindestens 1000 Euro wurde bislang ausdrücklich als vorweggenommene Erbschaft vergeben.

Insgesamt geben fast die Hälfte aller Erwachsenen (43 Prozent) in Deutschland ab 18 Jahre an, schon mindestens einmal ein Geschenk im Wert ab 1000 Euro erhalten zu haben. Das geht aus einer Studie der Quirin Privatbank hervor. Am häufigsten ging es dabei um Geld (60 Prozent). Fast jedes sechste Geschenk enthielt aber auch schon Immobilien (15 Prozent). „Schenkungen und Erbschaften haben in Deutschland eine exponentiell wachsende Bedeutung – nach der Erbschaftswelle wird Deutschland nun quasi von einer Schenkungswelle überrollt“, sagt Karl Matthäus Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Quirin Privatbank.

Höhere Freibeträge für Schenkungen

Auch Steueraspekte sprechen für Schenkungen. 8,6 Milliarden Euro kassierten die Bundesländer 2020 an Erbschaftsteuer. „Mindestens die Hälfte aller anfallenden Steuern könnte bei mehr Weitsicht und Planung vermieden werden“, so Peter E. Quart, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Erbrechtskunde. Zwar sind Schenkungs- und Erbschaftssteuer gleich.

Erleichtert werden Schenkungen durch die hohen Freibeträge von 500.000 Euro für Ehegatten und gesetzliche Lebenspartner und von 400.000 Euro für Kinder innerhalb von zehn Jahren (s. Grafik). Die Freibeträge und die Zehn-Jahresfrist gelten stets in Bezug auf den jeweils Beschenkten. Der Schenkende darf häufiger großzügig sein und innerhalb dieser Dekade mehrmals Vermögen auf unterschiedliche Kinder oder andere Verwandte verteilen.

Schenkung reduziert Erbschaftsteuerbelastung

„Da die Freibeträge alle zehn Jahre erneut in Anspruch genommen werden können, unterstützen sie den langfristigen Vermögensübertrag“, sagt Franziska Rohland-Dieckmann, Steuerberaterin in der Hamburger Kanzlei Schomerus Partner. Auch mit Blick auf mögliche Gesetzesänderungen nach der Bundestagswahl dürfte Verschenken an Bedeutung gewinnen. Die Stichworte sind Vermögensteuer oder höhere Erbschaftsteuer. Denn mit Schenkungen lässt sich die Erbschaftsteuerbelastung deutlich reduzieren. In diese Schenkungen können auch die Enkelkinder einbezogen werden.

Statt also Negativzinsen an die Bank zu zahlen, kann auch schon ein größerer Geldbetrag an die Enkel verschenkt werden. „Der Schenker ist in seinen Entscheidungen frei, wem er etwas schenkt“, sagt Rohland-Dieckmann. Die Eltern könnten aus Sorge um ihr künftiges Erbe nicht verhindern, dass die Großeltern ihrem Enkel einen größeren Geldbetrag schenken. „Aber das Geld muss auf ein Konto des Enkels eingezahlt werden“, sagt Rohland-Dieckmann. Solange die Enkel aber minderjährig sind, braucht es die Zustimmung der Eltern. Eine Schenkung sollte möglichst immer im Einvernehmen mit den künftigen Erben erfolgen. Ohnehin macht Schenken nur im Zuge einer langfristigen Erbschaftsplanung Sinn.

Je näher die Verwandtschaft, desto niedriger der Steuersatz

Beispiel: Der Vater schenkt seinem Sohn 500.000 Euro. Nach Abzug des Freibetrags muss der Sohn 100.000 Euro mit elf Prozent versteuern. Er zahlt 11.000 Euro Schenkungsteuer an das Finanzamt. Schenkt der Vater seinem Filius jedoch zunächst nur 400.000 Euro und nach zehn Jahren weitere 100.000 Euro, ist die gesamte Schenkung steuerfrei. Ausschlaggebend für den persönlichen Freibetrag, die Steuerklasse und den Steuersatz ist das Verwandtschaftsverhältnis.

Als Faustformel gilt: Je näher die Verwandtschaft, desto höher ist der persönliche Freibetrag und desto niedriger der Steuersatz, der zwischen sieben und 50 Prozent betragen kann. Aber um die Freibeträge voll auszuschöpfen, müssen zwischen Schenkung und Erbschaft zehn Jahre vergehen. Ist der Zeitraum kürzer, wird die Schenkung nachträglich dem Erbe zugerechnet, egal ob das nun zwei Jahre oder neun Jahre her sind.

