Hamburg. Die Corona-Pandemie trübt die Jahresbilanz 2020 nur wenig. 70 Prozent der Neuansiedlungen in Hamburg kommen aus dem Ausland.

Monatelang geschlossene Geschäfte, Millionen Menschen in Kurzarbeit, düstere Aussichten auf dem Ausbildungsmarkt – die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Unternehmen und Beschäftigte sind immens. Das ist 2020 an Hamburgs Wirtschaftsförderern nicht spurlos vorübergegangen. Gleichwohl fällt die Bilanz von Hamburg Invest für das erste Jahr der Pandemie besser aus als 2018.

„Die Wirtschaft investiert in Hamburg trotz Corona kräftig. Das ist ein außerordentlich starkes Signal und Beleg für das Potenzial des Standortes Hamburg“, sagte Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) am Dienstag bei der Vorstellung des Jahresberichts der Wirtschaftsförderer in einer Videokonferenz. Für gewöhnlich erstatten der Senator und Hamburg Invest-Chef Rolf Strittmatter den Bericht im innovativen Ambiente eines zukunftsträchtigen Start-ups oder in den Räumen alteingesessener, aber vorbildlich zukunftsorientierter Mittelständler.

Erfolg durch Arbeitsplätze und Firmenansiedlungen messbar

Die harte Währung, in der Erfolg oder Misserfolg von Wirtschaftsförderern gemessen wird, sind Arbeitsplätze und Firmenansiedlungen. Wie zu erwarten, fallen die Zahlen niedriger aus als im Rekordjahr 2019. So wurden im vergangenen Jahr 59 Unternehmen neu in die Stadt geholt. Ein Jahr zuvor waren es 77 gewesen. Ebenfalls rückläufig waren mit knapp 2200 (Vorjahr: 2540) die Zahl der neu geschaffenen Arbeitsplätze und die gut 7300 (knapp 9000) abgesicherten Jobs. Hamburg Invest schreibt sich zugute, Investitionen in Höhe von 588 Millionen Euro (656 Millionen) ausgelöst zu haben.

Zugleich stieg die Zahl der in der Stadt bereits ansässigen Unternehmen, deren Expansion ermöglicht und die damit in Hamburg gehalten wurden, von 55 auf 60. „Der anhaltenden Corona-Pandemie zum Trotz liegt das Ergebnis auf einem sehr hohen Niveau“, heißt es bei Hamburg Invest.

Schleswig-Holstein: 114 Neuansiedlungen von Unternehmen

Zum Vergleich: Die Wirtschaftsförderer in Schleswig Holstein hatten Ende vergangener Woche berichtet, sie hätten im Corona-Jahr 114 Unternehmen neu im Norden angesiedelt – nur vier weniger als 2019. Die Zahl der neuen Jobs allerdings halbierte sich annähernd auf knapp 1900.

Neu in Hamburg sind unter anderem die US-Unternehmensgruppe As­cent Aerospace, ein Dienstleister für die Luft- und Raumfahrtindustrie, und die chinesische Firma Chuango Security Technology, die Sicherheitssysteme entwickelt und konzipiert. Mit dem US-Unternehmen SmileDirectClub ist der Weltmarktführer für den Direktvertrieb unsichtbarer Zahnschienen gewonnen worden und mit Vässla ein Elektrorollerhersteller, der verspricht, die Probleme urbaner Mobilität „mit Stil“ zu lösen: schwedisches Design, starker Elektromotor, Akku mit langer Laufzeit.

Windkraftanlagenhersteller nutzt Standort Hamburg

Eine Niederlassung in der Hansestadt eröffnet hat auch einer der führenden Windkraftanlagenhersteller aus China. Er will den Standort Hamburg in den nächsten Jahren ausbauen. „Etwa 70 Prozent der Neuansiedlungen betreffen ausländische Unternehmen“, so Strittmatter.

In der Stadt gehalten werden konnte unter anderem die Firma Coloplast. Für den Anbieter im Bereich medizinische Versorgung fand sich ein Grundstück in Wandsbek als neuer Standort. Die Firma Weinmann, Hersteller von Defibrillatoren und medizinischer Geräte für den Rettungsdienst, gab im Sommer bekannt, dass sie an der Gasstraße in Bahrenfeld eine eigene Unternehmenszen­trale errichten werde.

Unternehmen mit innovativen Schwerpunkten beliebt

Hamburg-Invest-Chef Strittmatter betonte, dass es solche Unternehmen sind, um die man sich besonders bemüht. „Im Mittelpunkt des Engagements standen auch 2020 die Themen Innovation, Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Unternehmen mit diesen Schwerpunkten waren im Fokus des Standortmarketings. Die meisten von Hamburg Invest betreuten Firmen kamen aus dem innovativen Mittelstand oder waren Start-ups“, sagte er.

Das ist auch eine Frage des vorhandenen Platzes. Vermittelt wurden 2020 Gewerbeflächen in der Größenordnung von 16,4 Hektar, was etwas mehr als 20 Fußballplätzen entspricht. Die werden bevorzugt an Firmen mit hoch qualifizierten und gut bezahlten Beschäftigten vergeben. „Gerade in Zeiten von Corona war und ist es richtig, konsequent auf wertschöpfungsintensive Branchen zu setzen. Wir benötigen und gestalten Wachstum insbesondere in den technologie- und wissensbasierten Wirtschaftsbereichen“, so Strittmatter.

155 Millionen Euro Steuereinnahmen für Hamburg

Laut einer Studie der Prognos AG werden durch die Aktivitäten der Wirtschaftsförderer im vergangenen Jahr Wertschöpfungseffekte von insgesamt 1,7 Milliarden Euro angestoßen. Und Hamburg könne mit Steuereinnahmen in Höhe von 155 Millionen Euro rechnen. „Jeder in die Wirtschaftsförderung investierte Euro zahlt sich aus. Das freut auch den Finanzsenator“, erklärte Westhagemann. Dem stehen Kosten von etwa fünf Millionen Euro für die Arbeit der Wirtschaftsförderer gegenüber.

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Erschwert hat die Pandemie das internationale Ansiedlungsgeschäft. Messen, Besuche potenzieller Investoren in der Hansestadt, vertrauliche Anbahnungsgespräche – all das habe nicht stattfinden können, und der persönliche Kontakt sei durch digitale Formate nur ansatzweise zu ersetzen, so die Wirtschaftsförderer. Das wird in diesem Jahr absehbar nicht viel besser.

Vergabeverfahren für Industrie- und Gewerbegebiet Neuland

Gleichwohl könnte 2021 ein gutes Jahr werden für Hamburg Invest. Denn unlängst ist das Vergabeverfahren für das baureife Industrie- und Gewerbegebiet Neuland an der Autobahn-Anschlussstelle Harburg neu angelaufen. Für einen Großteil der gut 25 Hektar hatten vor Jahren bereits die Deutsche Post und ihr Paketdienst DHL den Zuschlag erhalten, gaben die Flächen aber wieder zurück. Sie sind insbesondere für die Ansiedelung von Industrieunternehmen aus Zukunftsbranchen und innovative Logistikkonzepte vorgesehen.

Bis Mitte März können sich Interessenten melden. „Wir rechnen mit 40 bis 50 Bewerbungen“, sagte Strittmatter. Im Laufe des Jahres soll feststehen, welche Unternehmen nach Neuland kommen. Dort sollen mindestens 1400 Arbeitsplätze entstehen. Und auch an anderen Standorten in der Stadt stehe man derzeit kurz vor einem Abschluss mit namhaften Logistik- und Medizintechnikunternehmen, heißt es.