Schenkungsvertrag kann sinnvoll sein

Wenn der Beschenkte auch Erbe sein soll, dann kann man in einem Schenkungsvertrag vereinbaren, dass die Schenkung (auch zeitlich unbefristet) auf sein Erbe anzurechnen ist. Der Erbe erhält dann später entsprechend weniger. „Derartige Klauseln sind insbesondere bei Schenkungen an ein Kind oftmals gewünscht, wenn dieses später gemeinsam mit einem Geschwisterkind Alleinerbe sein soll und das Geschwisterkind durch die vorherige Schenkung an das andere Kind nicht benachteiligt werden soll“, sagt Rohland-Dieckmann.

 Man kann auch Ausgleichszahlungen an Geschwister vereinbaren. „Bei größeren Schenkungen ist es sinnvoll, einen Schenkungsvertrag anfertigen zulassen, um festzuhalten, was unter eventuell welchen Bedingungen geschenkt wird“, sagt Rohland-Dieckmann.

Steuerfreie Übertragung von Immobilien

Innerhalb von zehn Jahren haben sich die Immobilienpreise in Hamburg verdoppelt. Bei einem Einfamilienhaus, das im Schnitt laut Gutachterausschuss rund 900.000 Euro kostet, wird es mit den Freibeträgen schon eng, erst recht, wenn nur ein Elternteil die Immobilie besitzt. Doch es gibt eine Lösung: Die Hälfte der Immobilie kann zunächst auf den anderen Ehepartner steuerfrei übertragen werden.

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Der Freibetrag wird dabei nicht angerechnet. Zusätzlicher Effekt: Durch die Schenkung verdoppeln sich die Freibeträge für die Kinder, da beide Partner sie nutzen können. Das selbstgenutzte Haus kann dann an die Kinder übertragen werden, ohne dass die Eltern ausziehen müssen. Abgesichert wird das über ein Wohn- oder Nießbrauchrecht.

Nießbrauchrecht ermöglicht Vermietung der Immobilien

Schenkungen von Immobilien müssen notariell beurkundet werden. Damit sind auch Nutzungsrechte der Eltern gut abgesichert. Das Nießbrauchrecht ist umfassender als das Wohnrecht und ermöglicht auch eine Vermietung der Immobilie. Bei einem lebenslangen Wohnrecht sind die Kinder als neue Eigentümer verpflichtet, die Instandhaltung der Immobilie zu übernehmen. Anders als beim Nießbrauch verfügen die Kinder über entsprechende Mieteinnahmen, um die Kosten für die Instandhaltung zu übernehmen.

Haus im Erbfall steuerfrei
Wer eine Immobilie von seinen Eltern erbt, deren Wert den Freibetrag deutlich übersteigt, kann sie dennoch steuerfrei übernehmen. Das ist allerdings an Bedingungen geknüpft. Das Objekt darf nicht größer als 200 Quadratmeter sein und der Erbe muss zehn Jahre in der Immobilie wohnen. Eine Ausnahme gibt es nur, wenn man den Haushalt nicht mehr selbst führen kann und in ein Seniorenheim ziehen muss. Das Haus muss innerhalb von sechs Monaten bezogen werden.

Ob also Wohnrecht oder Nießbrauch, hängt auch davon ab, in welcher finanziellen Lage die Eltern sind und was sie mit der Schenkung erreichen wollen. Droht der Einzug in das Pflegeheim, kann ein Nießbrauchrecht vorteilhafter sein, weil dann das Haus vermietet werden kann und die Mieteinnahmen von den Eltern für die Pflegekosten genutzt werden können.

Vermietete Wohnimmobilien mindern den Schenkungswert

Rein rechnerisch würden die beiden Immobilienanteile mit je 450.000 Euro um je 50.000 Euro über dem Freibetrag liegen, wenn die Immobilie an zwei Kinder geht. „Ein Wohn- oder Nießbrauchrecht mindert aber den Schenkungswert, die Höhe hängt maßgeblich vom Alter des Schenkers und bei vermieteten Immobilien auch von den Erträgen ab“, sagt Rohland-Dieckmann. In diesem Beispiel würde also für den Sohn und die Tochter keine Schenkungssteuer fällig. Auch ein Mehrfamilienhaus im Wert von einer Million Euro lässt sich so steuerfrei auf das Kind übertragen, selbst wenn es nur ein Elternteil besitzt. Denn eine vermietete Wohnimmobilie verringert den Schenkungswert um weitere zehn Prozent.

Anders als bei einer Erbschaft erfährt das Finanzamt nicht automatisch von einer Schenkung, sofern kein Notar eingeschaltet ist. Dennoch ist man verpflichtet innerhalb von drei Monaten die Schenkung unter Angabe des Verwandtschaftsverhältnisses dem Finanzamt mitzuteilen.